Hanf-Anbau in NRWEine Kultpflanze auf Siegeszug
Kerpen – Die Pflanzen, die man eher auf einer Plantage in Jamaika vermuten würde, wachsen kopfhoch und sind schon von weitem gut sichtbar. „Aber machen Sie sich keine Hoffnung“, sagt Biolandwirt Joachim Lüpschen aus Kerpen-Blatzheim. Sein Nutzhanf, angebaut auf etwa 4,5 Hektar seines Hofes, sei so gut wie frei von dem berauschenden Inhaltstoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC).
„Da können Sie so viel von rauchen wie Sie wollen, trotzdem passiert nix“, sagt Lüpschen und lacht. Er verarbeitet die Nüsse der Pflanzen zu Speiseöl. Den überwiegenden Teil der Ernte aber verkauft er als Rohware an einen Weiterverarbeiter. Hanföl sei außergewöhnlich gesund, betont der Bio-Bauer. „Das Fettsäuremuster ist perfekt auf den menschlichen Körper abgestimmt.“ Da es nicht so preiswert wie andere Speiseöle sei, werde es eher „teelöffelweise“ verkostet. „Es ist cholesterinsenkend, entzündungshemmend, unterstützt die Zellerneuerung im Körper und soll laut einiger Studien auch bei der Krebsvorsorge helfen.“
Nahezu kein THC in Nutzhanf
Der Anbau von Hanf in der Lebensmittelproduktion hat in den vergangenen zehn Jahren in Nordrhein-Westfalen stark zugenommen. 2022 wurde die Nutzpflanze nach Branchenangaben auf 317 Hektar angebaut, 2013 war die Fläche nur ein Hektar groß. Bundesweit wächst Hanf auf über 7000 Hektar. „Es gibt vielfältige Nutzungsmöglichkeiten“, weiß Michael Dickeduisberg vom Versuchs- und Bildungszentrum der Landwirtschaftskammer-NRW in Bad Sassendorf. Aus der je nach Sorte über drei Meter großen Pflanze könne Speiseöl gewonnen werden sowie glutenfreies Mehl. Fasern könnten, je nach Sorte, zu Seilen oder Textilien verarbeitet werden.
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„Der landwirtschaftliche Anbau erlebt einen unglaublichen Boom“, berichtet Dickeduisberg. Produzenten seien vor allem innovative Landwirte, die etwas ausprobieren wollen. Der bundesweite Selbstversorgungsgrad mit Hanf zu Ernährungszwecken liege derzeit grob geschätzt bei 50 Prozent. Importiert werden die Produkte hauptsächlich aus China, Frankreich und Kanada. Die Pflanzen wachsen im Freien, die Blüte ist im Juli.
Aus den Nüssen wird hochwertiges Speiseöl gemacht
Bauer Lüpschen, der unter anderem noch Speisekartoffeln, Erbsen, Wintergetreide, Dinkel oder Braugerste anbaut sowie etwa 2500 Hühner unterhält, hat seinen Hanf größtenteils im August geerntet. „Wegen der Hitze in diesem Sommer war der Ertrag deutlich niedriger, fast 35 Prozent würde ich sagen“, berichtet der Landwirt. Hinzu komme eine „spürbare Kaufzurückhaltung“ aufgrund der aktuellen Energiepreis-Krise und Inflation. Trotzdem halte er die Preise mit 45 bis 50 Euro für den Liter Bio-Hanföl stabil. Herkömmliches Hanföl aus China koste auch etwa 35 Euro. „Da wissen Sie aber nicht, wie es hergestellt wurde“, so Lüpschen.
Der Anbau von Nutzhanf muss bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn angezeigt werden. Der rauscherzeugende Wirkstoff THC darf in den Blättern höchstens 0,2 Prozent betragen und ist damit äußerst gering. Je nach Sorte können bei der Ernte herkömmliche Geräte wie ein Mähdrescher eingesetzt werden. Auch das sei ein Vorteil, meint Dickeduisberg. „Die Pflanze hat ein unheimliches Potenzial.“ Nordrhein-Westfalen entwickele gemeinsam mit Partnern im Bundesgebiet Anbauverfahren zur Optimierung des heimischen Hanfanbaus. (mit dpa)