Sonnenbrille, Bob mit Stirnfransen, Haute-Couture-Kleid: Anna Wintour ist ihre eigene Marke. Jetzt wird die «Vogue»-Chefin 75 Jahre alt - und ihr Image als Prada tragender Teufel nicht los.
LeuteGrande Dame der „Vogue“: Anna Wintour wird 75
Große dunkle Sonnenbrille, akkurat geschnittener Bob mit Stirnfransen und Haute-Couture-Kleid: Anna Wintour hat sich selbst zur Marke mit Wiedererkennungswert gemacht. „Schon ihre Frisur ist aus dem Weltall sichtbar“, witzelte einmal der britische „Guardian“. Als Journalistin hat sie es an die Spitze der US-Modezeitschrift„Vogue“ geschafft, seit 2020 ist sie für den Inhalt aller „Vogue“-Ausgaben weltweit und für fast alles, was der Condé-Nast-Verlag in den USA herausgibt, verantwortlich. Heute wird die Grande Dame der Modemagazine 75 Jahre alt - ans Aufhören aber denkt sie nicht. „Ich liebe, was ich tue. Es fordert mich immer wieder heraus.“
Prada tragender Teufel?
Spätestens seit dem Erfolgsfilm „Der Teufel trägt Prada“ von 2006, in dem Meryl Streep eine unverkennbar auf Wintour basierte Magazin-Chefredakteurin spielt, hat die „Vogue“-Herausgeberin den Ruf einer teuflisch-fiesen Chefin weg, die ständig das Unmögliche will und keinerlei Fehler verzeiht. Auch das ist ein Baustein ihrer Marke geworden - und sie trägt es mit Fassung. „Manchmal gibt es da eine bestimmte Art von persönlicher Kritik gegen mich, die wahrscheinlich ein Mann in meiner Position nicht abbekommen würde“, sagte die Mode-Ikone einmal - aber auch: „Ich bin sehr fokussiert. Also vielleicht auch wegen meiner Klarheit und meinem Fokus habe ich das nicht an mich herangelassen.“
Delegieren könne sie nicht wirklich gut, gibt Wintour zu. „Der Teufel steckt einfach im Detail. Aber ich bin kein kreativer Mensch, ich kann nicht malen, nicht zeichnen, ich kann nichts herstellen - ich muss einfach nur sicherstellen, dass alles richtig gemacht wird.“
Tennis mit Kindern und Enkelkindern
Sie werde häufig mit „lebhafter Fantasie“ beschrieben. „Ich hoffe sehr, dass meine Kollegen wissen, wer ich bin und was unsere gemeinsamen Werte sind. Und ich weiß, dass mein Sohn Charlie und meine Tochter Bee genau wissen, wer ich bin und wer ich nicht bin“, sagt Wintour, die zwischen 1984 und 1999 mit dem Kinderpsychologen David Shaffer verheiratet war. Wenn sie mit ihren beiden Kindern und ihren drei Enkelkindern Zeit verbringe, spreche sie nicht über Arbeit. „Wir spielen Tennis und Blödelspiele. Das ist mein Trost.“
Geboren wurde Wintour 1949 in London als Tochter eines Zeitungsherausgebers. „Aufgewachsen bin ich in einer Zeit, in der Frauen noch den Abendessenstisch verlassen haben, damit Männer ihre Zigarren rauchen und über die wirklich wichtigen Themen sprechen konnten.“ Mit 16 verlässt Wintour die Schule. „Ich war ehrlich gesagt nicht sehr gut. Und ich wollte unabhängig sein und mein eigenes Ding machen. Es war eine Mischung aus Faulheit und Brüder und Schwestern zu haben, die akademisch sehr gut waren.“
Über erste Jobs in Kaufhäusern und verschiedene Magazine kommt Wintour zur US-„Vogue“, wo sie seit 1988 Chefredakteurin ist. Die Magazinwelt um sie herum hat sich währenddessen komplett verändert. „Bei meinem ersten Job als junges Mädchen in Großbritannien war es eine tolle Sache, wenn wir 90.000 Menschen erreicht haben.“ Inzwischen hat allein das Instagram-Profil der „Vogue“ fast 50 Millionen Fans. Gleichzeitig sinken allerdings die Print-Auflagen von vielen Magazinen immer weiter, Werbeeinnahmen brechen weg.
Kamala Harris auf dem „Vogue“-Cover
Wie die gesamte Branche sucht auch Wintour nach Rezepten dagegen - eines davon: Stellung beziehen. Die Grande Dame positioniert sich beispielsweise im US-Präsidentschaftswahlkampf entschieden auf der Seite der Demokraten. Die frühere First Lady Michelle Obama und die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton feierte sie auf dem Cover der „Vogue“, die derzeitige Präsidentschaftsbewerberin Kamala Harris bekam bereits zwei Cover.
Melania Trump widmete das Magazin während deren Zeit als First Lady dagegen kein Cover - und auch in Hinblick auf Melanias Mann, den früheren US-Präsidenten und derzeitigen Bewerber der Republikaner Donald Trump, ist Wintours Meinung eindeutig. Was der tun könne, um wieder zur legendären „Met Gala“ eingeladen zu werden, mit der Wintour jedes Jahr im Metropolitan Museum die Party mit der begehrtesten Gästeliste New Yorks feiert? „Absolut nichts.“ (dpa)