Vor 30 Jahren in KölnWie die Kelly Family in den Mülheimer Hafen zog
- Vor fast 30 Jahren zog die Kelly Family in den Mülheimer Hafen in Köln
- Nach der Trennung 2002 meldet sie sich nun mit einem Album und einer Tour zurück.
Diese Familie war immer für einen Witz gut. Zum Beispiel: Die Kellys bekommen eine eigene Fernsehsendung: Die Sendung mit der Laus. Oder: Das Hausboot der Kellys ist aus dem Kölner Hafen verschwunden. Es lag wohl zu nahe am Sperrmüll.
Mit dem Hausboot „Sean O’Kelley“, Baujahr 1923, legte die Großfamilie 1989 im Mülheimer Hafen an – und feierte in den 1990 Jahren ihre größten Erfolge. Nach vielen Höhen und Tiefen und der Trennung von 2002 erscheint nun wieder eine CD der Kelly Family. Eine Tournee durch große Hallen wird folgen, am 17. Februar 2018 sind singen sie in der Lanxess-Arena. In den ersten Stunden wurden 50.000 Karten verkauft.
„Singende Altkleidersammlung“
Das Familienunternehmen läuft wieder – obwohl viele Spötter der „singenden Altkleidersammlung“ nie eine Chance gegeben hatten. Die trotz ihres irischen Images aus Amerika stammende Familie war mit einem Doppeldeckerbus ab 1978 durch Europa unterwegs – und wuchs dabei immer weiter. Auch die Kleinsten sangen in Fußgängerzonen und Marktplätzen mit. Manche fanden das niedlich, andere bedenklich.
Ihren ersten Durchbruch schafften die Kellys 1980 mit „Who’ll Come with Me“, dem Titellied zum Weihnachtsvierteiler „David Balfour“. Der große Erfolg kam 1994 mit dem Album „Over the Hump“, das allein in Deutschland rund 2,5 Millionen Mal verkauft wurde. Und mit der Single „An Angel“, gewidmet der 1982 verstorbenen Mutter, begann ein regelrechter Hype. Die Gruppe füllte nun die Westfalenhalle.
Schiff in Mülheim wird zur Kelly-Pilgerstätte
Und sie wechselte vom Bus ins Boot im Mülheimer Hafen. Das Schiff wurde zur Pilgerstätte für die Fans. Viele Anhänger übernachteten in der unwirtlichen Umgebung, um einen Blick auf Paddy oder Angelo, die Teenie-Lieblinge, zu erhaschen.
Schon bald ließen die Kellys eine Mauer ziehen, um ihre Privatsphäre zu schützen. Die wurde mit Liebesbekundungen übersät und zu einer Art Klagemauer für die wartenden Mädchen. Zeitweise wurde ein Sicherheitsdienst engagiert.
Wilde Gerüchte
Die wildesten Geschichten rankten sich um die Kellys. Manche hatten einen wahren Kern. Das Boot war ein Geldspeicher, erzählte Paddy Kelly vor einigen Jahren. „Ich glaube, insgesamt hatten wir eine Million Deutsche Mark in Münzen als Ballast für unser Schiff“, sagte er.
Und ein Hafenmeister sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Das sind ganz nette, vernünftige Leute.“ Sie hätten immer korrekt gezahlt. „Am Anfang haben die sogar mal eine Rechnung über 1000 Mark mit Münzen bezahlt, die sie auf der Straße verdient hatten.“
1996 bekamen die Kellys Ärger mit dem damaligen Regierungspräsidenten Franz-Josef Antwerpes. Er wollte erzwingen, dass der 14-jährige Angelo eine öffentliche Schule besucht. Die Familie praktizierte Homeschooling – was in Deutschland nicht zulässig ist.
Außerdem wollte Antwerpes das „behördliche Meldeverhalten“ der Kelly Family untersuchen lassen. In Köln gemeldet war nur Vater Daniel Kelly. Sechs seiner zwölf Kinder wohnten offiziell im anhaltinischen Kelbra, wo die Familie noch einen verrotteten Wohnwagen besaß. Daniel Kelly operiere „knapp außerhalb der gesetzlichen Normen“, hieß es.
Vor allem herrschte Daniel Kelly mit eiserner Hand über die Familie. Früh war es seine ausgesprochen wirkungsvolle Taktik, sich nicht an eine Plattenfirma zu binden, sondern einen eigenen Betrieb zu gründen. Bilder durften nur von einem bestimmten Fotografen exklusiv gemacht werden. Interviews gab es grundsätzlich nicht, lediglich die „Bravo“ hatte manchmal einen Zugang.
„Er war ein Herrscher“
So blieb alles unter Kontrolle. In späteren Interview bestätigten die Geschwister vorsichtig, dass die Individualität jedes Einzelnen durch das streng reglementierte Leben unterdrückt worden sei. „Er war ein Patriarch, auch ein Herrscher. Ein Mann, der mit eigenen Werten lebte“, sagte Joey Kelly 2011 in einem Interview im „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Der Patriarch erfüllte sich 1998 einen Traum: Er ersteigerte für 13 Millionen Mark Schloss Gymnich in Erftstadt, das ehemalige Gästehaus der Bundesregierung. Erstmals hatte die Familie ein Dach über dem Kopf. Und was für eins.
Arbeiter-Samariter-Bund versorgt Fans in Gymnich
Doch die Fan-Belagerung wurde noch schlimmer. Horden junger Mädchen übernachteten auf dem umliegenden Gelände, vor dem Schloss wurde gecampt. Anwohner riefen immer wieder die Polizei – wegen der Lärmbelästigung. Es gab Berichte, dass sogar Drogenhändler das Schlossumfeld als guten Absatzmarkt entdeckten. Der Arbeiter-Samariter-Bund schickte einen Wagen, aus dem die wartenden Fans mit Suppe, Tee und Kinderriegeln zum Selbstkostenpreis versorgt wurden. Eine neue Art des Katastropheneinsatzes.
Die Luftschloss-Träume der Kellys endeten, als Vater Daniel 2002 im Alter von 71 Jahren an den Folgen einer Hirnblutung starb. Acht Geschwister und vier Halbgeschwister erbten das Schloss gemeinschaftlich. Und konnte sich nicht über das weitere Vorgehen einigen. „Die Familie und damit auch die Gruppe war nicht mehr zusammenzuhalten“, erinnert sich Joey Kelly.
Hausboot und Bus werden museumsreif
Das Schloss wurde für drei Millionen Euro verkauft. Das Hausboot und der alte Doppeldecker-Tourbus wanderten als Zeugen der Zeitgeschichte ins Technikmuseum in Speyer. Die Kellys waren Geschichte. Die Geschwister führten fortan ihr eigenes Leben. Wie viel Geld von ihren großen Erfolgen übrig geblieben war, verriet keiner. Aber fest steht: Alle mussten irgendwie weiterarbeiten, große Finanzpolster gab es offensichtlich nicht.
Um manche wurde es still. Paddy (heute 39) ging für einige Jahre ins Kloster. Eine klassische Flucht. Patricia Kelly (47) zog sich weitgehend ins Privatleben zurück, sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Andere Geschwister sollen zeitweise unter Depressionen gelitten haben.
Kathy Kelly bei „Das Supertalent“
Kathy (53) irritierte 2010 mit einem Auftritt beim der Casting-Show „Das Supertalent“, die ja eigentlich für Menschen gedacht ist, die erst bekannt werden wollen – und es nicht schon sind. Später gab sie zu, sie habe sich keineswegs beworben, sondern sei von RTL quasi als Show-Gag eingeladen worden. Ein Kelly ist eben immer noch eine Schlagzeile wert.
Überhaupt eignen sich die Geschwister bestens für alle möglichen TV-Reality-Formate. Angelo (35) berichtete in „Goodbye Deutschland“ über die schwierige Auswanderung seiner inzwischen auch sehr großen Familie in eine Bruchbude in den irischen Weiten. Angelo musste nach eigenen Angaben wieder auf der Straße spielen, um seine fünf Kinder und seine Frau durchzubringen.
Joey Kelly ist allgegenwärtig
Joey Kelly (44), der mit seiner Frau und drei Kindern auf einem Hof in der Nähe von Lohmar wohnt, blieb allgegenwärtig. Der Extremsportler nimmt an jedem TV-Wettbewerb teil, lässt sich auf Ultrarennen begleiten und versuchte, Schwergewicht Reiner Calmund zu verschlanken. Er verdient sein Geld durch Sponsoren aus dem Sportartikelbereich.
Lediglich Maite Kelly (37) gelang die Fortsetzung der Musikkarriere. Sie spielte im Musical „Hairspray“, produziert erfolgreiche Alben, ist Gast bei Carmen Nebel. Ausgerechnet sie – wie auch Frauenliebling Paddy – ist beim Comeback der Familie nun nicht mit dabei. Die Solo-Projekte seien derzeit wichtiger, so die beiden. So ganz auf einen Nenner lassen sich die Geschwister also nicht mehr bringen. Aber die nächste Generation ist schon auf dem Weg. Iggi Kelly (13), Sohn von Patricia, trat bei „The Voice Kids“ an.
Die Kelly Family suggeriere das Bild einer „heilen Großfamilie“, sagte vor Jahren eine Psychologin. Weil der einzelne in der Gesellschaft nicht mehr so viel Rückhalt habe, sei die Vorgaukelung einer Welt, in der alle zusammenhalten, besonders reizvoll. Das gilt offenbar auch noch heute.
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