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Nach tödlichen Schüssen in DortmundFünf Polizisten werden angeklagt

Lesezeit 3 Minuten
An einem Zaun sind Kerzen und Blumen abgelegt worden, mit denen eines von der Polizei erschossenen Jugendlichen gedacht wird.

Trauerort nach den Todesschüssen auf einen jugendlichen Flüchtling in Dortmund im August vergangenen Jahres. Nun kommt es zu Anklagen gegen fünf Beamte im Einsatz.

Durch Polizeischüsse kam der 16-jährige Mouhamed D. in Dortmund ums Leben. Jetzt werden fünf Beamte angeklagt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Gut sechs Monate nach dem Tod des 16-jährigen senegalesischen Flüchtlings

Mouhamed D. durch einen Polizeischützen auf dem Hof der Jugendhilfe St. Elisabeth in Dortmund hat die Staatsanwaltschaft fünf der zwölf beteiligten Polizisten angeklagt. Dabei geht es um Körperverletzung, Anstiftung durch den Einsatzleiter sowie Totschlags durch den Todesschützen. Der damals 29-jährige Polizeibeamte hatte mit einer Maschinenpistole auf den Jugendlichen geschossen, weil der sich mit einem 20-Zentimeter langen Messer den Beamten bis auf etwa zweieinhalb Meter genähert hatte.

Laut Staatsanwalt ist Einsatz aus dem Ruder gelaufen

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte bereits über die drohende Anklage-Erhebung berichtet. Die Polizeibeamten gingen in ihren Vernehmungen von einer Notwehrsituation aus. Die Staatsanwaltschaft vertritt eine andere Auffassung. Aus Sicht der Strafverfolger war der Einsatz unrechtmäßig. So soll der Asylbewerber seine Waffe nach unten gehalten haben, als er sich den Polizeibeamten näherte. Allerdings gibt es auch andere Aussagen durch Augenzeugen. Michael Emde, Verteidiger des Einsatzleiters, widersprach den Vorwürfen: „Der Jugendliche hat sich bedrohlich mit einem Messer auf die Polizisten zubewegt. Ganz gleich, wie er die Waffe gehalten hat, es war Anlass genug, ihn zu stoppen.“

Ankläger Carsten Dombert geht davon aus, dass der gesamte Einsatz an jenem Nachmittag des 8. August aus dem Ruder lief. Als die Betreuer der Jugendhilfe die Polizei am Nachmittag zur Hilfe riefen, weil Mouhamed D. auf dem Hof kauerte und sich ein Messer vor den Bauch hielt, versuchten sie ihn erst anzusprechen.

Als dies misslang, befahl der Einsatzleiter einer Polizistin den jungen Mann mit Reizgas einzunebeln, um ihm sein Messer abzunehmen. Der Angriff glückte nicht. Der Jugendliche erhob sich und schritt auf die anderen Polizeibeamten zu. Neben den eingesetzten Polizisten berichteten mehrere Sozialarbeiter der Jugendhilfeeinrichtung, dass sich Mouhamed D. mit dem Messer in der Hand schnell bewegte. Und zwar in Richtung der Polizeibeamten. In welchem Tempo, darüber gibt es widersprüchliche Aussagen. An schnelles Gehen erinnern sich manche Zeugen, andere wiederum sprechen von Laufen. Auch ergibt sich aus den Angaben nicht genau, wie Mouhamed D. sein Messer gehalten hat. Zeigte die Klinge auf die Polizisten oder nicht? Die Anklage geht davon aus, dass D. das Messer nach unten gehalten habe.

Jugendlicher starb in der Klinik

Nachdem zwei Taser-Attacken scheiterten fielen die tödlichen Schüsse aus der Maschinenpistole des Sicherungsschützen. Zwischen dem zweiten Tasereinsatz und der Schussabgabe lagen 0,717 Sekunden. Tödlich getroffen, ging Mouhamed D. laut den Untersuchungen zweieinhalb Meter vor dem Schützen zu Boden. Unter dem verblutenden Jugendlichen fand sich sein Messer. In der Klinik starb er kurz Zeit später.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass bereits der Pfefferspray-Einsatz völlig überzogen war. Vielmehr hätte die Polizei ein Kriseninterventionsteam und einen französischen Dolmetscher herbeirufen müssen, um die Situation zu entkrampfen. Folgt man dieser Argumentation, war der Taser-Einsatz unrechtmäßig. Folglich hätte auch der MP-Schütze erst schießen dürfen, wenn der junge Mann tatsächlich zu einer Messerattacke angesetzt hätte.

In Verteidigerkreisen fragt man sich, wie ein Kriseninterventionsteam hätte helfen können. Immerhin kamen ja selbst die Betreuer der Jugendhilfe-Einrichtung nicht an Mouhamed D. heran. Zudem wäre viel Zeit vergangen, ehe sich der Dolmetscher und eine Verhandlungsgruppe eingefunden hätten. „Niemand weiß, was in der Zwischenzeit passiert wäre, ob er das Messer nicht tatsächlich gegen sich gerichtet hätte, deswegen ist das gesamte Anklagekonstrukt äußerst fragwürdig“, moniert Verteidiger Emde.