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50 Jahre„Über sieben Brücken“ - Der steinige Weg der Rockband Karat

Lesezeit 5 Minuten
Für Karat gab es in 50 Jahren manch heikle Phasen. (Archivbild)

Für Karat gab es in 50 Jahren manch heikle Phasen. (Archivbild)

Mit Schnauzbärten und Schlaghosen sitzen sechs junge Herren auf einer Wiese. Mit diesem Autogrammkarten-Motiv startet eine Band aus Ost-Berlin 1975 ihre Karriere. Sie heißt Karat.

Ein Hit folgte dem anderen - und der Erfolg schien unstoppbar. Karat zählte zu den erfolgreichsten Rockgruppen der DDR. Dann fiel die Mauer - und allen DDR-Bands liefen die Fans weg. In den 90ern ging es langsam wieder bergauf. Doch ein Jahrzehnt später verlor die Band ihren Sänger. Herbert Dreilich starb an Krebs. Wenig später durfte der Bandname nicht mehr benutzt werden. Aber auch diese Hürde übersprang Karat.

Am Samstag (22.2.) wird das Quintett 50 Jahre alt - und feiert das mit einem Jubiläumskonzert in Berlin. „Wir werden neue Songs vorstellen und alte Songs würdigen“, sagt Sänger Claudius Dreilich der Deutschen Presse-Agentur. Es ist aber kein einziger jener Musiker mehr dabei, die einst beim ersten Karat-Konzert auf der Bühne standen.

Für die Fans überraschend startete Karat mit einer neuen Bandbesetzung ins Jahr 2023. Zwei langjährige Musiker sind seitdem nicht mehr dabei. (Archivbild)

Für die Fans überraschend startete Karat mit einer neuen Bandbesetzung ins Jahr 2023. Zwei langjährige Musiker sind seitdem nicht mehr dabei. (Archivbild)

Schnellstart in den 70ern

Im Kulturhaus „Otto Buchwitz“ in Heidenau nahe Dresden wird am 22. Februar 1975 Musikgeschichte geschrieben: Bassist Henning Protzmann, Gitarrist Ulrich Pexa, Schlagzeuger Konrad Burkert, Keyboarder Ulrich „Ed“ Swillms sowie die Sänger Hans-Joachim Neumann und Herbert Dreilich stehen das erste Mal gemeinsam auf der Bühne. Ihre Band heißt Karat. 

Schnell wird die neue Gruppe mit ersten eigenen Titeln wie „Leute welch ein Tag“ im DDR-Rundfunk gespielt. 1976 bekommt die junge Berliner Band beim III. Interpretenwettbewerb der Unterhaltungskunst in Karl-Marx-Stadt eine Silbermedaille. Die erste LP erscheint 1978. Nur drei Jahre nach Bandgründung schafft Karat den Sprung nach ganz oben. 

Über „Sieben Brücken“ bis in die Hitparade

Ein DDR-Fernsehfilm wird zum riesigen Glücksfall. Er heißt „Über sieben Brücken musst du gehn“. Keyboarder Ed Swillms, Verfasser vieler Hits der Band, vertont den gleichnamigen Titelsong. Beim Internationalen Schlagerfestival 1978 in Dresden gewinnt Karat mit dem Lied den Grand Prix. Die Single schafft es in der DDR-Jahreshitparade auf Platz 2 - hinter „König der Welt“, ebenfalls eine Ballade von Karat. 

Auch beim „Klassenfeind“ westlich der Mauer kommt die Single „Über sieben Brücken musst du gehn“ in die Läden. Peter Maffay hört den Titel im Radio und ist so begeistert, dass er ihn covert. 

Peter Maffay - hier mit Karat-Sänger Claudius Dreilich (rechts) - hat noch vor dem Mauerfall den Karat-Song «Über sieben Brücken musst Du gehn» gecovert. (Archivbild)

Peter Maffay - hier mit Karat-Sänger Claudius Dreilich (rechts) - hat noch vor dem Mauerfall den Karat-Song „Über sieben Brücken musst Du gehn“ gecovert. (Archivbild)

Auch diese Version wird ein großer Hit - im Westen Deutschlands. Seit 1990 singt Maffay ihn immer mal wieder zusammen mit seinen Freunden von Karat. Auch viele andere erfolgreiche Sänger haben die „Sieben Brücken“ gecovert, etwa Heinz Rudolf Kunze, Helene Fischer, Chris de Burgh und Roland Kaiser.

Devisen für die DDR

Als erste DDR-Band darf Karat ab 1979 alle Platten in Ost und West herausbringen. Sie werden millionenfach gekauft und sind eine wertvolle Devisen-Quelle für den sozialistischen Staat: 80 Prozent der Einnahmen durch Schallplatten und Konzerte im Westen flossen in die Staatskasse der DDR, wie Claudius Dreilich berichtet. 

1982 wird das Album „Der blaue Planet“ ein Riesenerfolg. Die Single „Jede Stunde / Falscher Glanz“ erklimmt die Top Ten in der BRD. Karat tritt in der ZDF-Hitparade von Dieter Thomas Heck auf, schafft es dort mit „Jede Stunde“ auf den zweiten Platz. Auch bei „Wetten, dass..?“ singen die DDR-Balladenkönige. Moderator Frank Elstner bezeichnet sie als „Diamant der Popgruppen der DDR“.

Der lange Schatten der ersten Jahre

Als Karat 15 Jahre alt ist, verschwindet die DDR. Im Jahr 2025 sind es 35 Karriere-Jahre im vereinten Deutschland. Noch immer werden die Berliner als DDR-Band oder Ost-Band bezeichnet. 

Dreilich hat sich darüber schon viele Gedanken gemacht und ist zum Schluss gekommen: „Es lässt sich nicht wegreden. Ich empfinde es als Güte-Siegel.“ Musik von Bands mit DDR-Wurzeln sei ein richtiges eigenes Genre geworden. Alle großen Karat-Hits entstanden vor dem Mauerfall.

Krebstod und K...!

Nach dem Mauerfall gibt es auch für Karat eine Karriere-Delle, die Fans zieht es zur Westmusik. Aber bald kehren sie zurück. 

Doch im Oktober 1997 erleidet Sänger Herbert Dreilich bei einem Konzert einen Schlaganfall. Rund ein halbes Jahr später steht er wieder auf der Bühne, aber es bleiben ihm danach nur noch einige Jahre. Im März 2004 gibt das Karat-Management bekannt, dass Dreilich an Leberkrebs erkrankt ist. Am Ende des gleichen Jahres stirbt er - mit 62 Jahren. 

Für die verbliebenen Musiker folgt bald der nächste Schock: Dreilichs Witwe untersagt ihnen, den Bandnamen weiterzuverwenden. Der Sänger hatte sich 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Rechte an der Marke Karat gesichert. 

Die Band nennt sich deshalb ab 2006 „K...!“. 2007 schließlich unterliegt die Witwe vor Gericht. Karat heißt wieder Karat. Gitarrist Bernd Römer schildert später: „Wir waren echt fertig, wir saßen mit zitternden Knien im Gerichtssaal.“

Mikrofon statt Möbelhaus

Zurück ins Jahr 2004: Als sein Vater an Krebs erkrankt, bekommt Claudius Dreilich einen Anruf von der Band. Er wird gefragt, ob er als Sänger einspringen kann. Der Musiker-Sohn hatte eigentlich eine andere Karriere eingeschlagen, Ausbildungen als Hotelkaufmann und Einzelhandelskaufmann absolviert. Er arbeitete bei Ikea, eröffnete die Filiale in Moskau mit. 

Als sein Vater an Krebs erkrankt, bekommt Claudius Dreilich einen Anruf von der Band - er sollte übernehmen. (Archivbild)

Als sein Vater an Krebs erkrankt, bekommt Claudius Dreilich einen Anruf von der Band - er sollte übernehmen. (Archivbild)

Sechs Monate lang habe er sich dann nicht entscheiden können, welcher Weg der Richtige ist. „Ich bin ja mit Karat aufgewachsen und hab diese Musik geliebt“, schildert er. Andererseits habe er mit seinem damaligen Job wirtschaftlich auf festen Füßen gestanden. 

Schließlich habe er beim damaligen Karat-Schlagzeuger Rat gesucht. „Er sagte mir: „Du wirst immer zu Karat gehören. Aber wenn Du es nicht machst, steht künftig ein anderer auf der Bühne““. Dann entschied Claudius Dreilich, dessen Stimme der seines Vaters verblüffend ähnelt: „Ich muss es wenigstens versuchen.“

Wieviel Karat steckt noch in Karat?

Zwei Gesellschaftssysteme, zwei Sänger, zwei Bandnamen: Karat hat sich immer wieder neu formieren müssen. Es gab regelmäßig Umbesetzungen, zuletzt im Januar 2023. „Michael Schwandt und Christian Liebig werden die Reise mit Karat nicht weiter fortsetzen“, teilten die anderen Bandmitglieder auf ihrer Facebook-Seite mit. Beide Musiker waren seit DDR-Zeiten in der Band.

Sänger Claudius Dreilich (Mitte), Jahrgang 1970, ist das jüngste Bandmitglied - aber unterdessen schon seit 20 Jahren dabei. (Archivbild)

Sänger Claudius Dreilich (Mitte), Jahrgang 1970, ist das jüngste Bandmitglied - aber unterdessen schon seit 20 Jahren dabei. (Archivbild)

Aus der Anfangs-Ära ist noch Gitarrist Bernd Römer dabei. Er stieß 1976 zu Karat. Komplettiert wird die aktuelle Band von Keyboarder Martin Becker, Bassgitarrist Daniel Bätge und Schlagzeuger Heiko Jung. Die Musiker sind 49 bis 72 Jahre alt.

Jubiläumstour: Von Elphi bis Westfalenhalle 

50 Jahre Karat, das heißt auch: Es gibt ein neues Album samt ausgiebiger Jubiläumstour. Bis Dezember sind bundesweit knapp 60 Konzerte terminiert - unter anderem in der Hamburger Elbphilharmonie und der Dortmunder Westfalenhalle. 

Am 22. Februar, dem Band-Geburtstag, erscheint das neue Album „Hohe Himmel“. Dreilich beschreibt die Gemeinsamkeit der neuen Songs so: „Es geht einzig und alleine um den Menschen. Um die Schattenseiten und die Sonnenseiten.“ Und es gilt weiterhin: „Wir arbeiten viel mit Metaphern und zynischen Andeutungen. Und es muss eine Spur Lyrik dabei sein.“ (dpa)