Moderator mit Reporterblick: Christian Sievers
Mainz – Millionen TV-Zuschauer müssen sich umgewöhnen - zumindest ein bisschen. Claus Kleber hat nach fast 20 Jahren als Hauptmoderator bei der ZDF-Nachrichtensendung „heute journal” aufgehört. Sein Nachfolger ist der Journalist Christian Sievers.
Viele kennen ihn aber schon längst: Seit Jahren ist er als ZDF-Nachrichtenmoderator tätig und ein bekanntes Gesicht des Senders. Am Montag (10.1., 21.45 Uhr) startet der 52-Jährige als Hauptmoderator der quotenstarken Nachrichtensendung im Wechsel mit Marietta Slomka.
Neuer Lebensrhythmus
Sievers sagte vor seinem Start der Deutschen Presse-Agentur: „Es verändert sich schon etwas im Kopf. Es ist ein neuer Lebensrhythmus, auf den ich mich einstellen muss.” Praktisch jede zweite Woche im Jahr verschreibe man sich vollkommen dieser Sendung. Allein schon, was die Arbeitszeiten angehe. Sein Vorgänger Kleber habe die Sendung entscheidend geprägt, „und darüber hinaus ist diese Aufgabe natürlich immer eine riesige journalistische Herausforderung.”
Sievers, der im hessischen Offenbach geboren wurde, arbeitet seit Jahrzehnten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, davon die meiste Zeit für das ZDF. Seit Ende der 90er Jahre ist der Journalist, der Rechtswissenschaften studierte, dort in unterschiedlichen Funktionen tätig gewesen. Darunter als Moderator und Redakteur der Sendungen „heute” und „heute mittag”. Zudem als Moderator, Redakteur und Reporter für das „ZDF-Morgenmagazin” in Berlin. Sievers präsentierte auch Hochrechnungen und Analysen bei Wahlsendungen.
Im Duo mit Hanna Zimmermann
Bevor er seit Herbst 2014 bis vor kurzem als Moderator der 19-Uhr-„heute”-Sendung im Zweiten zu sehen war, leitete er zeitweise das ZDF-Auslandsstudio in Tel Aviv und war Nahost-Korrespondent. Seit 2013 moderierte er auch hin und wieder das „heute journal”. Jetzt wird er eine feste Größe des Formats. 2021 schalteten im Schnitt 4,15 Millionen Leute die Sendung ein. Sievers wird ein neues Duo mit Hanna Zimmermann bilden, die als Co-Moderatorin die Nachrichtenblöcke präsentiert. Die 1988 geborene Journalistin moderierte bislang die Spätausgabe der Nachrichten im ZDF.
Zur Frage nach der Zukunft und Impulsen für das „heute journal” sagte Sievers: „Zunächst mal: Das „heute journal” macht schon sehr viel richtig. Das ist eine tolle Crew, die ein hochpräzises Programm macht - jeden Abend neu.” Er ergänzte, es gebe zwei Punkte, bei denen er sich gerne stärker einbringen würde, weil das auch in der Pandemie ein wenig gelitten habe: „Einmal der Überraschungseffekt. Ich glaube, wir können noch überraschender werden.” Man könne bei der Präsentation der Tagesereignisse an manchen Stellen durchaus mal einen unkonventionellen Weg gehen, „auch mal mit Augenzwinkern”.
Der 52-Jährige nannte zudem dies: „Ich habe im ZDF als 19-Uhr-Moderator immer wieder die Möglichkeit gehabt, auch rauszugehen und selbst Berichte zu machen. Das würde ich im „heute journal” gerne fortsetzen und verstärken.” Sievers sagte: „Ich war immer Reporter und werde im Herzen immer Reporter bleiben.” Er glaube, dass es auch für einen Moderator sehr wichtig sei, aus persönlicher Anschauung zu wissen, über was er da spreche. „Ich habe als Nahost-Korrespondent immer wieder gemerkt: Wenn Sie zum Beispiel über die Lage in Gaza reden, dann macht es einen Unterschied, ob sie mal selbst erfahren haben, wie klein diese Region ist und wie eng - schon räumlich - alles zusammenhängt.”
Vom Umgang mit Kritik
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfährt in der Pandemie verstärkt Zuspruch und die Nutzerzahlen gingen hoch, zugleich liest man in sozialen Netzwerken auch harte Kritik und Hass. Bei Demos und unangemeldeten Protesten von Gegnern der Corona-Impfung geraten Medien und Journalisten in den Fokus. Wie kann man wieder zu einer Gemeinsamkeit finden? Dazu sagte Sievers: „99,9 Prozent der Menschen, die mich im Supermarkt oder im Zug ansprechen, sind wahnsinnig nett und offen. Das heißt nicht, dass sie nicht auch Kritik üben.” Viele bedankten sich für die Arbeit. „Die Leute scheinen zu spüren, dass der Journalismus aktuell stärker unter Druck gerät. Es gibt eine große Mehrheit, die uns vertraut in dem, was wir tun.”
Der Journalist ergänzte: „Dann gibt es Leute, die etwas tun, was für einen Journalisten und Reporter die allergrößte Beleidigung ist. Nämlich zu sagen: „Sie lügen doch.” Das ist wie, wenn man dem Bäcker sagt: „Du kannst nicht mit Mehl umgehen.” Es ist der ultimative Angang.” Bei diesen Menschen stelle er fest, wenn man mit ihnen rede, dass die meisten die Sendungen gar nicht geguckt haben. „Ich entdecke wenig Menschen, die pauschal "Lügenpresse" skandieren und dabei sagen könnten, woran sie das konkret festmachen würden.”
Sievers schloss so: „Was wir wirklich machen können, und das ist mein Wunsch und meine Idee für die Zukunft: Jeden Tag so gut, so professionell und so handwerklich perfekt zu berichten, wie wir es nur irgend möglich können - um damit einen möglichst großen Teil der Menschen zu überzeugen.”
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