Neustart im Job„Ich nahm den Stress mit nach Hause und konnte nicht mehr schlafen“
- Markus Hörter wollte nicht mehr führen. Er wollte im Team arbeiten. Hier erzählt er, wie er mit dieser Erkenntnis umging.
Karriere, ja, was heißt Karriere? Ich bin gelernter Bilanzbuchhalter. Ich war bei der Deutschen Bundespost im mittleren Schalterdienst und habe später bei verschiedenen Unternehmen im Rechnungswesen-Controlling gearbeitet. Irgendwann wollte ich den Job wechseln und hatte zwei Möglichkeiten: Entweder ich fange in einem alteingesessenen Unternehmen an oder in einer Firma mit flachen Hierarchien, die sich gerade im Aufbau befindet.
Das Einzige, was für die erste Option sprach, war das bessere Gehalt. Aber das war und ist mir tatsächlich nicht so wichtig.
Mich reizen andere Dinge. Die andere Firma, Wildling-Shoes, versprach etwas für mich Neues. Sie war erstens in meinem Dorf und lockte mit der Möglichkeit, von zuhause aus oder im Büro zu arbeiten. Außerdem würde ich als Teamleiter Finance die Firma mitgestalten können. Das klang für mich spannend.
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So war es auch. Als ich anfing, arbeiteten 60 Menschen hier, heute sind es 200. Ich habe auch sofort richtig losgelegt. Ich bin jemand, der sehr gerne anpackt und auch dort hilft, wo Not am Mann ist. Wenn es sein muss, auch im Lager.
Ich habe mich vielleicht deshalb für sehr vieles verantwortlich gefühlt und dachte, maximal viel aus eigener Kraft und alleine schaffen zu müssen. Leitung und Organisation, Planung und Liquidität, Versicherungsfragen und so weiter.
Die Position wuchs mir irgendwann über den Kopf und ich habe zu spät erkannt, dass das Team zur Entlastung des gesamten Bereichs aufgestockt werden muss. Stattdessen nahm ich den ganzen Stress mit nach Hause und konnte bald nicht mehr richtig schlafen. Meine Frau meinte eines Tages: „Gib die Stelle ab. Dann geht es uns allen besser.“
„Ich wollte nicht mehr führen. Ich wollte operativ arbeiten“
Das sagt sich so einfach, aber was bedeutet das? Es bedeutet, dass man einen gewissen Status abgibt. Dass man nicht mehr denselben Einfluss und das letzte Wort ein anderer hat. Das kann an einem nagen. Aber ist das wirklich so wichtig? Mir war klar, dass ich etwas ändern musste. Ich wolle nicht mehr führen, ich wollte wirklich wieder operativ arbeiten.
Ich kenne viele, denen es ähnlich geht. Die gerne anders arbeiten würden, sich aber nicht trauen, etwas zu ändern. Als ich die Unternehmensleitung irgendwann tatsächlich darauf ansprach, zeigte die sich sehr verständnisvoll. Ich war total erleichtert, weil sie erkannte, dass ich schlicht überlastet war. Niemand machte eine große Nummer draus.
„Chef - das klingt so oldschool“
Ich suchte daraufhin zusammen mit der Unternehmensleitung meinen Nachfolger, meinen heutigen Chef sozusagen. Und wir fanden jemanden, der diesen Posten wirklich besser macht als ich. Das muss ich neidlos anerkennen. Aber was heißt Chef, das klingt so oldschool. Wir arbeiten sehr partnerschaftlich zusammen und ich fühle mich immer noch wertgeschätzt. Außerdem wurde das Team nach meiner Einlassung nochmal aufgestockt.
Ich selbst bin heute so genannter Specialist. Mein Gehalt ist gleich geblieben. Nur auf die automatische jährliche Erhöhung muss ich jetzt vorerst verzichten. Das ist es mir aber wert. Denn es geht mir wieder gut. Ich arbeite wieder gerne.
Ich bin mir sicher, dass ich diese Entscheidung in meinen vorherigen, sehr konservativen Unternehmen nicht so getroffen hätte. So etwas wird ja gemeinhin als Rückschritt, sogar als Schwäche angesehen. Denn wer Karriere machen kann, der muss sie auch machen.
„Alle wären zufriedener, wenn Leute das täten, was sie wirklich können“
Ich sehe das nicht so. Natürlich muss das jeder selbst wissen. Aber ich betrachte meinen Wechsel als Weiterentwicklung für mich und das Team. Denn ich weiß, was ich kann und worin ich gut bin. Mir ist ganz klar, an welcher Stelle ich wertvoll für das Unternehmen bin. Und das Unternehmen weiß es auch. Ich denke grundsätzlich, wir würden alle zufriedener sein, wenn Mitarbeiter das tun würden und tun dürften, was sie wirklich können. Und das hat häufig nichts damit zu tun, noch mehr Geld zu machen.