Nach den verheerenden Erdbeben, die die Türkei und Syrien erschüttert haben, ist die Verzweiflung groß. Doch viele kleine Wunder machen den Rettungskräften Mut.
Spitzname „Wunderbaby“Mädchen in Trümmern geboren und gerettet – Weiteres Baby nach 55 Stunden geborgen
Nach den verheerenden Erdbeben, die den Süden der Türkei und Teile von Syrien am Montag erschüttert haben, laufen die Rettungsmaßnahmen weiter. Mehr als 11.700 Menschen verloren laut den aktuellsten Zahlen ihr Leben. Die Zahl dürfte noch anwachsen, da immer noch unzählige Menschen verschüttet unter Trümmern liegen.
Die Chance auf ihre Rettung sinkt mit jeder Stunde, die vergeht – und doch gibt es immer wieder kleine Wunder im Erdbebengebiet, die Bevölkerung und Rettern neuen Mut machen.
Geboren in Trümmern: „Wunderbaby“ von Syrien heißt nun Aja
So konnte in Nordsyrien ein Baby gerettet werden, das zuvor in den Trümmern zur Welt gekommen war – und überlebt hat. Dem kleinen Mädchen gehe es gut, sagte der behandelnde Arzt Hani Maruf im Krankenhaus Afrin der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.
Das Heimatdorf der Familie nahe der türkischen Grenze wurde von den Erdbeben am Montag schwer getroffen. „Ihr Zustand ist stabil, aber sie hat einige Rippen gebrochen“, sagte Maruf. In sozialen Medien wurde das Kind auch als „Wunderbaby“ bezeichnet.
Dem Arzt zufolge kam die gesamte Familie des Mädchens bei der Katastrophe ums Leben – beide Eltern sowie vier Geschwister und eine Tante. Vermutet wird, dass die Mutter kurz nach der Geburt starb. Ein Nachbar brachte das unterkühlte Baby zum Krankenhaus, ihre Gliedmaßen seien blau angelaufen und ihr Körper völlig mit Staub bedeckt gewesen. „Nur eine Stunde länger und es wäre gestorben“, sagte Maruf. Die Mitarbeiter des Krankenhauses gaben dem Mädchen den Namen Aja, was so viel wie „Hohepriesterin von Mekka“ bedeutet.
Die Informationslage zur Situation in Syrien ist unterdessen weiterhin schwierig. Viele Berichte lassen sich nicht eindeutig bestätigen. So kursierte in sozialen Netzwerken am Mittwoch eine Aufnahme, die ein siebenjähriges Mädchen zeigen soll, das ihre Hand schützend über ihren kleinen Bruder hält, beide seien gerettet worden, heißt es in unbestätigten Berichten.
Kleine Wunder in der Türkei: Mehrere Kinder nach langen Stunden unter Trümmern gerettet
Auch in der Türkei freuten sich Retterinnen und Retter in den letzten Stunden über die wenigen positiven Nachrichten, die es seit Montag in der Region gibt. So konnte ein Fünfjähriger namens Sidra in der Region Hatay 35 Stunden nach dem Erdbeben gerettet werden, berichtet „Hürriyet“.
Minenarbeiter hatten demnach mit einer Such- und Rettungsaktion in den Trümmern begonnen – und konnten Sidra dann mit nur leichten Verletzungen bergen. Die acht Monate und drei Jahre alten Geschwister des Kindes überlebten die Katastrophe nicht.
Am Mittwochabend folgte die nächste gute Nachricht: Ein weiteres Baby wurde aus den Trümmern befreit. Rettungskräfte haben in Hatay nach 55 Stunden ein vier Monate altes Mädchen gerettet.
Aufnahmen der türkischen Nachrichtenagentur „Anadolu Ajansi“ zeigen Helfer, wie sie in eine Lücke zwischen den eingestürzten Hauswänden steigen, das Baby in eine Decke einwickeln und es herausheben. Die Retter versuchten, den Säugling zu beruhigen. Die Suche nach den Eltern geht nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA weiter.
Insbesondere in Hatay gab es mehrere dieser „kleinen Wunder“. So habe ein Mann namens Recep, der zusammen mit seinem Neffen in den Trümmern verschüttet war, die Rettungskräfte mit dem Satz begrüßt: „Ich möchte nichts essen, ich möchte, dass wir so schnell wie möglich von hier gerettet werden.“ Wenig später befreite das Bergungsteam laut „Hürriyet“ die beiden – nach fast 50 Stunden.
Erdbeben in Türkei und Syrien: „Ich möchte nichts essen, ich möchte, dass wir von hier gerettet werden“
Ebenfalls in Hatay konnte eine Vierjährige zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Tante aus den Trümmern gerettet werden. Ein Rettungsteam, das aus Istanbul in die Erdbebenregion gereist war, rettete die drei nach 33 Stunden unter Schutt und Asche. Es kam zu emotionalen Szenen.
Während die Geretteten ihren Rettern um den Hals fielen, applaudierten die Bürger der Stadt, die die Rettung gebannt verfolgt hatten, berichten türkische Medien. Auch ein sechsjähriger Junge konnte in Hatay aus dem Schutt eines siebenstöckigen Hauses gerettet werden, die Suche nach seiner Mutter dauerte zum Zeitpunkt der Rettung noch an.
Besondere Aufmerksamkeit in den Medien bekam unterdessen die Rettung eines sechsjährigen Mädchens in Hatay, das von einem griechischen Hilfsteam gefunden und geborgen wurde. Ihre siebenjährige Schwester überlebte das Erdbeben nicht.
In Kahramanmaras, einem der Epizentren der beiden starken Beben, wurde unterdessen laut „Daily Sabah“ eine hochschwangere Frau aus den Trümmern gerettet – 40 Stunden nach Einsturz ihres Hauses. Auch hier waren Suchmannschaften, die aus Istanbul angereist waren, erfolgreich.
Kleine Wunder im Erdbebengebiet: Tierrettungen rühren Menschen
Auch in der Nähe von Gaziantep gab es Grund zur Freude in all der Verzweiflung: „Ein Wunder geschieht“, hört man die Rettungskräfte auf Videos laut „Anadolu Ajansi“ sagen, dann zogen sie zwei anderthalb Jahre alte Zwillinge aus den Trümmern. Auch die Eltern der beiden Zwillinge überlebten offenbar rund 40 Stunden, bevor sie endlich befreit werden konnten.
Auch Haustiere können im Erdbebengebiet teilweise noch viele Stunden nach den verheerenden Beben gerettet werden – die herzerwärmenden Videos der Tierrettungen bekommen in den sozialen Netzwerken viel Zuspruch.
Die Retter versuchen nun schon den dritten Tag in Folge, verschüttete Überlebende zu erreichen. Das Erdbeben der Stärke 7,8 hatte das türkisch-syrische Grenzgebiet am frühen Montagmorgen getroffen. In den Stunden danach trafen die Region noch mehr als 50 Nachbeben. Mit einem weiteren deutlichen Anstieg der Opferzahlen wird gerechnet – etliche Menschen sind bei eisigen Temperaturen noch verschüttet. (mit dpa)