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Interview zu Mode-TrendsWarum Abercrombie & Fitch und Ed Hardy längst wieder out sind

Lesezeit 4 Minuten

Foto vom nackten Oberkörper bei Abercrombie & Fitch

KölnHerr Müller-Thomkins, als 2011 die ersten Abercrombie-&-Fitch-Filialen in Deutschland eröffnet haben, standen die Leute Schlange, wurden von Jungs mit gestählten, nackten Oberkörpern und modelgleichen Schönheiten empfangen. Heute interessiert sich kein Mensch mehr für die bunten Sweatshirts mit den großen Buchstaben. Können Sie das Phänomen erklären?

Kurz und knapp: Der Hype ist vorbei. Das hat verschiedene Gründe. Im Mittelpunkt steht aber, dass sich das Bewusstsein der potenziellen Käufer und Konsumenten allgemein drastisch gewandelt hat.

Inwiefern?

Die Marken stehen heute viel weniger im Mittelpunkt als das Produkt als solches – und das wird kritisch hinterfragt. Nicht nur ökologische und soziale Herstellungsbedingungen spielen heute beim Kauf eines Kleidungsstücks eine Rolle, auch verächtliche Arbeitsbedingungen im Verkaufsland werden unter die Lupe genommen. Außerdem setzt sich nicht nur im oberen Bevölkerungsdrittel, sondern auch bei der breiten Schicht ein Qualitätsbewusstsein mehr und mehr durch. Das ist eine Folge der Medialisierung und fortschreitenden Transparenz – und zwar auf allen Kanälen.

Die Folge: Umsatz-und Gewinneinbruch, ebenfalls beim Tochterunternehmen Hollister, das seine Ware etwas günstiger anbietet. Lassen sich die Käufer von Marken heute nicht mehr so leicht wie früher von gigantischem Marketingaufwand blenden?

Diese Marken wurden lange Zeit völlig überbewertet. Sie kommen aus einer Ära, in der Marketing vor Produkt stand und die es geschafft haben, sich mit viel Geld und Energie in Szene zu setzen. Um so aus einem mittelmodischen, minderwertigen Produkt möglichst viel Marge rauszuziehen.

Abercrombie & Fitch eröffnete 2011 in Düsseldorf seinen ersten Laden in Deutschland – damals war der Kult um die US-Marke groß. Dabei hatte der Firmenchef schon 2006 mit einem Zitat für Ausehen gesorgt: „Wir stellen gut aussehende Menschen ein, denn die wirken auf andere attraktive Menschen anziehend. Alle anderen fassen wir gar nicht ins Auge.“ Der Mann wurde letzen Monat geschasst, die Umsätze sind drastisch zurückgegangen. Die neue Kollektion verzichtet auf die großen Schriftzüge. Die dunklen Läden sollen etwas heller werden und die Musik leiser. Die Sixpack-Jungs, einst das Erkennungszeichen von A&F, dürfen nun auch T-Shirts tragen.

Die Marke Ed Hardy, 2002 gegründet, galt einst als cool und wurde von Madonna, Pamela Anderson und vielen Fußballprofis getragen. 2007 trugen die Teilnehmerinnen von „Germany’s Next Topmodel“ Ed Hardy. Mittlerweile gilt sie als prollig. (cv)

Apropos Ära: Mit den bunten T-Shirts von Ed Hardy ist es genauso vorbei. Hat es dieselbe Ursache?

Da haben wir es mehr mit einem Zeitgeistphänomen zu tun. Die halbe Welt ließ sich zu Beginn dieses Jahrhunderts tätowieren, und dieses Rock-’n’-Roll-Gefühl fand auch in der Mode ihren Ausdruck. Konkret: im Textildruck. Mediale Bildwelten bildeten die Gegenwart in einem Ausschnitt dar, jenseits von Glencheck und Hahnentrittmustern.

Und wenn die Masse darauf anspringt, dann haben wir die Inflation des ursprünglich begehrten Kleidungsstücks?

Irgendwann ist es vorbei, der Markt ist satt.

Wenn die Zeit der schreienden Bilder zu Ende ist, wo befinden wir uns denn im Moment?

Die Mode ist nicht mehr plakativ, sie ist erwachsen geworden, geradezu architektonisch. Es geht nicht mehr um reproduzierte Bilder. Es handelt sich viel mehr um ein Spiel mit den Silhouetten, um die Hybridität von Sportlichkeit und Eleganz.

Hat der Einzug von Cos in die deutschen Fußgängerzonen mit seinem puristischen Stil auch zur allgemeinen Reduktion beigetragen?

Diese Marke weckte eine neue Begehrlichkeit zu bezahlbarem Preis. Den Purismus, den Cos darstellt, gab es früher bei Yohji Yamamoto und Jil Sander, nur um ein Vielfaches teurer gehandelt. Dass heute so viele Leute das Schlichte mögen, hat damit zu tun, dass das Augenmerk auf die Innerlichkeit gerichtet ist – und nicht auf schreiende Dekoelemente. Die Konsumenten sind überzeugt davon, dass sie selbst genug darstellen und stilistisch abspecken können. Also: Ich brauche keine zerrissene Jeans, um wahrgenommen zu werden.

Gerd Müller-Thomkins ist Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts in Köln.