Die tödliche Attacke auf einen Jogger hat die Menschen im Trentino aufgeschreckt. Immer öfter treffen Bären in der Region mit Menschen zusammen. Wie umgehen mit der stetig wachsenden Population?
Nach Angriffen auf MenschenBären im Trentino: Erst geholt, dann geschossen
Erst siedelte man Bären im italienischen Trentino extra wieder an - jetzt geht es um Abschüsse. Erstmals wurden im vergangenen Jahr auf Basis einer neuen Regelung drei Bären getötet. Die Tiere hätten teils Menschen verfolgt, teils angegriffen und verletzt, sagte ein Sprecher der Provinzregierung. „Es ist eine Frage der Sicherheit.“
Seit dem Start des EU-geförderten Bärenprojekts „Life Ursus“ um die Jahrtausendwende wuchs die Population schneller als erwartet auf rund 100 Tiere. Immer öfter gibt es in der bei Touristen beliebten Region nördlich des Gardasees gefährliche Zusammentreffen mit Menschen. Trauriger Höhepunkt war eine tödliche Attacke auf einen 26-jährigen Jogger im Frühjahr 2023.
Die Behörden zogen die Notbremse. Die Provinzregierung unter Präsident Maurizio Fugatti von der rechten Lega-Partei erlaubte Anfang 2024 den Abschuss von bis zu acht Bären jährlich.
Tierschützer erbost
Die Entscheidungen zum Abschuss der drei Bären seien von Fachleuten des Umweltministeriums in Rom geprüft und für zulässig befunden worden, sagte der Sprecher. Dennoch sieht sich Fugatti wegen der Tötung von Bären mit Strafanzeigen von Tierschützern konfrontiert. Im Dezember zeigte ihn auch die oppositionelle Fünf-Sterne-Bewegung an. Man habe zudem einen Brief an die EU-Kommission geschrieben, damit es im Trentino zu einer Prüfung komme, hieß es dazu. Bären sind grundsätzlich streng geschützt.
Noch 2013 hieß es aus der Provinz Trient stolz, „Life Ursus“ sei gerade noch rechtzeitig gestartet worden; der Braunbär sei in den Alpen vom Aussterben bedroht. Seit 2014 gab es dann mindestens neun Bärenangriffe auf Menschen.
Bärenangst
Seither hat sich die Debatte um das Zusammenleben von Mensch und Tier verschärft: Einerseits Sorgen von Anwohnern, Forderungen nach Schutz und Kritik am Projekt „Life Ursus“ - andererseits Tierschützer, die auf ein Lebensrecht der Bären pochen.
An Wanderwegen nördlich des Gardasees warnen Schilder in italienischer und englischer Sprache. Einheimische nehmen Pfefferspray mit oder binden Glöckchen an den Rucksack, um auf sich aufmerksam zu machen - auch wenn manche Experten meinen, die Tiere könnten den Klang mit Almvieh - also möglicher Nahrung - verbinden und erst recht angelockt werden.
Die Angst wandert mit, zumal Bären teils nah an Siedlungen auftauchen. Vor einigen Jahren sorgte das Video eines Autofahrers für Aufregung, der unweit des beliebten Surferspots Torbole einem auf der Straße laufenden Bären nachgefahren war und das Tier gefilmt hatte. Nachdem im Sommer 2024 ein französischer Urlauber von einem Tier verletzt wurde, bangen manche auch um den Tourismus.
Bärenfrage beschäftigt die Gerichte
Die Bärin Gaia (JJ4, Abkömmling von Mutter Jurka und Jose), die den jungen Jogger tötete, hat eine einschlägige Familiengeschichte. Sie ist eine Schwester des in Bayern berühmt gewordenen „Problembären“ Bruno (JJ1), der sich gefährlich nah an Siedlungen wagte und 2006 abgeschossen wurde. Ein anderer Bruder - JJ3 - wurde in der Schweiz getötet, auch er war als gefährlich eingestuft worden. Mutter Jurka lebt seit vielen Jahren in einem Gehege im Schwarzwald - wo bald auch Gaia unterkommen soll.
Gaia war schon vor der tödlichen Attacke mehrfach aufgefallen und hatte zwei Menschen verletzt. Doch ihre aus Sicherheitsgründen angeordnete Entnahme aus der Wildbahn - durch Tötung oder Einfangen - wurde von Gerichten abgelehnt. Sie blieb in Freiheit.
Am 5. April 2023 schließlich griff sie den Jogger an. Abermals hoben Richter den Tötungsbefehl auf. Sie kam in das Tierpflegezentrum Casteller unweit von Trient. Im Frühjahr soll sie wie Mutter Jurka in einem streng abgesicherten Bärengehege im Schwarzwald untergebracht werden.
Vorbereitung auf Gaia
Im vergangenen Jahr konnten Einsprüche von Tierschützern die Tötung von drei Bären nicht stoppen. Die Forstverwaltung ließ die Tiere mit den Bezeichnungen M90, KJ1 und M91 gemäß der Anordnung von Provinz-Präsident Fugatti töten.
Im Schwarzwald wird unterdessen ein Gehege für Gaia vorbereitet. „Wir sind noch gut im Plan. Sobald es die Witterung wieder zulässt, können die Arbeiten weitergehen“, sagt Christopher Schmidt, Sprecher des Alternativen Wolf- und Bärenparks Schwarzwald. Dort leben vor allem Bären, die in Käfigen oder Zirkussen gehalten wurden.
Leben hinter Zäunen für Wildtiere „Horror“
Die Aufnahme Gaias im Schwarzwald sei in der aktuellen Situation noch die beste Lösung. Es dürfe aber keine Standardlösung werden. „Eigentlich haben wir gesagt, dass wir keine Wildbären mehr aufnehmen. Mit Gaia fängt das nicht an, sondern mit ihr sollte das aufhören“, sagt Schmidt.
„Grundsätzlich ist Gefangenschaft für Wildtiere der Horror, da sie einen enormen Freiheitsdrang haben.“ Etwa versuchten sie, sich in die Freiheit zu graben - was aber durch einen metertiefen Untergrabschutz verhindert wird. „Das Tier weiß, dass es unendliche Weiten gibt. Es versteht nicht, warum da jetzt ein Zaun ist.“
Schicksalsergeben Leben fristen
Die Folge sei, „dass das Tier irgendwann daran zerbricht, sich seinem Schicksal ergibt und sein Leben fristet.“ Im Bärenpark versuche man das Brechen sanft zu begleiten. „Der Abschuss wäre der Leid-freieste Weg gewesen“, sagt Schmidt. „Unsere Lösung bringt das danach noch geringste Leid für das Tier.“
Über die nun im Trentino erlaubten Abschüsse sagt er: „Es ist auf jeden Fall für das Tier besser, als es einzusperren. Es ist eine Handhabe, die praktikabel ist, wenn sie dazu führt, dass unauffällige Bären in Freiheit leben dürfen.“ (dpa)