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Coronavirus in ItalienÄrzte entscheiden morgens, wer noch behandelt wird

Lesezeit 4 Minuten
Cremona_Coronavirus

Eine Pflegerin vor einem Ambulanzzelt an einem Krankenhaus in Cremona, Region Lombardei

Das italienische Gesundheitssystem steht unter der Last der inzwischen mehr als 10.100 in dem Land bestätigten Coronavirus-Infektionen in Teilen des Landes am Rande des Zusammenbruchs. Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger gehen mit ihrem Arbeitseinsatz insbesondere in den Kliniken der besonders vom Virus betroffenen Region Lombardei bis an ihre physische und psychische Belastungsgrenze – und oft darüber hinaus.

Was das bedeutet, wie der Alltag im Zeichen der Lungenkrankheit Covid-19 in Krankenhäusern aussieht, schildern zwei Ärzte aus Bergamo in erschütternder Weise. Der eine, Daniele Macchini, ist Assistenzarzt in der Privatklinik „Humanitas Gavazzeni“. Macchini schildert am vergangenen Freitag, nachts um kurz nach 1 Uhr, in einem langen Post, „was wir in diesen Tagen der Pandemie in Bergamo erleben“.

Macchini schreibt, es ließe ihn erschauern, wenn er immer noch Leute auf der Straße höre, die die Empfehlungen der italienischen Behörden zum richtigen Verhalten in der Epidemie in den Wind schlügen, die sich beklagten, dass sie nicht ins Fitnessstudio oder zum Fußballturnier gehen könnten. In seinem Krankenhaus sei nach Tagen des Wartens und der Reorganisation des Klinikbetriebes in Erwartung der Epidemie „der Krieg im Wortsinn explodiert und die Schlachten laufen ununterbrochen, Tag und Nacht“, fährt Macchini fort.

Was das bedeutet? „Wir nehmen 15 bis 20 pro Tag auf, alle aus dem gleichen Grund“, schreibt Macchini. Und alle diese Patienten hätten wesentlich schwerere Komplikationen als die bei einer Grippe. „Hören wir endlich auf zu sagen, dass es sich um eine doofe Grippe handelt“, fährt der Assistenzarzt fort. Er lebe getrennt von seiner Frau, habe aber seit zwei Wochen darauf verzichtet, seinen Sohn oder seine Familie zu besuchen, um sie nicht unbeabsichtigt anzustecken.

„Es gibt hier keine Schichten mehr“, schildert er den Arbeitseinsatz seiner Kollegen. Das Krankenhauspersonal sei völlig erschöpft. Er habe Erschöpfung auf Gesichtern von Mitarbeitern gesehen, die zuvor Müdigkeit trotz der bereits großen Arbeitsbelastung nicht zu kennen schienen.

Macchini beschwört zum Ende seines langen Posts seine Landsleute sich in der Epidemie verantwortungsvoll zu verhalten. „Versucht nur für das absolut Notwendige aus dem Haus zu gehen."

Auch Macchinis Kollege Christian Salaroli, Notarzt im Krankenhaus „Papst Giovanni XXIII.“ in Bergamo, benutzt deutliche Worte im Interview mit dem „Corriere della Sera“.

„In der Notfall-Ambulanz haben wir einen Saal mit 20 Betten eingerichtet. Hier wird ausgewählt“, sagt Salaroli. Als der Interviewer nachfragt, was das bedeutet sagt der Mediziner: „In diesen Betten liegen ausschließlich Frauen und Männer mit Covid-19-Lungenentzündung und schwerer Atemnot.“ Wenn morgens der Notarzt durch den Saal gehe, entscheide das Team, welche Patienten intubiert würden, um sie künstlich zu beatmen und welche nicht.

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„Wenn eine Person in dem Saal im Alter zwischen 80 und 95 Jahren schwere Atemnot hat, fährst du höchstwahrscheinlich mit der Therapie nicht fort", so Salaroli. Auch Patienten mit schweren Herz-Lungen-Erkrankungen oder Herzkranzgefäßerkrankungen hätten nur eine geringe Chance die kritische Phase der Covid-19-Erkrankung zu überstehen.

Auf die Frage, ob sie diese Patienten sterben ließen, sagt Salaroli: „Das ist ein schrecklicher Satz. Aber er ist wahr. Wir sind nicht in der Lage Wunder zu vollbringen. Das ist die Realität."

Die Situation im Krankenhaus mache einige seiner jüngeren Kollegen völlig fertig, schildert der Notarzt die Lage. „Die emotionale Belastung ist zerstörerisch. Ich habe Pfleger mit 30 Dienstjahren auf dem Buckel weinen sehen. "

Wie Macchini fordert auch Salaroli seine Landsleute auf zuhause zu bleiben. „Ich sehe zu viele Leute auf der Straße. Die beste Antwort auf das Virus ist nicht rauszugehen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was hier im Krankenhaus vor sich geht. Bleibt zuhause."

Auf die Frage, ob er eine Erklärung für die Situation habe, in der sich das Land befinde, sagt Salaroli: „Ich suche nicht nach einer Erklärung. Ich sage mir, dass das hier wie Chirurgie im Krieg ist. Man versucht, nur dem die Haut zu retten, der es überstehen kann. Das ist es, was hier gerade passiert."