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Parallelen zu MenschenHilfe unter Mäusen: Studie zeigt verblüffende Fähigkeiten

Lesezeit 3 Minuten
Mäuse kümmern sich um vertraute, bewusstlose Artgenossen. Sie lecken etwa am Fell und ziehen auch schon mal die Zunge ein Stück heraus.

Mäuse kümmern sich um vertraute, bewusstlose Artgenossen. Sie lecken etwa am Fell und ziehen auch schon mal die Zunge ein Stück heraus.

Parallele zwischen Mensch und Maus: Sind Mitglieder ihrer Gruppe bewusstlos, so helfen die Nagetiere, oft mit erstaunlichen Tricks. Ihr Verhalten erinnert an Wiederbelebungsmaßnahmen.

Sackt ein Mensch bewusstlos zu Boden, kümmern sich meist Umherstehende um ihn und versuchen spontan zu helfen. Nun zeigt eine Studie: Auch Mäuse tun das - bei Artgenossen, die ihnen vertraut sind. Mitunter ergreifen sie sogar Maßnahmen, die an Wiederbelebung erinnern, wie zwei Forschungsteams im Fachjournal „Science“ berichten. Allerdings ist es generell schwierig, Verhalten von Tieren zu interpretieren. 

Schon länger kursieren Berichte, denen zufolge manche Tierarten Artgenossen in Not beistehen - etwa Elefanten, Delfine und Schimpansen. Ob auch Mäuse unter Laborbedingungen Hilfsbereitschaft zeigen, prüfte ein Team um Wenjian Sun von der University of Southern California in Los Angeles nun systematisch in kontrollierten Versuchen.

Die Forschenden vermuten, dass die Hilfsbereitschaft der Mäuse ein angeborenes Verhalten ist. (Symbolbild)

Die Forschenden vermuten, dass die Hilfsbereitschaft der Mäuse ein angeborenes Verhalten ist. (Symbolbild)

Dabei trafen die Mäuse in Käfigen auf Artgenossen, die entweder tot, anästhesiert oder sediert waren. Handelte es sich um vertraute Individuen, so kümmerten sich die Tiere: Sie näherten sich, schnüffelten an dem bewegungslosen Tier und leckten am Fell. Auffällig war insbesondere, dass sie sich danach auf Gesicht und Rachenraum konzentrierten, dem Tier am Auge leckten oder ins Maul bissen. 

Mäuse räumten Atemwege frei

In mehr als der Hälfte der Versuche zogen sie ihrem bewusstlosen Gegenüber sogar die Zunge aus dem Mund, womit sie de facto die Atemwege vergrößerten. War ein Fremdkörper im Maul des regungslosen Tiers platziert - etwa eine Plastikkugel -, so entfernte die helfende Maus ihn meist, bevor sie sich an der Zunge zu schaffen machte.

Wichtig: Die anästhesierten oder sedierten Mäuse, die derart umsorgt wurden, kamen tatsächlich wieder schneller zu sich als Artgenossen ohne solchen Beistand. Und sobald die Tiere sich erholt hatten, stoppten die Helfer ihre Fürsorge. Mit anderen Worten: Die Mäuse halfen nur so lange wie erforderlich.

Botenstoff Oxytocin spielt entscheidende Rolle

Das erinnere an Erste-Hilfe-Maßnahmen bei bewusstlosen Menschen, schreibt das Forschungsteam. Zwar sei es schwierig, die Motivation der Helfer zu identifizieren, aber Neugierde und der Wunsch nach sozialer Interaktion spielten wohl keine Rolle, betonen die Autoren. Auch das Geschlecht hatte kaum Einfluss. 

Die Studie deute vielmehr darauf hin, dass Hilfe für regungslose Gruppenmitglieder unter sozialen Tieren weit verbreitet sei. Eine zweite Studie eines Teams um Fangmiao Sun von der University of California in Los Angeles bestätigte die Resultate. Diese Untersuchung deutet zudem darauf hin, dass die beiden Hirnareale Amygdala und Nucleus paraventricularis an dem Verhalten beteiligt sind und dass der Botenstoff Oxytocin - oft auch als Kuschel- oder Bindungshormon bezeichnet - eine entscheidende Rolle spielt.

Vermutlich angeborenes Sozialverhalten

„Diese Verhaltensweisen erinnern daran, wie Menschen gelehrt werden, bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung die Atemwege eines bewusstlosen Individuums freizuräumen“, schreiben William Sheeran und Zoe Donaldson von der University of Colorado in Boulder in einem „Science“-Kommentar. Vermutlich handele es sich bei dem Kümmern um regungslose Gruppenmitglieder um ein angeborenes Sozialverhalten, das bei vielen Arten verbreitet sei. (dpa)