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Überhitzter FerienfliegerPassagiere müssen bei über 50 Grad ausharren – Fluggesellschaft bezieht Stellung

Lesezeit 4 Minuten
An Bord von Fliegern kann Hitze schnell unangenehm werden - dazu kommt die Enge und die Tatsache, dass Passagiere nicht einfach hinauskönnen.

An Bord von Fliegern kann Hitze schnell unangenehm werden - dazu kommt die Enge und die Tatsache, dass Passagiere nicht einfach hinauskönnen.

Bei einem Flug nach Münster wird es noch auf der Rollbahn gefährlich heiß. Für die Passagiere beginnt eine alptraumhafte Stunde.

Es muss eine schrecklich lange Stunde gewesen sein, wenn man die Schilderungen der Passagiere hört und liest. Für sie endete ein Flug der Mavi Gök Airlines von Antalya nach Münster noch auf dem Rollfeld mit einem beängstigenden Vorfall – und mit zahlreichen Vorwürfen gegen die Airline.

Was war geschehen? Noch auf dem Rollfeld heizte sich das Innere des Flugzeugs am Donnerstag (6. Juni) stark auf. An Bord der Boeing 737-800 soll die Temperatur aufgrund eines technischen Defekts auf mehr als 50 Grad angestiegen sein.

Mavi Gök-Flug abgebrochen: Tumulte an Bord der Boeing 737-800

„Also draußen war es 43 Grad“, schilderte Nancy Janßen in einem Video auf ostfriesen.tv. Die Frau aus Leer war mit ihrer Familie an Bord der Boeing 737-800 und eine von knapp Passagieren. „Man hörte immer mehr Gestöhne in dem Flieger. Man hörte immer mehr Bewegung, dass die Leute irgendwie versucht haben, an Luft zu kommen.“ Das Personal habe sie vertröstet, dass die Klimaanlage laufe und schon ihre Leistung bringen würde, wenn die Maschine erst einmal in der Luft sei.

Irgendwann, schildert Janßen weiter, sei der erste Erwachsene umgekippt. Ein Arzt, der vor einem drohenden Hitzschlag der stark überhitzten Kinder warnte, sei ignoriert worden. Wasser habe man ihnen nicht gegeben. Schließlich sei es zu Tumulten an Bord gekommen.

Erst nach etwa einer Stunde habe das Personal ein Einsehen gehabt und habe die Flugvorbereitungen unterbrochen. Schließlich hätten die Passagiere aus dem Urlaubsflieger aus – und in eine andere Maschine umsteigen können, mit vier Stunden Verspätung sei diese am Zielort in Deutschland gelandet.

Hitze an Bord des Ferienfliegers: Mavi Gök mit nachträglicher Erklärung

Wie die verantwortliche Fluglinie Mavi Gök in einem nachträglich verbreiteten Schreiben bestätigt, habe ein „Risiko für die Sicherheit des Fluges, der Kabine und der Passagiere“ bestanden. Die Airline nannte den Vorfall, der bereits am 6. Juni stattfand, ein Ergebnis von „technischen Problemen und anderen betrieblichen Gründen, die außerhalb unserer Kontrolle lagen“. Die genauen Umstände werden derzeit untersucht.

Zu den Berichten der Passagier selbst hat sich der Flugbetreiber nicht geäußert.

Erst vor einigen Tagen ging das Bild einer Airbus der Austrian Airlines durch die Nachrichten. Die Maschine geriet auf dem Weg von Mallorca nach Wien in eine Gewitterzelle. Die Nase des Fliegers wurde dabei völlig zerstört. Die Maschine konnte trotzdem sicher landen.


Welche Rechte man hat, wenn es an Bord eines Flugzeuges zu heiß wird?

Unabhängig von der Ursache dürfte die teilweise dramatisch geschilderte Situation auch reiserechtliche Fragen aufwerfen. Expertin Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum ordnet ein.

Die EU-Fluggastrechte-Verordnung sieht bei Ankunftsverspätungen ab drei Stunden Entschädigungen vor. Abhängig von der Flugdistanz sind das 250, 400 oder 600 Euro pro Passagier. Das Problem: In dem konkreten Fall handelte es sich um eine türkische Airline und der Abflug war aus der Türkei. In dieser Konstellation sei die Verordnung nicht anwendbar, so Wojtal. Anders sähe das aus, wenn der türkische Flieger in Deutschland, also in der EU, gestartet wäre.

Wer als Pauschaltourist im Flieger saß, also die Reise mitsamt Flügen über einen Veranstalter gebucht hat, kann laut der Verbraucherschützerin immerhin einen Reisemangel geltend machen. Reisende könnten für eine Verspätung ab vier Stunden eine Reisepreisminderung von 5 Prozent für den anteiligen Tagespreis verlangen.

Wojtal weist aber auf das Shy-Abkommen hin, dass die Fluggastrechte in der Türkei regelt und inhaltlich der EU-Verordnung stark ähnelt. Das Problem sei nur, dass man seine Rechte in der Türkei durchsetzen müsste. Es gebe aber natürlich auch in Deutschland Anwälte mit Zulassung in der Türkei und entsprechenden Sprach- und Rechtskenntnissen.

Was ist wegen zusätzlicher Forderungen wegen der Umstände an Bord?

Die Expertin sieht die Aussichten darauf eher skeptisch. Sie weist in dem Zusammenhang auf ein Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main aus dem Jahr 2022 hin: Da war eine Frau mit ihrer Forderung nach Schmerzensgeld wegen Hitze im Flugzeug abgeblitzt (Az.: 2-24 S 16/20).

Eine andere Frage sei, ob die Airline sich hier korrekt verhalten habe, so Wojtal: Wie wurde das Flugzeug gewartet? Gab es genügend Getränke? Zuständig wäre die Aufsichtsbehörde in der Türkei und gegebenenfalls auch das Luftfahrtbundesamt in Deutschland. (tis, dpa)