Prozess um TotschlagStaatsanwaltschaft fordert Freispruch von Högels Vorgesetzten
Oldenburg – Welche Mitschuld tragen ehemalige Kollegen, Ärzte und Klinikleitungen an den Taten des verurteilten Patientenmörders Niels Högel? Seit Februar sucht das Landgericht Oldenburg in einem Prozess gegen sieben ehemalige Vorgesetzte nach Antworten. Dabei hat sich herausgestellt: An den Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst gab es viel Gerede über Högel, das Misstrauen war groß. Dennoch wurde am Mittwoch einmal mehr deutlich, dass die Angeklagten keine Verurteilung befürchten müssen. Selbst die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer Freisprüche.
Einzelne Angeklagten hätten zwar „Schuld auf sich geladen“, sagte Staatsanwältin Gesa Weiß. Es seien massive Fehler gemacht worden. „Auf Verdachtsmomente wurde falsch reagiert“, so Weiß. Dies sei aber „nicht justiziabel“. Bei keinem der Angeklagten sei ein Vorsatz zur Beihilfe zum Totschlag beziehungsweise versuchten Totschlag durch Unterlassen zu erkennen. Angeklagt sind drei Ärzte, zwei leitende Pflegerinnen und ein leitender Pfleger sowie ein Ex-Geschäftsführer. Auch die Verteidigung plädierte am Mittwoch auf Freispruch.
Högel wegen Mord an 85 Patienten verurteilt
Hintergrund des seit Februar laufenden Verfahrens sind die Verbrechen des Ex-Pflegers Högel. Er tötete Patienten, indem er ihnen nicht verordnete Medikamente spritzte. 2019 wurde Högel dafür wegen 85 Morden zu lebenslanger Haft verurteilt. Mit dem Verfahren gegen die Ex-Vorgesetzten will das Gericht klären, ob diese eine Mitverantwortung tragen. Die Plädoyers der Verteidigung werden für Donnerstag erwartet, das Urteil soll am 25. Oktober verkündet werden.
Nach dem Verhandlungstag sagte Weiß, Kollegen und Vorgesetzte am Klinikum Oldenburg hätten Högel zunehmend misstraut, vor allem nach einem Wochenende, an dem besonders viele Patienten reanimiert worden seien. „Infusionen von Patienten wurden ausgetauscht, wenn Högel Dienst hatte“, berichtete sie. Schließlich hätten drei Ärzte die Zusammenarbeit mit Högel verweigert, offiziell wegen Vertrauensbruchs. „Über die wahren Gründe wurde geschwiegen“, sagte Weiß. Tatsächlich hätten sie Högel als „zu gefährlich“ für ihre Patienten angesehen. Einen Tötungsvorsatz hätten aber auch sie mit ihrem Wissen von damals nicht erkennen können, betonte Weiß.
Keine Überraschungen für Urteil erwartet
Am Donnerstag wollte die Verteidigung mit ihren Plädoyers fortfahren. Das Urteil wird in zwei Wochen gesprochen. Für Verfahrensbeobachter wird es keine Überraschung geben: Das Landgericht hatte in einer vorläufigen Einschätzung vor drei Wochen bereits mitgeteilt, die Beweisaufnahme habe ein vorsätzliches Handeln der Angeklagten nicht mit ausreichender Gewissheit belegt.
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Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte, das Strafrecht sei nicht in der Lage, die Verantwortung von Högels Vorgesetzten aufzuarbeiten. „Auch deshalb müssen die Krankenhäuser und der Gesetzgeber auf Prävention setzen. Es braucht eine Kultur des Hinschauens auf allen Ebenen in der Alten- und Krankenpflege.“ (dpa)