75. GeburtstagSo erklärt Physiker Stephen Hawking unser Universum
Köln – Als die Ärzte Stephen Hawking 1963 zwei Jahre zu leben geben, dreht der Physiker erst richtig auf. Heute ist er ein Popstar, tritt bei den „Simpsons“ auf, Benedict Cumberbatch und Eddie Redmayne verkörpern ihn im Film. Am Sonntag wird er 75. Wir erzählen in 7 Kapiteln, wie er unser Universum erklärt.
Das Universum auf den Punkt gebracht
Als Stephen Hawking Mitte der 1960er Jahre seine Doktorarbeit in Oxford vorlegte, war die Existenz von Schwarzen Löchern noch höchst umstritten. Der damals 23-Jährige erkannte als Erster ihre existenzielle Bedeutung für das Universum. Was ist ein Schwarzes Loch? Da müssen wir bei Einstein anfangen. Der hat in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie festgestellt, dass die Schwerkraft kein geheimnisvolles Energiefeld ist, sondern eine geometrische Eigenschaft der Raumzeit.
Stellen Sie sich ein Trampolin vor, auf dem mehrere Holzkugeln verteilt sind. Jetzt legen sie eine schwere Eisenkugel auf die Mitte des Trampolins. Die Fläche des Trampolins ist die Raumzeit, die von dem schweren Objekt gekrümmt wird. Ebenso zieht unsere Sonne weniger massereiche Objekte wie die Planeten an.
Ein extrem massereiches Objekt könnte nach Einsteins Theorie sogar unter seinem eigenen Gewicht kollabieren – zu einem Punkt unendlich gekrümmter Raumzeit von unendlicher Dichte. Das ist die sogenannte Singularität, die im Zentrum eines Schwarzen Loches lauert. Und warum ist das Loch schwarz? Weil die Anziehungskraft der Singularität in seinem Zentrum so groß ist, dass es alles in seiner Nähe verschlingt, sogar das Licht.
Die Big-Bang-Theorie
Könnte man die Entstehung eines Schwarzen Loches beobachten und dann rückwärts laufen lassen, argumentierte Hawking, hätte man ein Modell des Big Bang vor Augen. Die Urknalltheorie besagt, dass Materie, Raum und Zeit – also das Universum – vor 13,8 Milliarden Jahren aus einem gemeinsamen Anfangspunkt heraus entstanden sind.
Hawking gelang – zusammen mit dem Mathematiker Roger Penrose – der Beweis, dass in einem Universum, das den Gesetzen der Allgemeinen Relativitätstheorie gehorcht, in der Tat eine Singularität am Anfang aller Dinge stand. Damit zeigte Hawking uns auch die Grenzen unseres Wissens, denn in einer Singularität verlieren die uns bekannten Naturgesetze ihre Gültigkeit: „Das Universum ist, wie es jetzt ist, weil es war, wie es damals war.“ Mehr kann man nicht wissen.
Schwarze Löcher können nur wachsen
Schwarze Löcher sind gefräßig. Da ihnen nichts entkommen kann, können sie nur immer weiterwachsen. Die Größe eines Schwarzen Lochs ist der Radius seines Ereignishorizonts. Den nennt man so, weil jenseits dieser Grenze Ereignisse für Beobachter nicht mehr sichtbar sind (Sie erinnern sich: Auch das Licht wird verschluckt).
Den sich stetig erweiternden Ereignishorizont verglich Hawking mit dem berühmten Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Man kann ihn etwa so umschreiben: Alle Prozesse, bei denen Reibung stattfindet, also Wärme erzeugt wird, sind unumkehrbar. Das Universum wird also immer unordentlicher. Das nennt man Entropie. Sie können eine Tasse kaputt schmeißen, aber sie können keine Tassenscherben heil schmeißen.
Nein, schwarze Löcher können schrumpfen.
Aber wo bleibt die Wärme? Nach den Gesetzen der klassischen Physik können Schwarze Löcher keine Wärme abgeben. Können sie doch, behauptete Hawking und bediente sich bei der Quantenphysik. Derzufolge ist selbst ein perfektes Vakuum nicht leer. Paare aus Teilchen und Antiteilchen poppen ständig aus dem Nichts auf und verschwinden wieder, bevor die Gesetze der Physik verletzt werden können.
Geschieht das am Ereignishorizont, könnte eines der Teilchen in das Schwarze Loch fallen, während das andere entkommt. Diesen Strom flüchtender Teilchen nennt man Hawking-Strahlung. Er ist die Wärme, die das Schwarze Loch abgibt. Die verschluckten negativ geladenen Teilchen aber lassen die Gesamtenergie des Schwarzen Lochs sinken. Es schrumpft.
Gelten Ursache und Wirkung?
Hawking ist kein großer Entdecker. Aber er hat grundlegende Bereiche der Physik zusammengebracht: die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenphysik, Kosmologie, Thermodynamik und Informationstheorie. Was wird eigentlich aus der Information, die ein Schwarzes Loch verschluckt? Etwa aus der DNA eines Astronauten, der unglücklicherweise über den Ereignishorizont rutscht? Schwarze Löcher zerstören Information, behauptete Hawking Anfang der 80er und versetzte die Kollegen in Aufruhr.
Denn wenn die Ursache vor der Wirkung kommt, kann man (theoretisch!) jede Wirkungskette bis zur Ursache zurückverfolgen. Gingen Information auf Nimmerwiedersehen verloren, zerrüttet dies das Kausalitätsprinzip. Später musste Hawking zurückrudern.
Warum wir uns schleunigst davon machen sollten
Immer wieder nutzt Stephen Hawking seine Popstar-ähnlich Prominenz auch für öffentliche Warnungen. Zuletzt betätigte er sich als Endzeitprophet. Die Welt werde untergehen, verkündete er in einem seiner öffentlichen Vorträge. Der Menschheit stünden nun ihre gefährlichsten Jahrhunderte bevor. Denn je größer unsere Fortschritte in Wissenschaft und Technik, desto unsicherer werde unsere Existenz auf diesem Planeten. Ob durch Atomkrieg, globale Erwärmung, gentechnisch veränderte Viren oder künstliche Intelligenz – die Chancen auf eine existenzbedrohende Katastrophe, schätzt Hawking, werden sich innerhalb der kommenden 10 000 Jahre bis zur Gewissheit steigern.
Die Rettung sieht der Physiker allein in der Kolonialisierung des Alls. Da wir davon technisch allerdings noch einige Jahrhunderte entfernt seien, sollten wir verdammt vorsichtig sein.
Wie man eine Zeitmaschine baut
Nein, argumentiert Stephen Hawking, Zeitreisen in die Vergangenheit sind leider unmöglich. Dafür gibt es gibt eine komplizierte Erklärung, mit Wurmlöchern und rückgekoppelter Strahlung. Und eine einfache, das sogenannte Großvater-Paradox, als die Geschichte vom Zeitreisenden, der in der Vergangenheit seinen eigenen Großvater erschießt.
Doch der Weg in die Zukunft steht uns offen. Schwarze Löcher sind natürliche Zeitmaschinen. Reist man mit einem Raumschiff in die Umlaufbahn eines Ereignishorizonts eines supermassiven Schwarzen Lochs, verginge die Zeit für die Insassen des Raumschiffs viel langsamer, als die Zeit jenseits des Ereignishorizontes. Denken Sie an das Trampolin und die schwere Eisenkugel in seiner Mitte. Das gedehnte Trampolin ist die gekrümmte Raumzeit. Die andere Möglichkeit, in die Zukunft zu reisen, sagt Hawking, ist, so schnell wie möglich zu fliegen. Bis kurz vorm absoluten Tempolimit des Universums, der Lichtgeschwindigkeit. Dazu bräuchte man nur ein riesiges Raumschiff mit gigantischen Brennstoffvorräten und einen langen, langen Anlauf.