7300 Infizierte, 366 TodesopferWarum ist Italien so stark vom Coronavirus betroffen?
- Italien ist nach China das weltweit am schwersten von der Coronavirus-Pandemie betroffene Land.
- Doch warum sind ausgerechnet in Italien, dessen Lebensqualität sprichwörtlich ist, bereits so viele Menschen an der Krankhheit Covid-19 gestorben?
- Eine Analyse.
Köln – 7300 Infizierte, 366 Todesopfer: Italien ist nach China das weltweit am schlimmsten von der Coronavirus-Pandemie betroffene Land. Rechnete man das Verhältnis zwischen Infizierten und Todesopfern – auf 20 Infizierte kommt in Italien ein Todesopfer – auf Deutschland um, wären hierzulande bei 1112 Infizierten (Stand: Montag, 9. März), bereits 55 Todesopfer infolge der Lungenkrankheit zu beklagen.
Tatsächlich gibt es bislang ein deutsches Todesopfer – einen 60-jährigen Mann, der am Sonntag im ägyptischen Badeort Hurghada starb. Wie kommt es, dass in Italien sowohl die Zahl der Infizierten als auch die der Toten so erschreckend viel höher liegt als in allen anderen europäischen Ländern?
Der Faktor Zeit
Massimo Galli, Professor für Infektiologie an der staatlichen Universität in Mailand, erklärte dem „Corriere della Sera“, dass sich das Coronavirus unter anderem in der italienischen Provinz Lodi südlich von Mailand in der Region Lombardei unerkannnt seit Ende Januar verbreitet habe. In dieser Zeit seien eine Reihe von Patienten mit Atemwegserkrankungen in sehr schlechtem Zustand in Krankenhäusern behandelt worden, die wahrscheinlich mit dem Coronavirus infiziert waren, ohne dass das aber erkannt worden wäre. „Als wir das Feuer bemerkten, brannten schon große Teile des ersten Stockwerks", benutzt Galli ein drastisches Bild, um den zeitlichen Verzug beim Erkennen der Epidemie in Italien zu beschreiben.
Das hohe Durchschnittsalter der Italiener
Die Italiener sind, gemeinsam mit Japan und Deutschland, das Land mit der weltweit ältesten Bevölkerung. Das Durchschnittsalter der Italiener beträgt 46,3 Jahre (Europa: 43,1 Jahre). 14 Millionen der 60,5 Millionen Italiener sind 65 Jahre und älter. Insbesondere ältere und in ihrer Immunabwehr geschwächte Patienten zeigen aber bei der durch das Coronavirus ausgelösten Krankheit Covid-19 schwere Krankheitsverläufe.
Die Luftverschmutzung in der Po-Ebene
Die Qualität der Luft in fast der gesamten Po-Ebene ist seit Jahrzehnten extrem schlecht. In der geographischen Kessellage zwischen den Alpen im Norden und Westen und dem Appenin im Süden findet bei bestimmtem Wetter nur wenig Luftaustausch statt. Insbesondere während der winterlichen Heizperiode steigen dann die Feinstaub- und Stickstoffdioxidwerte immer wieder weit über die zulässigen Grenzwerte. Das setzt die Atemwege der Bewohner unter Stress und führt zu vermehrten Atemwegserkrankungen.
Das könnte Sie auch interessieren:
In der Vergangenheit hat deshalb auch die EU-Kommission die italienische Regierung wegen fortgesetzten Verstoßes gegen Richtlinien der Europäischen Union aufgefordert, etwas gegen die schlechte Luft zu unternehmen. Passiert ist bisher wenig. Zahlreiche Studien, so schreibt das italienische Online-Portal fanpage.it, hätten den Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung und der erhöhten Zahl an Todesfällen durch Atemwegserkrankungen in der Region unter Beweis gestellt.
Die Streichungen im Gesundheitswesen
Seit der weltweiten Finanzkrise 2008/2009 und der Euro-Krise zu Beginn der Zehner-Jahre, die auch Italien an den Rand des Staatsbankrotts brachte, hat die Politik unter anderem im italienischen Gesundheitswesen in erheblichem Maß Finanzen gestrichen. Der Zeitung „Il Fatto Quotidiano“ zufolge belaufen sich die Kürzungen auf 37 Milliarden Euro seit 2010. Verglichen mit der Situation vor zehn Jahren sind im italienischen Gesundheitswesen 42.800 Krankenschwester, Ärzte und andere Mitarbeiter weniger beschäftigt. Die Zahl der Krankenhausbetten sank landesweit um 7000.
Alle diese Faktoren zusammen genommen tragen dazu bei, die katastrophal hohen Coronavirus-Zahlen in Italien zu erläutern. Oder, wie „fanpage.it“ etwas überspitzt schreibt: „Das Coronavirus konnte kein besseres Land finden.“