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Besessen vom Schreiben: Paul Auster wird 75

Lesezeit 4 Minuten

New York – Eigentlich wollte Paul Auster nach seinem 2017 erschienenen und mehr als 1000 Seiten dicken Buch „4 3 2 1” erstmal Pause machen. „Ich war sehr erschöpft und wusste, dass ich für einige Zeit nicht schreiben können würde”, sagte Auster jüngst dem britischen „Guardian”.

Anstelle dessen las er viel - und stieß dabei unter anderem auf Werke des US-Autors Stephen Crane (1871-1900), in die er schon lange nicht mehr reingeschaut hatte. „Als ich mit seinem Werk fertig war, habe ich sein Leben recherchiert und realisiert, wie zutiefst faszinierend es war. Also habe ich mich entschieden, eine kurze Würdigung seines Lebens zu schreiben.”

Die kurze Würdigung wurde 800 Seiten stark

Das Ergebnis - „In Flammen” (Originaltitel: „Burning Boy”) - ist nun pünktlich zu Austers 75. Geburtstag am Donnerstag (3. Februar) erschienen, aber kurz ist auch dieses Werk nicht geworden. „Mein Plan waren 150 oder 200 Seiten. Aber dann kam eins zum anderen und es wurde ein neuer Berg der Rocky Mountains. Ein enormes Buch.”

Die ersten Kritiken für das Werk mit rund 800 Seiten sind positiv. „Enorm und leidenschaftlich”, lobte die „New York Times”. „Ich hatte bei diesem Buch das Gefühl, dass ich als alter Mann zu jüngeren Menschen spreche”, sagt Auster. „Nicht in einem Klassenzimmer, sondern um einen Tisch herum, und dass ich mein Wissen und meinen Enthusiasmus für diesen Autor und sein Werk teile.”

Seine Werke verfasst der von der „New York Times” als „Vorsteher der amerikanischen Postmoderne” bezeichnete Bestseller-Autor nach wie vor alles andere als modern - ohne Handy, ohne Computer. „Ich bin einer der wenigen Menschen auf der Welt, der sich von all dem fern hält”, sagte Auster einmal der Deutschen Presse-Agentur. „Ich habe mich einfach irgendwann entschieden, dass ich diese Sachen nicht machen muss - E-Mail zum Beispiel. Ich schreibe per Hand und tippe es dann mit einer Schreibmaschine ab, die benutze ich immer und sie ist unzerstörbar.” So schaffe er etwa eine Seite pro Tag. „Zwei, wenn ich Glück habe, manchmal auch nur eine halbe. Aber wenn man dranbleibt, läppern sich die Seiten.”

Schreiben um zu überleben

Mit dem dabei entstandenen Werk - unter anderem Romane, Poesie, Essays und Film-Skripte - ist der 1947 als Sohn jüdischer Einwanderer in Newark in der Nähe von New York geborene Auster einer der beliebtesten und erfolgreichsten US-Schriftsteller seiner Generation geworden. Mitte der 80er Jahre hatte er mit der „New York-Trilogie” den Durchbruch geschafft, danach arbeitete er sich mit Romanen wie „Mond über Manhattan”, „Mr. Vertigo” oder „Das Buch der Illusionen” endgültig zum gefeierten Bestsellerautor hoch. Seine Bücher sind in Dutzende Sprachen übersetzt worden, in Europa ist er noch populärer als im eigenen Land. Vom Schreiben sei er „besessen”, sagt Auster. „Schreiben ist für mich kein Akt des freien Willens, es ist eine Frage des Überlebens.”

Austers Geschichten spielen oft im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Dort wohnt der Autor seit rund 50 Jahren mit seiner Frau, der norwegisch-amerikanischen Schriftstellerin Siri Hustvedt („Der Sommer ohne Männer”), deren Popularität inzwischen an seine heranreicht. Konkurrenz gebe es aber keine, versichert Auster. „Nie. Das Großartigste für mich ist zu beobachten, wie Siri sich als Schriftstellerin entwickelt. Sie war schon immer gut, aber sie wird einfach immer besser und besser. Sie ist die Intellektuelle in der Familie und ich genieße es einfach, ihr Leser zu sein. Es ist eine wahre Freude, mit so einem Genie zusammenzuleben. Sie ist auch eine großartige Leserin und hat mir schon viel geholfen. Jeder Schriftsteller braucht einen vertrauten ersten Leser.”

Während der Pandemie hätten sie beide einfach weitergeschrieben, sagt Auster. „Wir haben einfach sehr viel Glück.” Zusammen hat das Paar Tochter Sophie (34), die als Sängerin und Schauspielerin Erfolge feiert. Gemeinsam engagierte sich die Familie 2020 unter anderem mit einer Gruppe von US-Autoren gegen eine Wiederwahl des damaligen US-Präsidenten Donald Trump.

An einen Nobelpreis denke er „überhaupt nicht”, sagt Auster, auch wenn sein Name immer wieder fällt. Ans Aufhören denke er aber auch nicht - obwohl das Schreiben auch ein stetiger Kampf sei. „Es ist das härteste, was ich mir vorstellen kann. Aber ich bin noch gut dabei, ich kann den Kampf noch eine Weile aufnehmen.”

© dpa-infocom, dpa:220202-99-941756/3 (dpa)