Am zweiten Prozesstag sorgt der frühere Nationaltorwart mit einigen Aussagen für Aufsehen, am Nachmittag wurde das Urteil verkündet.
Ex-Torwart verwundert RichterinGericht verurteilt Jens Lehmann in Kettensägen-Prozess
Einer der wohl skurrilsten Prozesse des Jahres ist zu Ende: Jens Lehmann ist am Freitag (22. Dezember) vom Amtsgericht Starnberg zu einer Geldstrafe im sogenannten Kettensägen-Prozess verurteilt worden. Der ehemalige Nationaltorwart muss 210 Tagessätze zu je 2000 Euro (insgesamt 420.000 Euro) wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und versuchten Betrugs zahlen.
Das Amtsgericht Starnberg sieht es als erwiesen an, dass der 54-Jährige im Juli vergangenen Jahres mit einer Kettensäge den Dachbalken in der Garage seines Nachbarn angesägt hat. Lehmann habe sich „durchgängig als Opfer der Justiz“ inszeniert, sagte Richterin Tanja Walter. Er sei „jedoch nicht Opfer, er ist Täter“ und habe vor Gericht „hanebüchene Geschichten“ zu seiner Verteidigung vorgebracht.
Kettensägen-Prozess: Jens Lehmann irritiert Richterin mit merkwürdigen Aussagen
So lief der Verhandlungstag: Zum zweiten Verhandlungstag im Prozess gegen Jens Lehmann erschien der ehemalige Nationaltorwart am Freitag pünktlich um 10 Uhr vor dem Amtsgericht Starnberg. Auch am zweiten Verhandlungstag sorgte Lehmann erneut mit merkwürdigen Aussagen für Aufsehen im Gerichtssaal.
Lehmann hatte sich mehrfach auf Erinnerungslücken berufen, von Rufmord und falschen Verdächtigungen gesprochen. „Der Einzige, der sich rufschädigend seiner eigenen Person gegenüber verhalten hat, ist der Angeklagte selbst“, sagte dagegen Richterin Walter bei der Urteilsverkündung. Der ehemalige England-Legionär behauptete zudem, als „arbeitsloser Fußballtrainer“ keine Einkünfte mehr zu haben.
Der Familienvater machte dafür die Medien verantwortlich, die durch ihre negative Berichterstattung seinen Ruf geschädigt haben. Anschließend musste Lehmann Auskunft zu seinen Familienverhältnissen geben. Statt zu antworten, fragte Lehmann die Richterin, ob sie verheiratet sei. Dafür kassierte er eine Rüge.
Prozess gegen Jens Lehmann: Richterin unterstellt Lehmann „hanebüchene Geschichten“
Dann folgte das Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Staatsanwalt Stefan Kreutzer unterstellte Lehmann eine „hohe kriminelle Energie“ sowie einen Hang zur „Selbstjustiz“. Kreutzer forderte eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung wegen Beleidigung, Sachbeschädigung und versuchten Betrugs.
„Mit der Kettensäge in den Händen werden Helden zu Legenden“, sagte Kreutzer am Freitag vor dem Amtsgericht Starnberg - oder sie landeten vor Gericht. Außerdem forderte er, dass Lehmann drei Monatsgehälter - insgesamt 216.000 Euro - an die Staatskasse zahlen sollte.
Im Zentrum der Vorwürfe gegen Jens Lehmann stand ein außergewöhnlicher Nachbarschaftsstreit, der bundesweit Schlagzeilen machte. Laut Kreuzer gebe es „keinen Zweifel“ daran, dass die Vorwürfe gegen Lehemann zutreffen. Lehmann habe seinem Nachbarn „schlicht und ergreifend eins auswischen“ wollen.
Überwachungskamera zeichnete Jens Lehmann bei Kettensägen-Aktion auf
Am letzten Prozesstag drehte sich aber alles um ein weiterer Vorwurf vom Münchner Flughafen. Dort soll Jens Lehmann, ohne die Parkgebühr bezahlen zu haben, aus einem Parkhaus am Flughafen geflüchtet sein - Stoßstange an Stoßstange mit einem vorausfahrenden Auto.
Kreutzer hatte auch keinen Zweifel daran, dass Lehmann die Parkgebühren in einem Parkhaus am Flughafen nicht zahlen wollte und darum vorgab, im Parkhaus noch etwas zu tun zu haben - und dann Stoßstange an Stoßstange hinter einem anderen Auto unter der Schranke hindurchfuhr. „Das ist ja hochgradig verhaltensauffällig“, sagte Kreutzer. „Und das für ein paar Hundert Euro - bei Ihren finanziellen Verhältnissen.“
Der ehemalige Torwart von Schalke 04 und Borussia Dortmund stritt den Vorwurf des versuchten Betrugs vehement ab, und sprach stattdessen von einem Missverständnis. Er habe nicht vorgehabt, nicht zu zahlen, behauptete er.
Kettensägen-Prozess: Jens Lehmann kommt um Haftstrafe herum
Darüber hinaus hatte die Staatsanwaltschaft ihm vorgeworfen, mit einer Kettensäge in die neu gebaute Garage seines Nachbarn eingedrungen zu sein und dort einen Dachbalken angesägt zu haben.
Der ehemalige Nationaltorwart und WM-Held von 2006 hatte am ersten Prozesstag (8. Dezember) eingeräumt, das Grundstück seines Nachbars mit der Kettensäge in der Hand betreten zu haben, bestritt aber, den Dachbalken angesägt zu haben. Eine Überwachungskamera, deren Aufnahmen im Gerichtssaal gezeigt wurden, hatte Lehmann mit der Kettensäge aufgezeichnet.
Jens Lehmann fühlt sich missverstanden und wehrt sich
Der frühere Torwart und „Sommermärchen“-Held, der damals mit Hilfe seines berühmten Elfmeter-Spickzettels im Viertelfinale über die Schützen der Argentinier triumphierte, war aufgrund der Kettensägen-Episode angeklagt wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung.
Dazu kamen noch der Vorwurf der Beleidigung, weil er Polizisten gegenüber ausfällig geworden sein soll, die ihm den Führerschein abnehmen wollten. Am Freitagvormittag sagten Zeugen zu dem Parkhaus-Komplex aus.
Der Staatsanwalt hatte am ersten Prozesstag gesagt, „dass es sich bei Ihnen, Herr Lehmann, um eine Person handelt, die sich am unteren Rand der Strafbarkeit nicht an das Gesetz hält, sondern sich darüber hinwegsetzen möchte“. Lehmann dagegen fühlt sich missverstanden und sieht sich als Opfer von falscher Verdächtigung und Rufmord. (mbr/dpa)