In Oldenburg ist ein 21-jähriger Schwarzer tödlich von Polizeikugeln getroffen worden. Viele Fragen sind noch offen.
Tödlicher PolizeieinsatzDrei Schüsse von hinten – Rassismus-Vorwurf in Oldenburg

Oldenburg: Zahlreiche Blumen und Kerzen stehen in der Innenstadt an einer Hauswand in der Achternstraße, in der am frühen Sonntagmorgen (20. April) ein Mensch von Schüssen aus einer Polizeiwaffe tödlich verletzt wurde.
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Nach tödlichen Schüssen auf einen jungen Mann im niedersächsischen Oldenburg ist eine Debatte über Polizeiwillkür und möglichen Rassismus entbrannt. Ein 21-Jähriger war in der Nacht zu Ostersonntag in der Innenstadt von mehreren Kugeln aus einer Polizeiwaffe getroffen worden und gestorben. Zuvor hatte es eine Auseinandersetzung vor einer Diskothek und den Einsatz von Reizgas durch das spätere Todesopfer gegeben.
Nach dem Vorfall wurde ein Verfahren gegen den 27-jährigen Polizeibeamten eingeleitet. Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft Oldenburg in Zusammenarbeit mit der aus Neutralitätsgründen beauftragten Polizeiinspektion Delmenhorst/Oldenburg. Ein solches Vorgehen ist diesen Fällen üblich.
Lorenz wurde von vier Schüssen getroffen
Inzwischen liegt das Obduktionsergebnis des 21-Jährigen vor: Mindestens viermal schoss der Beamte auf den jungen Mann, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Drei Schüsse trafen Lorenz, so wird der Name von Medien angegeben, hinten: an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf. Ein vierter Schuss soll ihn laut Obduktionsergebnis am Oberschenkel gestreift haben.
Dieses Ergebnis wirft Fragen auf: Warum schoss der Beamte von hinten auf Lorenz? Nicht ausgeschlossen sei laut einem Bericht des NDR, dass der 27-Jährige möglicherweise Kolleginnen oder Kollegen schützen wollte. Viele Menschen, so laut NDR auch Freunde des Getöteten, erheben jedoch Rassismus-Vorwürfe gegen die Polizei. Lorenz war schwarz, und es steht der Verdacht des strukturellen Rassismus im Raum.
Freunde und viele andere Bürgerinnen und Bürger fordern eine lückenlose Überprüfung des Vorfalls und erheben den Verdacht, der Schusswaffengebrauch sei möglicherweise nicht verhältnismäßig gewesen. Die Anteilnahme in Oldenburg ist groß. Am Tatort ist ein Meer aus Blumen und Kerzen zu sehen, und für Freitag ist eine Demonstration am Pferdemarkt unter dem Motto „Solidarität für Lorenz“ geplant. Die Stadt geht davon aus, dass es mehr als 1000 Teilnehmende geben wird. Die alleinerziehende Mutter des Getöteten wird laut „taz“ ebenfalls finanziell unterstützt.
Schüsse in Oldenburg: Lorenz wurde an Diskothek abgewiesen
Laut bisherigen Erkenntnissen hatte der junge Mann versucht, eine Diskothek zu betreten, war am „Pablo's“ in der Mottenstraße aber abgewiesen worden. Angeblich gab es einen Streit um seine Jogginghose, der eskalierte. Laut Polizei sprühte Lorenz schließlich einen Reizstoff in Richtung der Security-Mitarbeiter der Bar, was mehrere Menschen leicht verletzt haben soll. Anschließend soll er geflüchtet und von einer Menschengruppe verfolgt worden sein.
Dabei drohte Lorenz laut Polizei den Verfolgern mit einem Messer, die daraufhin von ihm abließen. Inzwischen hatte die Besatzung von mehreren Streifenwagen die Verfolgung durch die Fußgängerzone aufgenommen. Als die Beamten den jungen Mann ansprechen, soll er bedrohlich auf diese zugegangen sein und erneut Reizstoff gesprüht haben. Daraufhin fielen um 2.40 Uhr die tödlichen Schüsse in der Achternstraße.
Drohte 21-Jähriger in Oldenburg tatsächlich mit einem Messer?
Noch unklar ist, ob Lorenz wirklich ein Messer bei sich führte und damit auch tatsächlich Menschen bedrohte. Die Polizei schweigt bisher dazu. Andreas Sagehorn, Präsident der Polizeidirektion Oldenburg, sagte dazu, man werde keine Informationen zum laufenden Verfahren geben, „um die sorgfältige und professionelle Ermittlungsarbeit nicht zu gefährden“. Es würden derzeit Spuren ausgewertet und Zeugenbefragungen vorgenommen.
Sagehorn äußerte zugleich Verständnis für die Betroffenheit vieler Menschen und drückte den Angehörigen und Freunden von Lorenz seine Anteilnahme aus. „Dieser Einsatz und die Tatsache, dass ein junger Mensch ums Leben gekommen ist, machen mich sehr betroffen“, so Sagehorn und versprach eine Aufklärung des Falls.