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Fünf Redewendungen erklärtWir machen klar Schiff und die Schotten dicht

Lesezeit 5 Minuten

Die Schifffahrt hat einige Redewendungen für den allgemeinen Sprachgebrauch geschaffen.

"Unter falsche Flagge segeln"

Wenn jemand mutig Flagge zeigt, verrät er seinen abweichenden Standpunkt oder einen schweren Fehler. Von nun an kann der Betreffende peinigenden Angriffen ausgesetzt sein, die andere dadurch vermeiden, dass sie mit ihrer Meinung oder Gesinnung hinterm Berg halten, obwohl sie vielleicht ganz ähnlich denken, fühlen oder gefehlt haben wie der ehrlich Flaggende.

Die Redewendung kommt daher: Die Schiffe von Piraten oder Kapitänen auf Kaperfahrt mit Brief und Siegel eines Herrschers zogen häufig die falsche Flagge am Mast auf, um sich wertvollen Beuteschiffen so dicht wie möglich zu nähern. Erst im letzten Moment hissten sie den Jolly Roger, die Piratenflagge mit Totenschädel und gekreuzten Knochen oder Säbeln, oder die offizielle Kriegsflagge. Im Englischen heißt das vielbemühte Täuschungsmanöver auch „sailing under false colours“, also „Segeln unter Falschfarben“, während ein mutig Flaggender mit echten Farben („true colours“) unterwegs war. Unter Militärs gilt dieses Vorgehen bis heute als unehrenhaft. Heute erfüllen moderne Tarnkappenboote denselben Zweck ohne Flaggenschwindel.

Im Ersten Weltkrieg noch segelte Felix Graf Luckner (1881–1966) mit seinem motorisierten Hilfskreuzer „Seeteufel“ unter falscher Flagge für den deutschen Kaiser und versenkte – getarnt als norwegischer Frachtsegler – mindestens 14 feindliche Schiffe.

"Mit allen Wassern gewaschen sein"

Wer hier denkt, es ginge um jemanden, der Bekanntschaft mit allen möglichen Wasch- oder gar Duftwässern geschlossen hat, liegt falsch. Es geht bei der Redensart vielmehr um wettergegerbte Seebären, die mit den Salzwassern aller Weltmeere gewaschen sind und deshalb durch keine Stürme mehr zu erschüttern sind. Auch haben solche Fahrensleute viele Kniffe kennengelernt, um ihr schlingerndes Schiff zu retten.

Im übertragenen Sinn ist mit allen Wassern gewaschen, wer etwa in politischen oder geschäftlichen Verhandlungen alle Tricks und Kniffe kennt und sich kaum noch etwas vormachen lässt.

Was die stürmischen Gewässer anlangt, die Seeleute fürs Leben prägen können, sind nur drei von ihnen als Weltmeere unumstritten, nämlich Atlantik, Pazifik und Indik (Indischer Ozean). Denn sie leiten ihre Namen ab vom griechischen Wort „okeanos“, dem die Erdscheibe umfließenden Weltstrom, wie er noch heute auf äußerst vereinfachten, runden Weltkarten des Mittelalters zu sehen ist. Meist gehört zu den Weltmeeren auch das europäische Mittelmeer, das als „mare magnum“ (großes Meer) ebenfalls die zum Navigieren unbrauchbaren Weltkarten des lateinisch geprägten Mittelalters zierte. Hinzu kommen, je nach historischer Epoche oder lokalpatriotischem Geschmack, weitere Gewässer, so etwa das Nordpolarmeer, das Schwarze, das Chinesische oder auch das Rote Meer.

"Jemanden kielholen"

Der in Nürnberg geborene Seefahrer Johann Jacob Saar (1625–1664) wurde nicht einmal 39 Jahre alt, aber von den Weltmeeren sah er einiges. Immerhin 15 Jahre lang war er Söldner der Niederländischen Ostindien-Kompanie, einem der wichtigsten Handelsverbünde des 17. und 18. Jahrhunderts.

Auf Seereisen nach und in Südostasien lernte Saar die Strafrituale auf Schiffen kennen und schildert in einem Bericht die „strenge Justice“ an Bord, sobald jemand sich an einem Offizier oder gar dem Kapitän vergriffen hatte. Dann nämlich musste der unbotmäßige Schläger „sonder Gnad dreymahl unten durch das Schiff / und so man Ihn nicht wohl tieff sincken lässet / daß Er mit dem Kopf nicht an die Kill / oder Grund des Schiffs / anstosset / so muß Er Sich tod stossen“.

Das nicht selten fatale Kielholen sah oft so aus, dass der Delinquent zunächst an einem Seil befestigt wurde, bevor man ihn unter dem Bauch des fahrenden Schiffs hindurch zerrte. Dabei konnte der Arme noch von Glück sagen, wenn er zuvor mit einem Stein oder einer Kanonenkugel beschwert worden war. Denn dank des Ballasts ließ man ihn buchstäblich so „tieff sincken“, dass er weniger Gefahr lief, mehrmals gegen den Kiel („Kill“) zu knallen oder sich am muschelübersäten Schiffsrumpf blutig zu scheuern.

"Klar Schiff machen"

Wenn der Himmel aufklart, ist das für sturmerprobte Seeleute ein Zeichen dafür, dass man das übelste Wetter wahrscheinlich überstanden hat, zumindest vorerst. Etwas Klares (von lat. clarus: hell, rein) ist also in der Regel etwas Gutes oder etwas, das in Ordnung gebracht worden ist. So wird das Schiff „klar zum Auslaufen“ oder „klar zum Gefecht“ gemacht, also gut vorbereitet, um in See zu stechen oder den Kampf mit einem feindlichen Pott aufzunehmen.

Wer „klar Schiff“ macht, räumt den schwimmenden Untersatz auf oder reinigt ihn gründlich, für welchen Zweck auch immer. Umgangssprachlich drückt die Aufforderung „Mach lieber ein für allemal klar Schiff!“ aus, dass der Betreffende gut daran täte, einen bedrohlichen, unklaren – noch dazu vielleicht andauernden – Zustand zu bereinigen. Erst wenn „klar Schiff“ gemacht worden ist, kann der lange Zeit Belastete endlich wieder aufgeräumt in die Zukunft schauen und neue Ziele ansteuern. Wenigstens dann, wenn das Klarmachen seines Schiffs keinen allzu üblen Unrat ans Tageslicht befördert hat.

"Die Schotten dicht machen"

Beim Dichtmachen der Schotten geht es nicht etwa darum, ein britannisches Volk mit Hochprozentigem abzufüllen, etwa mit dem ortsüblichen Whisky.

Die hier gemeinten Schotten untergliedern als Trennwände mit verriegelbaren Durchlassluken oder -türen den Rumpf eines Schiffes in etliche Abteile. Dadurch ist beim Eindringen von Wasser durch ein Leck oder beim Ausbrechen eines Feuers in einem Abteil nicht gleich das ganze Schiff verloren, sondern nur jener Abschnitt bis zum nächsten verschließbaren Schott – zumindest ist das die Idee.

Der Titanic haben ihre Schotten im Jahr 1912 zum Beispiel freilich nicht helfen können, weil der gerammte Eisberg große Teile einer Schiffsseite aufschlitzte. Saufen zu viele Schotten ab, tut es leider auch das Schiff.Schotten (nicht etwa Schotts!) versteifen ein Schiff obendrein, und zwar sowohl in Quer- und Längsrichtung. Wer umgangssprachlich „die Schotten dicht macht“, versteift sich nicht selten ebenfalls, nämlich auf einen ihm heiligen Standpunkt, und ist somit für abweichende Meinungen nicht mehr offen.