Auswirkung der Corona-KriseGroße Zahl an Spaziergängern in den Wäldern von NRW
- In der Corona-Krise haben die Menschen in NRW den Wald wiederentdeckt.
- Einschätzungen von Experten zufolge hat sich die Zahl derer, die im Wald Erholung und Vergnügen suchen, im Frühjahr verdoppelt.
- Das ist erfreulich. Doch gibt es beim Wandern im Wald einige Dinge zu beachten.
Köln – Es ist der Teufel los im deutschen Wald, zumindest manchmal. Dann liefern sich Motocross-Fahrer verbotene Rennen zwischen den sterbenden Fichten. Spaziergänger bringen ihren Hausmüll mit und platzieren ihn im trockenen Unterholz. Andere deponieren Unmengen an Bauschutt im tiefen Forst und manche fahren mit dicken Autos fröhlich mitten durch die Naturparks, bis sie gefunden haben, was sie für einen schönen Platz für Picknick mit Lagerfeuer und Wandergitarre halten.
Schlimm, keine Frage. Aber Stefan Befeld, Förster beim Landesbetrieb Wald und Holz NRW, ist ein freundlicher Mensch mit einem Hang zu Toleranz und Verständnis. „Zum einen“, sagt er, „gibt es jetzt viele Besucher, die mit dem Wald keine große Erfahrung haben. Und dann hatten zu Beginn der Corona-Krise ja auch die Baustoffcenter geschlossen.“ Und das mit den Autos? „Ja“, sagt er, „es sind inzwischen wirklich viele SUVs im Umlauf.“
Corona, natürlich. Die Pandemie hat auch auf den Wald direkte Auswirkungen. Die Leute von Wald und Holz NRW haben die Lage seit Beginn der ersten Lockdowns beobachtet und analysiert. Ergebnis: „Im Wald sind in diesem Jahr rund doppelt so viele Menschen unterwegs wie üblich. Das haben Zählungen im Nationalpark und im Kottenforst und Befragungen der Regionalforstämter ergeben.“
Denn so streng waren die Corona-Maßnahmen bislang zu keiner Zeit, dass man nicht im Familienverbund oder zu zweit durch den Wald hätte spazieren dürfen. Der Ansturm hat die Forstleute dennoch erstaunt.
Jetzt glauben sie , dass das erst mal so weitergeht: „Weil viele Urlaubsplanungen durch die Corona-Pandemie geplatzt sind, werden in diesen Sommerferien noch mehr Menschen in die Wälder strömen.“ Es könnte beinahe ein bisschen eng werden.
„Es treffen die Erholungssuchenden auf Waldarbeiter und Baumaschinen“, sagt Befeld. Und auf beiden Seiten steigen die Zahlen extrem an – die Besucher versuchen aus dem Corona-Alltag das Beste zu machen und die Waldarbeiter räumen unentwegt weg, was die Trockenheit und in der Folge die Verwüstungszüge der Borkenkäfer mit den Fichten in den Wäldern anrichten.
Weil es so viel „Käferholz“ – tote Fichten – gibt und weil das Holz von den Waldarbeitern aus dem Wald herausgeholt wird und für den Export oder sonstige spätere Nutzung gesammelt und vorbereitet wird, gibt es im Wald derzeit viele Stammstapel. Gab es schon immer, aber: „Jetzt sind es wirklich viele“, sagt Befeld nachdrücklich.
Holzstapel bergen Gefahren
Diese Stämme sind geordnet, gelagert und gestapelt fachgerecht für einen zügigen Abtransport – und nicht nach Kinderspiel- und Freizeitkriterien. „Nicht klettern! Nicht turnen!“, ruft Befeld den Wald-Novizen jeden Alters zu – schon ein oberschenkeldicker Stamm könne, wenn es blöd läuft, Knochenbrüche und schwere Quetschungen verursachen. Befeld: „Und wenn erst so ein Stapel ins Rutschen kommt – da sind gewaltige Kräfte am Werk, das ist lebensgefährlich.“
Die steigenden Zahlen bei Besuchern und Waldschäden führen noch zu anderen Gefahren. Brandgefahr in den Wäldern des Landes Nordrhein-Westfalen ist in heißen Sommern von jeher ein Thema. „Aber eher ein latentes“, sagt Michael Blaschke, der Sprecher des Landesbetriebs Wald und Holz, „jetzt aber haben wir ein richtiges Thema.“
Denn der Wald ist ein komplexes Gebilde mit ebensolch komplexen Lebenszyklen. Beispiel Baumschädlinge. Unter passenden Umständen wehrt sich eine Fichte gegen Borkenkäfer, indem sie Harz ausscheidet und den Käfer aus der angegriffenen Rind ausblutet – bis zu 200 Borkenkäfer kann eine gesunde Fichte leicht abwehren.
Viele tote Fichten erhöhen die Waldbrandgefahr
Bei extremer Trockenheit können die Fichten das Harz aber nicht mehr in ausreichendem Maße produzieren und sind den Attacken der Käfer somit wehrlos ausgeliefert. Es gibt in der Folge immer mehr tote Fichten, das Holz wird in der Hitze immer trockener, die Bäume knicken weg, fallen um oder müssen gefällt werden.
Dadurch liegt immer mehr trockenes Material auf dem Boden – ein idealer Nährboden für die nächsten Käfergenerationen, und damit ein weiterer Faktor für erhöhte Waldbrandgefahr. Eine hoch entzündliche Gefahrenlage und viele Menschen, die sich nicht recht auskennen – da ist Vorsicht geboten.
Die zahlreichen Brände in den ersten Hitzephasen des Jahres hatten beinahe ausschließlich – zu 95 Prozent – nicht natürliche Ursachen, mit anderen Worten: Mutwillen, Leichtsinn, Unachtsamkeit.
Blaschke appelliert an Waldbesucher: „Natürlich gilt das Offenkundige, also kein Rauchen und Grillen im Wald.“ Aber manchmal brennt es an unerwarteter Stelle. „Manche Besucher stellen ihre Fahrzeuge jenseits der offiziellen Waldparkplätze ab“, sagt der Sprecher des Landesbetriebs. „Und wenn die glühend heißen Katalysatoren der Fahrzeuge in Berührung kommen mit ausgetrocknetem Gras oder Holz ...“ – „Solch ein Brand gerät sofort außer Kontrolle“, weiß Förster Befeld, „das geht in Sekundenschnelle.“ Dann gelte es – „bitte unbedingt!“ – die Feuerwehr zu alarmieren.
Nichts als Gefahren und Vorschriften? „In den Wäldern der USA oder Skandinaviens darf man grillen, zelten, fischen“, sagt Befeld, das höre er oft. Und die Frage, warum man das alles im deutschen Wald nicht dürfe. Befeld zitiert dazu eine Statistik zur Bevölkerungsdichte.
In den USA leben drei Menschen pro Quadratkilometer, in Norwegen sind es 14 – in NRW aber 526. Das sei ein wesentlicher Grund für all die Bitten um einen pfleglichen Umgang mit dem Wald. Einerseits. Andererseits gilt das beinahe freie Waldbetretungsrecht in Deutschland als eines der großzügigsten weltweit.
Wem es im Zuge des allgemeinen Ansturms zu voll wird im Wald, dem empfehlen die Forstleute einige – im wahrsten Sinne des Wortes – Auswege. In NRW gebe es mehr als 100.000 Kilometer Wald- und Wanderwege, teilt Wald und Holz mit und die müssen es ja wissen. Blefeld: „Und schon 30 Minuten vom nächsten Waldparkplatz entfernt wird es leerer im Wald – da verteilt es sich merklich. Und wer jenseits der Hotspots wandert, hat die Gelegenheit , auf seinen Wegen durch den Wald keiner Menschenseele mehr zu begegnen und den Wald für sich neu zu entdecken.“Klingt doch gut.