Im Juni trat er einen der begehrtesten Jobs des Landes an: Leuchtturmwärter auf Wangerooge. Die Stellenanzeige ging viral, Daniel Jochheim setzte sich gegen mehr als 1000 Bewerber durch. Hält der Traumjob, was er verspricht?
Der Leuchtturmwärter und die 161 Turmstufen„Ich hab schon zehn Kilogramm abgenommen“
Selbst Bewerbungen aus Afrika erhielt die ostfriesische Insel Wangerooge, als sie im Februar per Stellenanzeige einen neuen Leuchtturmwärter suchte. Daniel Jochheim, 38, bekam den Job. Seine bisherige Arbeit machte ihn unglücklich, zuvor hatte er sich bereits bei einer Firma auf Fehmarn als Techniker für Windkraftanlagen beworben. Jochheim bekam Zusagen für beide Stellen, entschied sich aber für die Nord- statt für die Ostsee. Seit Juni wacht er nun über den rot-weißen Turm im Wattenmeer. Im nächsten Sommer zieht seine Frau mit den beiden Kindern, vier und sieben Jahre alt, hinterher.
Herr Jochheim, vor Ihrem Amtsantritt haben Sie den Job als Sechser im Lotto bezeichnet. Hat sich die Euphorie gehalten?
Ich kann mich auf jeden Fall nicht beklagen. Ich glaube, viele andere haben sich das ein bisschen romantischer vorgestellt. Teilweise ist es doch stressiger als erwartet.
Ihr Vorgänger warnte: Der Job ist harte Arbeit.
Es ist nicht so, dass man abends auf dem Turm sitzt und sich um das Licht kümmert. Eigentlich bin ich eher Hausmeister und Museumswärter. Falls irgendwelche Probleme auftauchen, muss ich mich darum kümmern. Und das passiert zwischendurch leider sehr oft: dass ein Fenster undicht ist oder im Keller Wasser hochkommt. Sechs Stunden am Tag sitze ich an der Kasse und verkaufe Eintrittskarten.
In der Stellenanzeige stand als Voraussetzung neben körperlicher Fitness und Schwindelfreiheit auch „keine Klaustrophobie“. Warum das?
Das Treppenhaus im Turm ist sehr eng. Nach oben wird es immer enger; wenn man etwas breiter ist, hat man Probleme, da durchzugehen. An einer Stelle ist wohl auch mal jemand stecken geblieben. Wenn man Klaustrophobie hat, sollte man sich überlegen, ob man den Turm überhaupt betritt.
Sie haben vorher zehn Jahre als Mechaniker in einer Leuchtenfabrik im Sauerland gearbeitet. Wie sah Ihr Alltag aus?
Man hat um 6 Uhr morgens angefangen, die Nacht war dann um 4.45 Uhr zu Ende. Ich habe Werkzeug gebaut, Maschinen eingerichtet. Vom Prinzip her waren die Tätigkeiten immer gleich. Man hat immer die gleichen Leute gesehen, war immer nur in dieser Halle. Das war eintönig – und das hat man hier überhaupt nicht, jeder Tag ist komplett anders.
Sie selbst haben zuvor bereits mehrfach Urlaub auf Wangerooge gemacht. Was gefällt Ihnen so an der Insel?
Es ist sehr ruhig. Alles ist familiär gehalten und sehr kinderfreundlich. Man hat kurze Wege. Ich setze ich mich aufs Fahrrad und bin in zwei Minuten überall. Wir waren schon immer Nordseefans und haben von uns aus gesagt, wir möchten mal an die Küste ziehen. Durch meinen Beruf war es schwierig – da war die Anzeige natürlich eine gute Gelegenheit.
Das dachten sich 1100 andere Menschen auch: darunter Bauingenieure, Juristen, Maler. Einige schickten selbst gebastelte Leuchttürme ein. Warum ausgerechnet Sie?
Das habe ich mich auch schön öfter gefragt. Einerseits kann ich das Handwerkliche. Ich habe auch eine Zeitlang im Kundendienst im Autohaus mitgearbeitet, Kundenkontakt liegt mir. Und ich habe ich mich mit am besten verkauft, weil ich wusste, was ungefähr auf mich zukommt. Wir sind schon hier gewesen, ich kannte das Museum, den Leuchtturm.
Letztlich wurden extra eine Auaswahlkommission gebildet und 45 Bewerber eingeladen. War das ein hartes Gespräch?
Angesetzt war eine halbe Stunde, aber nach zehn Minuten war ich schon wieder raus. Ich hatte mir an dem Tag Urlaub genommen, bin morgens ganz früh hingefahren. Zum Zeitpunkt des Gesprächs fuhr keine Fähre mehr zurück, da musste ich mir dann einen Flieger aufs Festland buchen, eine Propellermaschine – und das alles für zehn Minuten Vorstellungsgespräch.
Wow.
Ich wollte das unbedingt, dann muss man das alles in Kauf nehmen.
Der Leuchtturm selbst ist seit 1969 nicht mehr in Betrieb. Wozu wird der noch gebraucht?
Unten ist das Museum drin, oben die Aussichtsplattform – also hauptsächlich für touristische Zwecke. Wir haben auf der Insel noch einen neueren Leuchtturm, den größten in Deutschland und einen der größten der Welt.
Und dann treffen Sie sich manchmal mit dem Leuchtturmwärter von drüben?
Nee, der Turm wird per Funk gesteuert aus Wilhelmshaven. Eigentlich gibt es keine Leuchtturmwärter im klassischen Sinne mehr.
Für alle, die noch nicht auf Ihrem Turm waren: Wie ist der Blick aus 40 Metern so?
Der Turm steht mitten im Zentrum, man kann die komplette Insel Richtung Westen und Osten sehen. Auf der Südseite schaut man aufs Wattenmeer, auf der Nordseite eben auf die Nordsee. Dieser Rundumblick ist schon faszinierend. Ich gucke mich jedes Mal um, wenn ich oben bin, man sieht jeden Tag was Neues.
Inzwischen waren auch schon ziemlich viele Kamerateams bei Ihnen auf der Plattform.
Nicht nur Kamerateams. Ich hatte Zeitungen hier, Radiojournalisten – mein Büro sah teilweise aus wie ein Tonstudio. Von den Medien hatte ich so gut wie alles da.
Gewöhnt man sich an den Rummel?
Tatsächlich ja. Bei den ersten Interviews war ich noch sehr wortkarg und musste alles zehnmal wiederholen. Mittlerweile hat man sich dran gewöhnt. Das ZDF hat sich für nächstes Jahr schon angekündigt, der NDR. Ich denke, das werden nicht die Letzten sein.
Wäre es Ihnen lieber, ein bisschen mehr Ruhe zu haben?
Eigentlich schon. Das ist der Grund gewesen, warum ich hier hoch wollte (lacht). Aber es ist auch gute Werbung für die Insel.
Fast genauso viele Menschen, wie sich beworben haben, leben auf Wangerooge. Was ist das für ein Schlag?
Es ist komplett gemischt. Es gibt Insulaner und Wangerooger – Insulaner sind die, die hier geboren und aufgewachsen sind. Da gibt es nicht mehr ganz so viele. Ansonsten leben hier Leute aus Bayern, aus Oldenburg. Man kann die Einwohner im Sommer gar nicht von den Touristen unterscheiden, weil es so viele sind. Erst im Winter merkt man, wer hier wirklich wohnt.
Gibt es ein Erlebnis, an das Sie sich besonders gern erinnern?
Schöne Sachen sind schon viele passiert. Zum Beispiel sind frisch verheiratete Paare von der Strandpromenade rübergekommen, um Fotos zu machen. Die wollten unbedingt, dass ich mit drauf bin. Von mir werden generell viele Fotos gemacht, ich schreibe in Geburtstagsbücher. Und ich bekomme Briefe zugeschickt. Gerade liegt einer hier, da möchte jemand ein Autogramm von mir haben – er sammle Unterschriften von berühmten Persönlichkeiten der Gegenwart. Manchmal muss ich schon darüber schmunzeln.
Haben Sie schon eigene Autogrammkarten?
Ich verkaufe bei uns im Shop gerne Postkarten und unterschreibe darauf.
Gab es umgekehrt neidische Nachrichten? Der Job war ja heiß begehrt.
Wirklich Negatives nicht. Im Sommer waren öfter mal Leute da, die gesagt haben, dass Sie sich auch beworben hätten. Die waren aber nicht böse. Die meisten freuen sich, mich zu sehen, und fragen, wie es dazu kam.
Manch einer erkundigt sich bestimmt auch nach den 161 Turmstufen. Haben die sich schon positiv auf Ihre Kondition ausgewirkt?
Seitdem ich angefangen habe, habe ich zehn Kilo abgenommen, das sagt schon alles.
Wie oft müssen Sie denn hoch?
Unterschiedlich. Zu den regulären Öffnungszeiten gehe ich dreimal am Tag hoch. Es gab auch Tage, da bin ich zehn-, 15-mal oben gewesen, weil man irgendwas repariert hat und dann fehlte noch ein Schraubenschlüssel oder es waren nicht die passenden Schrauben da. Da musste man wieder runter. Es gibt gute und es gibt schlechte Tage.