Wie das Leben so spielt: Ein größeres Ereignis löst viele kleine Zufälle aus – und am Ende fand Dirk Trapphagen einen guten Freund wieder. Wie sich das alles begab und für ihn bedeutet, erzählt er hier.
Leverkusener trifft Jugendfreund durch Zufall wieder„Meine Ärztin sagte: Ich soll Ihnen schöne Grüße von Gerhard bestellen“
„Was ich wiedergefunden habe? Eine Freundschaft. Ich lernte Gerhard im Jahr 1977 kennen, wir waren damals beide 17 und in derselben Freundesgruppe. Unsere Freundschaft war besonders eng, denn wir hatten einen ähnlichen Musikgeschmack: Wir tauschten uns viel über David Bowie und Iggy Pop aus.
Als wir 19 waren, brachen wir zu einer Interrail-Tour nach Portugal auf. Es war eine unglaublich spannende Zeit. Wir zogen mit dem Zelt los und weil wir damals noch keine Handys hatten, waren meine Eltern total nervös – Portugal hatte sich schließlich erst kurz zuvor von seiner Diktatur befreit. Gemeinsam erkundeten wir das ganze Land, fuhren an die Algarve, setzten nach Ceuta über und nahmen schließlich einen Zug nach Amsterdam, bevor wir nach Velbert zurückkehrten.
Auch in den Jahren danach, während der Ausbildung und während dem Studium, trafen wir uns noch regelmäßig und besuchten Konzerte. Doch als ich ungefähr 30 Jahre alt war und dann Vater wurde, verloren wir uns aus den Augen.
„Als Gerhard meinen Namen hörte, fragte er: Hat der Dirk Trapphagen früher in Velbert gelebt?“
Ich arbeitete viele Jahre als Bauingenieur in einer Firma, bis ich mit Anfang 40 meinen Job verlor. Erst trottete ich ziemlich orientierungslos durch diese Situation, aber dann orientierte ich mich um: Ich nahm mehrere Jobs als Vertretungslehrer an, machte mein zweites Staatsexamen und begann, als Technik- und Physiklehrer an einer Schule in Leverkusen zu arbeiten.
Diese Schule hatte eine alte, knöcherne Homepage, die mir und einigen Kollegen überhaupt nicht gefiel. Also gestaltete wir sie, mit Unterstützung der Schulleitung und einem Kollegen neu. Davon erzählte ich meiner damaligen Hausärztin, die direkt fragte: Könnten Sie so eine Homepage auch für mich bauen? Sie wollte einen Internetauftritt für ihren Verein erstellen, die Rheindorfer Pänz. ‚Ich kann es versuchen‘, sagte ich ihr.
Als die Homepage fertig war, zeigte sie das Ergebnis in ihrem Freundeskreis. Wenige Tage später trafen wir uns, um kleine Änderungen abzusprechen. Ganz zum Schluss sagte sie: ‚Ich soll Ihnen übrigens schöne Grüße von Gerhard bestellen.‘ Ich wusste gar nicht, wen sie meinte. ‚Welcher Gerhard?‘, fragte ich. ‚Na, Gerhard Gosdzick.‘
‚Woher kennen Sie denn Gerhard Gosdzick?‘
Meine Hausärztin hatte Gerhard und seinen Partner auf einer Rundreise in Indien kennengelernt. Er war dabei, als der Freundeskreis sich die neue Homepage der Rheindorfer Pänz anschaute. Als Gerhard meinen Namen hörte, fragte er: Hat der Dirk Trapphagen früher in Velbert gelebt?
„Manchmal passieren die unwahrscheinlichsten Dinge, damit eine alte Freundschaft wieder auflebt“
Meine Hausärztin gab mir Gerhards Nummer und ich rief ihn an. Das war im Jahr 2005, wir hatten 15 Jahre keinen Kontakt gehabt. Gerhard lebte mittlerweile mit seinem Partner in Berlin, doch er sagte: Ich bin in ein paar Wochen in Düsseldorf – lass uns doch dort treffen! Wenige Wochen später saßen wir zusammen in einem Restaurant in der Altstadt und ich dachte: Das ist doch ein Witz, dass wir uns so wiedersehen – nur, weil meine Hausärztin ihn in Indien getroffen hat und mir seine Nummer gegeben hat.
Vor dem Treffen war ich etwas skeptisch. Wir hatten uns so lange nicht mehr gesehen – besteht da überhaupt noch eine Verbindung zwischen uns? Doch Gerhard und ich hatten uns viel zu erzählen und wir teilten noch immer einen ähnlichen Musikgeschmack.
Seit dem Abend in Düsseldorf treffen wir uns wieder regelmäßig. Wir besuchen Konzerte, zum Beispiel von Nick Cave und Iggy Pop, und gehen gemeinsam in Ausstellungen. Ich genieße unsere Freundschaft sehr. Wir haben eine sehr vertrauensvolle Bindung zueinander und ich weiß: Da ist jemand, mit dem ich immer reden kann und mit dem ich gemeinsame Erlebnisse teilen kann.
Heute sehen Gerhard und ich uns etwa zweimal im Jahr. Manchmal kommt er für ein paar Tage nach Nordrhein-Westfalen, dann fahre ich wieder zu ihm nach Berlin. Meine Frau profitiert ebenfalls von dieser Freundschaft: Gerhard liest nämlich fast so gerne wie sie. Jedes Mal, wenn ich seine Wohnung in Berlin betrete, hat er bereits einen Stapel Bücher für uns zusammengestellt.
Manchmal passieren die unwahrscheinlichsten Dinge, damit eine alte Freundschaft wieder aufleben kann. Meine Hausärztin musste nach Indien, ich meinen Job verlieren und nach Leverkusen ziehen, damit Gerhard und ich uns wiedersehen.“