Naturschützer kämpfen dagegenDas Millionen-Geschäft mit den Vulkanen
Daun – Tiefblaue Maare, urwüchsige Wiesen und Wälder, so wirbt das „GesundLand Vulkaneifel“ um die Naturfreunde. Was im Werbeprospekt fehlt: eine der höchsten Grubendichten in Mitteleuropa. Rund um Daun, Gerolstein und Hillesheim findet auf rund 400 Hektar Basalt- und Lavaabbau statt. Allein im Landkreis sind es mehr als 40 Abbaugruben und Steinbrüche. Die Folge: In der bei Kölnern so beliebten Vulkaneifel verschwinden die Vulkane. Der „Erholungsraum” wird zu Lavasand und Basaltsplitt für den Straßenbau und die Bauindustrie zermahlen.
Gegen Windmühlen
Und es wären noch viel mehr Vulkane betroffen, gäbe es da nicht einige aktive Frauen und Männer, die sich in der „Interessengemeinschaft Vulkaneifel“ (IG Eifelvulkane) für den Schutz der Landschaft engagieren. Seit über zehn Jahren ist es ein Kampf gegen Windmühlen, erzählt Hartmut Schmidt. Die Gesteinsindustrie kämpfe mit allen Mitteln: mit dem Bergrecht, unterstützt von Behörden, Bürgermeistern, mit den Tricks und Finten des Verwaltungsrechts, von Geschäftsordnungen und Gutachten, die viele nicht sachkundige Bürger schlicht für dumm verkaufen würden.
Stein des Anstoßes war für Hartmut Schmidt der Regionalplan, der mit dem Entwurf von 2014 aktualisiert werden sollte. Das rheinland-pfälzische Landesamt für Geologie und Bergbau, zuständig für die fachlichen Aussagen zur Rohstoffsicherung, weist für den Regionalplan alle aktuellen und potenziellen Abbaugebiete aus, damit sie nicht durch Windräder, Gewerbe- oder Wohngebiete überbaut werden: 450 Hektar alte und neue Vorrang- und 1700 Hektar Vorbehaltsgebiete. Die Landschaftsschützer waren geschockt: „Wir haben gesagt, seid ihr verrückt? Wollt ihr die Eifel kaputt machen? Es wird jetzt schon viel zu viel abgebaut.“
3700 Hektar zukünftige Abbaugebiete
Die Natur- und Landschaftsschützer von BUND und Nabu, voran der Rheinische Verein für Denkmalschutz und Landschaftspflege, aktivierten Gemeinden und Kreis. 6000 Einwendungen wurden eingereicht. „Das haben die noch nie erlebt“, sagt Schmidt. Die Einwendungen hatten Erfolg. 2016 wurde der Entwurf zurückgezogen und ein Lösungsdialog angeboten.
Doch es kam noch schlimmer: Die neue Vorlage benannte Rohstoffgebiete auf 3700 Hektar. „Dann wäre die Eifel tot. Da sind viele aufgewacht“, erzählt Schmidt. Nur um klar zu machen, um wie viel Geld es geht: Über die bisherigen aktiven Gruben hinaus sind derzeit weitere 400 Hektar Abbau genehmigt. „Das sind garantierte 110 Millionen Tonnen Reserve“, erklärt Hartmut Schmidt. Bei fünf Euro Gewinn pro Tonne könne man sich die Größenordnung des Geschäfts mit den Vulkanen vorstellen – Schotter für Unternehmergewinne über 500 Millionen Euro.
Abgestimmt und verabschiedet wird der Regionalplan von der „Planungsgemeinschaft Trier“. Mitreden können darin 50 kommunale Vertreter der Stadt Trier und der vier Landkreise, daneben je ein Interessenvertreter von Handels-, Handwerks- und Landwirtschaftskammer und der Wirtschaftsverbände, derzeit die Steinindustrie. Die Mitsprache oder der Einspruch einfacher Bürger ist nicht vorgesehen. Vor sechs Jahren aber wurde das Landesnaturschutzgesetz Rheinland-Pfalz geändert. Auch die Naturschutzverbände dürfen nun ein Mitglied entsenden und sie entschieden sich für Hartmut Schmidt.
Vom Behördenleiter zum Naturschützer
Der pensionierte Diplomingenieur aus Daun dürfte einer der wenigen sein, die mit Politik und Verwaltung überhaupt auf Augenhöhe diskutieren können. Schmidt war 25 Jahre lang Leiter einer Landesbehörde in der Eifel. Der Leitende Regierungsdirektor a. D. ist mit Kommunalpolitik und Raumordnungsrecht gleichermaßen vertraut. „Aber ich bin nur einer von 56 in der Planungsgemeinschaft.“
Inzwischen hat Schmidt Mitstreiter gewonnen und weiß den Landkreis hinter sich. Am 15. Dezember 2021 erringen die AG der Naturschutzverbände und die IG Eifelvulkane einen wichtigen Etappensieg: „Im zentralen Kerngebiet des Kreises wird es keine neuen Gruben geben! Viele Berge, die bedroht waren und um die wir bangten, bleiben bestehen!“, heißt es in der IG-Erklärung. Die Planungsgemeinschaft Trier nahm das vom Kreis Vulkaneifel vorgelegte Konzept an, in dem viele der ursprünglich vorgesehenen potenziellen Abbaugebiete wegfallen.
„Es wird keine neuen Gruben geben“
Wieso plötzlich diese Wende? Das Landesplanungsgesetz sieht nur wenige Möglichkeiten vor, den Rohstoffabbau auszuschließen. Die wichtigste: Wenn dem ein berechtigtes öffentliches Interesse entgegensteht. „Dieses Interesse wurde in der Vergangenheit weder ermittelt noch berücksichtigt“, erzählt Schmidt. Der Erhalt von Arbeitsplätzen ausschließlich in der Abbauindustrie sei immer vorrangig gewesen.
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Schmidt studierte das Landesentwicklungsprogramm (LEP) und wurde fündig. „Hier wird dem Erholungs- und Erlebnisraum Vulkaneifel aufgrund seiner landesweiten Bedeutung Vorrang vor anderen Belangen eingeräumt.“ Dieses entscheidende Argument lieferte Professor Hans Erkert aus Zilsdorf, der sich seit 2007 für den Schutz der Vulkaneifel einsetzt. Auf der Karte sieht das Landschaftsschutzgebiet aus wie ein großer grüner Schmetterling – darin die zukünftigen Abbaugebiete. „In der Versammlung im Dezember habe ich erklärt: Wir können der Landschaft nicht den Vorrang einräumen und gleichzeitig auch dem Abbau, der diese Landschaft zerstört.“ Das wirkte. Der grüne Schmetterling wird nun vor einem Vorrang für neue Abbauflächen geschützt.
Keine Nutzung der Gruben als Schuttplatz
Außerdem gibt es neue Vorgaben für die „Folgenutzung“ der Gruben. Die Zuständigkeit für die Ablagerung von „Fremdmaterial“ wurde vom Landesamt für Geologie und Bergbau auf die Kreisverwaltung als untere Abfallbehörde übertragen. Damit soll eine fragwürdige Deponienutzung der Gruben und Steinbrüche ausgeschlossen werden. Alle ausgebeuteten Flächen sollen ab sofort in die landesweite Biotopvernetzung integriert werden. Damit scheiden sie als Schuttplatz aus und dienen stattdessen der Biodiversität im Landkreis.
Im Sommer werde der Regionalplan offengelegt, Einwendungen seien noch möglich, dann werde er beschlossen und gehe zum Innenminister, der ihn Ende des Jahres wohl genehmigen werde. Damit sei der Kampf aber keineswegs zu Ende, sagt Schmidt. Rund 840 Hektar Vulkaneifel sind heute genehmigte Abbauflächen, 400 Hektar davon noch Reserve. Inzwischen liege aber ein Gutachten vor, dass der Abbau in vielen dieser Flächen nach heutiger Rechtslage nicht mehr genehmigungsfähig sei. Trotzdem werde den Unternehmen erlaubt, die Gruben zu erweitern. Schmidt fragte an: „Wenn sie heute nicht genehmigungsfähig sind, warum darf man sie dann erweitern?“ Er habe noch keine Antwort erhalten.
Viele Gruben gar nicht genehmigungsfähig
Nur ein Etappensieg, sagt Schmidt, auf den die Landschaftsschützer stolz sein könnten. Bei jedem einzelnen Abbauantrag aber müsse nun der Vorrang des Landschaftsschutzes geltend gemacht werden. „Wir brauchen öffentliche Wachsamkeit und behördliche Transparenz.“ Schmidt will auf jeden Fall dabei bleiben. „Mir macht das Spaß. Ich verstehe mich als Staatsbürger. Ich gebe etwas zurück.“ Ein Ministerialbeamter habe ihm einmal vorgeworfen: „Wenn ihr in der Vulkaneifel ein eigenes Konzept für die Rohstoffgewinnung entwickelt, dann hat das ja Auswirkungen auch auf andere Kreise. Da habe ich gesagt: Gut so!“