Astrophysiker Heino FalckeDer Mann, der Licht ins Dunkel bringt
- Heino Falcke, Radioastronom und Astrophysiker, war einer der Leiter des Forschungsprojektes, dem es gelang, das erste Bild eines Schwarzen Loches zu präsentieren.
- Ein Porträt des Mannes, der Licht ins Dunkel bringt.
Köln – Wenn Heino Falcke unsere Zukunft begreifen will, schaut er sehr tief in die Geschichte zurück. Nicht tausend Jahre. Auch nicht zehntausend. Sondern Millionen von Jahre sind die Daten alt, mit denen der Astrophysiker – einem Archäologen gleich – seine Computer füttert: Riesige Teleskopantennen empfangen Radiowellen, die auf der Erde in endlose Zahlenkolonnen umgewandelt werden. Was für Laien vermutlich am Ende nach chaotischem Zahlensalat aussieht, formt sich in Falckes Kopf in Muster und Bilder.
So entstand auch das „Foto“, das Falcke berühmt gemacht hat. Es entstammt einem Untersuchungsgegenstand, der in den Tiefen des Weltalls verborgen ist. Messier 87 – oder kurz M87 – ist eine elliptische Riesengalaxie, die 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt liegt und es deswegen aus dem unübersichtlichen Universum in unser Blickfeld schaffte, weil Heino Falcke dafür gesorgt hat. Ein Team von Wissenschaftlern unter seiner Führung hat mit dem Event Horizon Telescope – einem weltweiten Verbund von Radioteleskopen – 2019 eine Abbildung des Zentrums dieser Galaxie vorgestellt: die erste Abbildung eines Schwarzen Loches, das die Weltöffentlichkeit sehen konnte. Eine Sensation.
Gigantische Gebilde
Schwarze Löcher sind gigantische Gebilde. Das Exemplar im Zentrum von M87 ist etwa so groß wie unser Sonnensystem. Seine Masse entspricht geschätzt der von sechs Milliarden Sternen, die so groß sind wie unsere Sonne. Eine Sonnenmasse wiegt 1,99 Quintillionen Kilogramm (zum Vergleich: gut 330 000-mal die Masse unserer Erde). Die Radiowellen, die das Event Horizon Telescope empfangen hat, sind – bis irdische Astrophysiker sie aufgefangen, in Zahlen überführt und zu einem Bild zusammengesetzt haben – lange durch den Weltraum gewandert.
„Das macht aber nichts“, sagt Falcke, der an der Radboud-Universität im niederländischen Nimwegen einen Lehrstuhl innehat und in Frechen im Rhein-Erft-Kreis lebt. „Auf die Natur ist Verlass. Die Regeln, die ihr Wirken bestimmen, sind konstant.“ Das gilt auch für das grundlegende Wissen, das große Forscher im Verlauf der Jahrhunderte gesammelt haben. Die Erkenntnisse von Isaac Newton oder Albert Einstein haben auch heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren.
Aber wäre es nicht schön, wenn man aktuelle Daten hätte? Wie könnte M87 denn zurzeit aussehen? „Ich glaube, dass das Schwarze Loch zum jetzigen Zeitpunkt – den wir von der Erde also erst in 55 Millionen Jahren beobachten können – minimal größer geworden ist, aber vielleicht weniger hell strahlt“, sagt der 55-Jährige. Diese Interpretation wäre nach den vorliegenden Daten „durchaus plausibel“. Das Schwarze Loch von M87 schwächelt nämlich ein wenig.
Heino Falcke ist ein ganz besonderer Wissenschaftler. Nicht nur, weil er sich auf solche Gedankenspiele einlässt. Sondern auch, weil er Erkenntnisse sammelt, um diese einer größeren Öffentlichkeit präsentieren und verständlich machen zu können. Dass ihm das gelingt, ist eine echte Leistung angesichts der komplexen Objekte, mit denen er sich beschäftigt: Supermassereiche Schwarze Löcher beispielsweise, die aufgrund ihrer Gravitation ganze Sterne anziehen, zerreißen und verschlucken. Die Anziehungskraft eines Schwarzen Loches ist so groß, dass noch nicht einmal ein Lichtstrahl ihm entkommen kann.
Zur Person
Heino Falcke ist Professor für Astrophysik und Radioastronomie am Institut für Mathematik, Astronomie und Teilchenphysik (IMAPP) an der Radboud-Universität in Nimwegen und ist Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn. Der 55-Jährige erforscht Schwarze Löcher und hochenergetische Elementarteilchen. Als Redner und Autor engagiert er sich für die Vermittlung von Wissenschaft in der Öffentlichkeit. Er ist u. a. Träger des Spinoza-Preises, der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung der Niederlande. In seiner Freizeit traut, tauft, beerdigt und predigt er als ordinierter Prädikant in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Falcke lebt in Frechen. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Deswegen kann man Schwarze Löcher auch nicht sehen, geschweige denn fotografieren. Die Wissenschaftler kommen nur bis an den Rand dieser kosmischen Ungeheuer – den sogenannten Ereignishorizont. Wer diese Schwelle überschreitet, wird unweigerlich verschlungen und kehrt nie mehr zurück. Für Forscher markiert der Ereignishorizont die Grenze der Messbarkeit.
Dahinter liegt das Reich der Spekulation. Udo Lindenbergs astrophysikalische Erkenntnis, dass es hinter dem Horizont weitergeht, hat ebenfalls noch heute Gültigkeit – bei Schwarzen Löchern weiß man nur leider nicht, wie. Auch wenn Heino Falcke und seine Forschergemeinde es noch so gern wüssten.
Schließlich handelt es sich bei einem Schwarzen Loch wahrhaftig um einen exotischen Raum, der schon deswegen eine Reise wert wäre, weil in ihm Zeit anderen Gesetzen folgt. „Am Rand des Schwarzen Loches vergeht die Zeit langsamer. Wer sich dort aufhält, scheint jünger zu bleiben – zumindest, solange man nicht verschluckt wird“, sagt Falcke.
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Für den gläubigen Christen Falcke, der als Prädikant in der evangelischen Kirche arbeitet, vertragen sich Astrophysik und Religion problemlos. Urknall und Schwarze Löcher sind Anfang und Ende unserer Welt – dahinter beginnt das Reich des Glaubens, ohne das „Wissenschaft keinen Sinn macht“. Nachdem das Bild des Schwarzen Loches von M87 um die Welt ging, hat sich die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für das zuweilen schwer zugängliche Fach der Astrophysik deutlich erhöht. Falcke hat ein Buch über den langen Weg von der Idee zum Bild geschrieben und ist ein gefragter Vortragsredner. Seine Stimme hat an Gewicht gewonnen. Das verschafft neue Möglichkeiten. „Zum Beispiel viel mehr Kontakte – beispielsweise auch zu Unternehmern.“
„Wir müssen mehr ausprobieren und offener für Innovationen werden“
Was fehlt am Wissenschaftsstandort Deutschland? „Ich würde mich freuen, wenn es eine positivere Einstellung zur Wissenschaft geben würde. Wir müssen mehr ausprobieren und offener für Innovationen werden.“ Hinzu komme, dass es – anders als beispielsweise in den USA – bei uns eher verpönt ist, Risiken einzugehen. Die Folge: „Es fehlt Risikokapital.“ Investitionen, die wiederum potenzielle Gründer für die Umsetzung ihrer Ideen dringend benötigen. Und: „Wir müssen die Unis stärken, Wissenschaft stimulieren! Man denke nur an die Energiewende, an die Wasserstoffindustrie, Kernfusion.“ Überhaupt könnte man die Verbindung zwischen Universitäten und Unternehmen deutlich verbessern. „Der Austausch in den USA ist viel größer. Da sitzen die Firmen in den Hochschulen.“ Was fehlt, sind „Begegnungsräume, die Forschung und Gesellschaft miteinander verbinden“.
Aber auch wenn manches besser werden sollte, befinde sich Deutschland doch auf dem richtigen Weg. „Die deutsche Forschung ist wettbewerbsfähiger geworden. Ihre Qualität ist gestiegen.“ Die nahe Zukunft also gibt Anlass für Optimismus.
Und auf lange Sicht? Wenn der Lebenszyklus unseres Universums zu Ende geht, ist alle Materie in Schwarzen Löchern verschwunden. Das klingt nicht besonders verlockend. Aber bis dahin ist es noch sehr lange hin. Nicht Millionen, auch nicht Billionen Jahre. Sondern noch viel länger.