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Butler-Ausbildung bei AachenWo das Dienen gelehrt wird

Lesezeit 7 Minuten
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Das Silber richtig zu pflegen will gelernt sein.

Simpelveld – Willkommen in der Präsidentensuite, willkommen am Brandenburger Tor.“ Der Herr im dunklen Cutaway zieht die Vorhänge zur Seite und gibt den Blick frei, den Präsidenten und Prominente so lieben, ob Michael Gorbatschow oder Barack Obama, der Dalai Lama oder die Queen, „für die ich die Ehre hatte, schon zweimal arbeiten zu dürfen“.

Den Blick aus dem Adlon gibt es für 22.000 Euro den Tag, 185 Quadratmeter Luxus pur – inklusive Butler Ricardo. „Ich stehe rund um die Uhr zur Verfügung und bemühe mich, möglichst jeden Wunsch zu erfüllen.“ Und was für Wünsche haben die Großen dieser Welt? Ricardo lächelt. Über Popstars und Scheichs, Milliardäre oder Aristokraten wird er oft befragt, „aber auch meine Kollegen haben es längst aufgegeben, eine Antwort zu erwarten“.

Na ja, da ist nachts um halb drei mal ein Hemd zu waschen, verrät er, spezielle Bettwäsche aufzuziehen, bestimmte Speisen zu servieren. Manche Gäste wünschen einen Frisierstuhl, ein Sportgerät, ein Unterhaltungsprogramm für ihre Begleitung. „Ich habe vor dem Auftritt eines Gastes für ihn auch schon vorab den Weg zur Bühne gefilmt, die Auf- und Abgänge.“ Dass der Service pünktlich und perfekt ist, versteht sich von selbst. „Man wünscht nur einen Ansprechpartner, kein Kommen und Gehen von Servicepersonal.“

Butler Ricardo im Berliner Adlon

Ricardo ist seit 19 Jahren Butler im Adlon und in Berlin längst keine Ausnahme mehr. „Die Nachfrage nach Butlern steigt stetig“, erzählt er, bei Diplomatenfamilien oder wohlhabenden Haushalten. „Wir sind hier in Berlin in den vergangenen Jahren immer mehr geworden und tauschen uns gelegentlich auch untereinander aus, wenn jemand einen Rat braucht.“

„Es hat noch nie in der Geschichte der Menschheit so viele reiche Leute gegeben wie heute“, sagt Robert Wennekes. Leute mit großen Residenzen auf verschiedenen Kontinenten, mit Jachten, Privatjets, Hauspersonal. Das alles muss professionell gemanagt werden. Und wer kann das besser als ein Butler.“

Akkuratesse in der International Butler Academy

Robert Wennekes regiert im Diningroom seines Anwesens im niederländischen Simpelveld zwischen Aachen und Maastricht gleich über angehende 20 Butler. Die sorgen in seiner repräsentativen 135-Zimmer-Residenz mit Dinner- und Ballroom, drei Bars, zwei Bibliotheken, einem Porzellanraum und zwei Kapellen für Akkuratesse und penible Sauberkeit. Das neogotische Haus Damian, früher Kloster und Bildungsstätte für Missionare, ist heute die International Butler Academy.

Rund 60 Butler und Butleressen bildet Wennekes jedes Jahr in je zehnwöchigen Programmen aus: Champagner, Whiskey und Zigarren, Cocktails, Kunst und Kleidungsstoffe, Etikette und Protokoll, Jachten und Property Management stehen auf dem Programm. „Die Nachfrage an Butlern ist riesig groß und wird auch immer größer“, sagt Wennekes, der selbst als Butler in vielen Häusern arbeitete. Für Reiche in China, Indien, Saudi-Arabien oder Brasilien sei der Butler ein Statussymbol geworden. „Ich kenne viele gehobene Familien weltweit und viele kennen mich und vertrauen mir. Ich tue mein Bestes, um die richtigen Leute bei den richtigen Arbeitgebern zu platzieren.“ Wennekes betreibt auch eine Butler-Schule in Chengdu, chinesische Teilnehmer reisen aber auch nach Simpelveld an.

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Ersin Erbay sollte wissen, welchen Whiskey er empfiehlt.

Die meisten von ihnen haben so wie Ersin Erbay aus Essen zuvor in Fünfsterne-Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet. „Ich hole mir hier den Feinschliff“, sagt Erbay. Kostenpunkt: 14 500 Euro für den Zehn-Wochen-Kurs. Dafür muss er Millimeterarbeit leisten. An der Dinnertafel prüft Wennekes mit dem Laserpointer, ob Porzellan, Besteck und Gläser, Kerzen und Tischdekoration akkurat arrangiert sind. „Bei einem Acht-Gang-Menü mit unterschiedlichen Weinen brauchen wir für ein Gedeck 15 Minuten“, sagt Erbay.“ Bei einem 20-Gäste-Dinner dauere es Stunden. „Und dann kommt kurz vor Beginn die Nachricht: Eine Person hat absagt. Dann muss neu arrangiert werden. Dabei werden wir beobachtet, wie wir mit der Stresssituation umgehen.“

Die Launen des Dienstherren

Der Chef-Butler könne „ziemlich ungemütlich werden und einen vor versammelter Mannschaft abkanzeln“, erzählt Erbay. „Danach ist Herr Wennekes aber auch wieder wie ein Vater zu dir“, ergänzt Elliette MacLeod aus dem kanadischen Halifax. Das gehöre dazu. Man müsse später ja auch die Launen des Dienstherren aushalten können. „Wir arbeiten für Leute mit einem extravaganten Lebensstil. Die haben Probleme, die für »Normalos« gar nicht existieren“, so Erbay. „Man möchte morgens shoppen, aber der Bentley ist nicht vollgetankt. Warum nicht? Das kann den Job kosten.“

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Einweisung in die Butler-Aufgaben im Dining-Room der International Butler Academy

Butler sind Vertrauensperson, sehen und hören alles, üben Diskretion und Loyalität, beherrschen Diplomatie und repräsentatives Auftreten, so Wennekes: „Er ist heute Executive Manager mit Verantwortung für Immobilien, Budgets und Mitarbeiter.“ Ein Butler brauche Reaktionsvermögen: „Er darf niemals um eine Antwort verlegen sein, muss sich auf jede neue Situation sofort einstellen. Nichts darf ihn überraschen.“ Vor Jahren arbeitete Wennekes für einen US-Manager. „Wir waren zum Fliegenfischen in Wyoming, mein Boss, sein Aufsichtsrat und wichtige Kunden. Am Morgen meinte mein Chef, dass er am Abend ein formelles Dinner wünscht, mit Silber, Kristall, alles vom Feinsten.“ Weit ab in der Wildnis. „Ich habe gesagt: Jawohl, mein Herr, ich sorge gerne dafür.“ Wennekes hat dann telefoniert: Diener, Köche, Geschirr, Kristall, alles mit dem Privatjet eingeflogen. „Mein Chef sagte nur: Danke Robert. Mit dem diesem Unterton: Natürlich haben Sie das geschafft.“ Tatsächlich brauche es Organisationstalent und viel Geld. „Ich hatte beides.“

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Elliette MacLeod  beim Blumenarrangement

In Simpelveld werden die angehenden Butler von Profis in den gehobenen Lebensstil eingewiesen: Champagner-Tasting bei Veuve Clicquot, Maßschneider über die Pflege feiner Stoffe, ein Orchesterchef über Musikfarben, ein Museumschef über Kunstgeschichte; ein Umzugsunternehmen über sachgerechtes Packen und Transportieren. „Wir arbeiten für Leute, die morgen in New York, übermorgen in Paris oder Shanghai leben“, so Erbay. „Der gesamte Haushaltsstab muss damit umgehen können.“

Der Butler kommt zuletzt

Am wichtigsten aber sei eine Fähigkeit, die nur schwer zu unterrichten sei, so Wennekes: Ein guter Butler sei jemand, der begreift, was man ihm sagt und es 100-prozentig umsetzt. Der Dienstherr kommt zuerst, der Butler zuletzt. „Das ist das Hauptproblem. Wir wachsen heute alle auf als Prinzen und Prinzessinnen. Wir sind individualistisch und egoistisch. Genau das müssen Sie als Butler vergessen.“

„Nicht jedermanns Sache“, sagt Ersin Erbay, „ich bin die unwichtigste Person, komme zuletzt. Dafür werde ich bezahlt und dazu habe ich mich entschlossen. Wer ein Ego-Problem hat, für den ist der Beruf nichts.“ Erbay findet, dass es sich lohnt, Launen zu ertragen. „Dafür werde ich einen vielseitigen Job haben, die Welt sehen und gut verdienen.“ Zwischen 40 000 und bis zu 160 000 Euro im Jahr, so Ausbilder Robert Wennekes.

Dienen ja, aber nicht unterwürfig. Die Zeiten, in denen das Personal den Herrschaften ausgeliefert war, seien vorbei. Es gebe Grenzen. „Heute Morgen habe ich die Teilnehmer gefragt, was tun Sie, wenn Ihr Chef am Abend zwei Mädchen wünscht? »Kein Problem«, hat der eine geantwortet, »er ist mein Chef, also organisiere ich das.« Und wenn die Mädchen unter 16 sein sollen, ist das auch kein Problem für Sie?“ Für Wennekes gilt: „Man darf die eigenen moralischen Maßstäbe nie verletzen. „Wenn ich gegenüber meinem Chef die Achtung verliere, bin ich am falschen Platz.“ „Wenn er beleidigend oder übergriffig wird, gehe ich“, sagt Erbay.

Schutz vor Entführung und Erpressung

Ein anderes Thema der Akademie: gepanzerte Limousinen. „Wir leben in Zeiten des Terrors. Unsere Auftraggeber und ihre Familien haben ein erhöhtes Sicherheitsrisiko“, erklärt Elliotte McLeod. „Schutz vor Entführung und Erpressung gehört zu den Butler-Aufgaben“, so Ersin Erbay. Was also tun, wenn ein Wagen auffällig lange folgt? „Immer in Bewegung bleiben, nie anhalten. Man sollte jeden Tag eine andere Route nehmen, unterschiedliche Fahrzeuge, unterschiedliche Fahrtzeiten.“

Butler sind keine Bodyguards. Im Adlon muss sich Ricardo um Sicherheit ohnehin wenig Gedanken machen. Viele seiner Gäste kommen mit einem Tross von Sicherheitsleuten und belegen ganze Zimmerfluchten. Auch das Adlon hat Vorsorge für die Präsidentensuite getroffen: Schusssichere Wände und Fenster, Überwachungskameras und einige geheim gehaltene Installationen. Für Vertrauen sorge, ein bekanntes Gesicht wiederzusehen, sagt Ricardo. Zum Abschied schenkten ihm manche Gäste ein persönliches Dankeschön. Doch was ihm die Queen oder der Dalai Lama zukommen lassen, darüber zu sprechen, verbiete die Diskretion.