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Online-BörseBauer sucht Nachfolger im Netz

Lesezeit 8 Minuten

Biobauer Manfred N. ist im Internet auf der Suche nach einem Nachfolger, dem er seinen Hof anvertrauen kann.

Die Lena und der David, "die hätten gepasst", sagt Manfred N. "Mit denen hätten wir auskommen können." Doch dann sei die Lena schwanger geworden und habe nicht so weit entfernt von den Eltern und der Oma leben wollen. "Schade war das", sagt Manfred N. Er stapft voran durch ein Meer aus Gras und Klee und halb verblühtem Löwenzahn. Weißes Hirtentäschelkraut, Vergissmeinnicht und Gänseblümchen blühen am Rande des Feldes. Die Luft riecht nach Mist und feuchter Wiese, nach Kuh und Gras und frischem Morgentau. Es hat viel geregnet in den vergangenen Wochen. Der Salat müsste längst in der Erde sein, die Tomaten sind spät dran, die Winterzwiebeln haben wegen der ständigen Nässe nicht gehalten, was sie versprochen haben.

Manfred N. seufzt. Schlammspritzer sprenkeln seine kanariengelben Gummistiefel. Auf seinem Kopf sitzt eine selbst gestrickte Wollmütze, die Beine stecken in festen blauen Arbeiterhosen. "Irgendwo dahinten ist die Grenze." Er deutet in die Ferne, wo ein dunkles Band aus Büschen und Bäumen seinen Besitz begrenzt.

"Gemischtbetrieb sucht Nachfolger"

Der 61-Jährige ist hier aufgewachsen. Die Großeltern kauften das Land 1939, seit drei Generationen ist der Betrieb, in einem Tal zwischen Pirmasens und Zweibrücken gelegen, in Familienbesitz: 77 Hektar Land, sechs Kühe, zwölf Schweine, 300 Hühner, 300 Apfelbäume. Bis zum nächsten Ort, einem Dorf mit 1500 Einwohnern, sind es knapp zwei, bis zur nächsten Stadt 13 Kilometer. "Wer hier leben will, muss mobil sein", sagt Manfred N. "Und der muss sich ein soziales Netz aufbauen. Sonst ist er aufgeschmissen."

Mehr als ein Dutzend Bewerber aus ganz Deutschland hat der Landwirt getestet, seit er im vergangenen Jahr auf der Internetplattform "hofgründer.de" ein erstes Inserat platzierte: "Gemischtbetrieb sucht Nachfolger". Letzterer soll den Biohof zur Pacht übernehmen und "gleich vier Alte dazu": N.s hochbetagte Eltern, die als Altbauern ein lebenslanges Wohnrecht haben, sowie Manfred N. und Ehefrau Marianne, die nach der Übergabe in ihrer alten Wohnung bleiben möchten. Ein geeigneter Kandidat hat sich bislang nicht gefunden.

Manfred N. ist nicht der Erste, der händeringend Hilfe sucht bei der einzigen bundesweit agierenden Hofbörse für Bauern ohne Nachfolger und Möchtegern-Bauern ohne Hof. Rund zwei Drittel aller Höfe, deren Besitzer älter ist als 45, stehen inzwischen ohne Nachfolger da oder müssen um ihren Fortbestand bangen.

"Heute ist es nicht mehr so selbstverständlich wie früher, dass die Kinder den elterlichen Hof übernehmen", sagt Christian Vieth, Initiator der 2008 gestarteten Internet-Börse. Rund 3000 Kontakte hat der Agrarökonom in den vergangenen fünf Jahren zwischen Bauernhofbesitzern und möglichen Interessenten vermittelt. "Wir sind keine Immobilienbörse", betont Vieth (36). "Unser Ziel ist, dass die Höfe weitergeführt werden und die abgebenden Bauern das Wohnrecht und eine Rente von ihren Nachfolgern erhalten."

"Es ist ein schwieriger Beruf", umreißt Anke Friedrich vom "Deutschen Bauernverband" in Berlin die Nachfolgeproblematik. "Ein Landwirt muss heute ein vielseitiger Manager sein. Er muss eine Vielzahl von Verordnungen und Gesetzen beachten, ein Großteil der Arbeit ist Büroarbeit. Nicht jeder will das." Spätestens seit den 80er, 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gingen viele junge Leute aus Bauernfamilien daher andere Wege.

45 Jahre Landwirt sind genug

Bundesweit sind etwa zwei Drittel aller Höfe, deren Besitzer älter ist als 45 Jahre, ohne Nachfolger. 2010 schätzten die Landwirte die Suche nach einem Hofnachfolger als wesentlich schlechter ein als noch vor zehn Jahren.

In NRW hatte 2010 jeder dritte landwirtschaftliche Betrieb, dessen Betreiber älter ist als 45, einen Hofnachfolger. Von insgesamt 23 107 Höfen war bei 7646 die Nachfolge geregelt, bei 15 461 Betrieben war sie 2010 noch ungeklärt. Eine wichtige Rolle spielt die Größe des Hofes: Bei Betrieben mit einer Größe von mehr als 100 Hektar stand auf etwa jedem zweiten Hof die Nachfolge fest.

In Rheinland-Pfalz sieht es wesentlich dramatischer aus. Hier war 2010 nur bei 17 Prozent der entsprechenden Betriebe die Hofnachfolge geklärt. (P.P)

Manfred N.s Kinder gehören zur ersten Generation, die mit der Familientradition brechen und sich der Hofnachfolge verweigert. Die Töchter, beide über 30, sind verheiratet, die eine mit einem Bauern, die andere mit einem Pfarrer. "Die hätte das Zeug dazu gehabt, den Laden zu managen", sagt Manfred N. Doch die Pfarrei sei zu weit entfernt vom Hof, als dass sich ein Leben als Bäuerin und als Pfarrersfrau miteinander verbinden ließen. Der einzige Sohn wird Finanzbeamter. Ihm, dem 20-jährigen Nachzügler, traue er am wenigsten zu, den elterlichen Betrieb weiterzuführen, konstatiert der Vater ohne Vorwurf. "Dafür hat er andere Gaben."

Enttäuscht? Manfred N. schüttelt den Kopf. "Natürlich wäre es schön, wenn der Hof in der Familie bliebe. Doch ich sehe das so: Ich habe ihn für eine gewisse Zeit anvertraut bekommen. Nun soll ihn jemand weiterführen, der das auch wirklich will. Wenn das die Kinder sind, ist es gut. Wenn das jemand anderes ist, ist es auch gut."

Für Manfred N. war es keine Frage, dass er einmal den Hof des Vaters übernehmen würde - auch wenn die Mutter am liebsten "einen Studierten" aus dem einzigen Sohn gemacht hätte. "Ich wollte nie etwas anderes sein als Bauer. Doch 45 Jahre als Landwirt sind genug. Da kann man schon mal ans Aufhören denken. Schadet ja nichts." Manfred N. stapft durch den Regen zurück Richtung Haus, vorbei am Karpfenteich mit dem selbstgezimmerten Holzsteg, quer über den schlammigen Hof Richtung Stallungen. Ein paar Hühner scharren eifrig in der Erde - "Mistkratzer", sagt Manfred "Die fangen im Sommer im Schweinestall die Insekten weg."

Heute morgen erst hat er zwei Schweine zum Metzger gebracht, um sie dort schlachten zu lassen. Ihr Fleisch wird zu Blut- und Leberwurst und zu Pfälzer Schwartenmagen verarbeitet. Die Produkte verkauft Marianne N. (56) anschließend im hofeigenen Bioladen, einem 40 Quadratmeter großen Raum, der nach Erweiterung schreit. Zwei Holzbänke und ein Tisch stehen davor, feucht und dunkel vom Regen. Neben dem Eingang stapeln sich Obst- und Gemüsekisten. Der Verkauf eigener Bioprodukte - Obst, Gemüse, Fleisch und Eier - ist die Haupteinnahmequelle des Hofes. "Manche Kunden kommen schon in der zweiten Generation, weil sie nicht das Zeug aus dem Supermarkt kaufen wollen", sagt Manfred N.

Hermann N., der alte Vater, hat inzwischen die Hühner rausgelassen. 300 braune Legehennen stürzen ins Freie und picken im kahlgepickten Boden nach etwas Essbarem. 87 ist Hermann N. kürzlich geworden. Zusammen mit Ehefrau Frieda (84) lebt er in der Einliegerwohnung über dem Hofladen - auch er ein Landwirt aus Passion. 17 sei der Vater gewesen, als er mitten im Zweiten Weltkrieg den Hof übernehmen musste, berichtet der Sohn. "Das war für ihn nie ein Diskussionspunkt. Er war sein Leben lang gern Bauer."

Die Eltern täten sich noch etwas schwer mit seiner Entscheidung, den Hof in fremde Hände zu übergeben, sagt Manfred N. "Dann kommen schon mal so Sprüche wie: »Du hast doch acht Enkel. Vielleicht ist ja einer dabei, der den Hof mal übernimmt.« Aber soll ich noch 15, 20 Jahre warten, bis der Erste erwachsen ist?"

Die Suche nach dem Richtigen

Er selber stieg mit 20 ein in den väterlichen Betrieb. 1981 wandelte er ihn um in einen Biohof. "Ich wollte nicht mehr spritzen", erklärt Manfred N. den Ausstieg aus der konventionellen Landwirtschaft. Heute ist er Vorsitzender des Ökoverbandes Bioland in Rheinland-Pfalz und erhielt 2012 das Bundesverdienstkreuz am Bande für seine Verdienste um den ökologischen Landbau.

"Mein größter Wunsch ist, dass der Hof als Bauernhof in seiner jetzigen Struktur erhalten bleibt und weiterentwickelt wird", sagt Manfred N. Geduldig rührt er in einem Topf mit Erbensuppe, der Tisch ist für drei Personen gedeckt. Ehefrau Marianne ist zur Geburtstagsfeier eines Enkels eingeladen und hat vorgekocht. "Natürlich könnte ich das Land verpachten oder verkaufen und die Gebäude sich selbst überlassen lassen. Doch das ist nicht das, was ich will. Der Hof ist ein Stück Lebenswerk, und es wäre schön zu sehen, dass etwas, das man angefangen hat, nicht einfach plattgemacht wird, sondern eine Zukunftsperspektive hat."

Manfred N. weiß, wie Höfe aussehen, die aufgegeben wurden, und das macht ihm Angst. "Soll ich zusehen, wie Gebäude, in denen ich mein Leben lang gearbeitet habe, verfallen? Irgendwann sitzen wir allein hier und sind auf fremde Hilfe angewiesen. Das ist für mich keine Perspektive. "

Fünf Jahre hat Manfred N. für die Suche nach einem geeigneten Nachfolger veranschlagt. Die Hälfte der Bewerber, die sich bislang gemeldet haben, habe er gleich abhaken können, sagt er. Zu jung, zu alt, keine landwirtschaftliche Ausbildung, zu wenig Startkapital. "Das darf nicht im finanziellen Chaos enden. Ich will den Betrieb ja nicht in fünf Jahren wiederhaben." Zu romantisch waren vielleicht auch die Vorstellungen einiger Städter vom Leben auf dem Lande. "Wir leben hier nicht in einem Hochglanzmagazin. Das ist harte Arbeit." Anderen Paaren "waren vier Alte zu viel". Auch dafür hat Manfred N. Verständnis.

Mit den übrigen Möchtegern-Bauern kam er ebenfalls nicht überein. "Muss halt alles zusammenpassen". Das Menschliche und der ganze Rest. So wie bei Lena und David aus dem Sauerland. Wenn nicht diese unselige Debatte um die zu große Entfernung zum mütterlichen Elternhaus dazwischengekommen wäre.

Der Erbseneintopf steht auf dem Tisch. "Otto", brüllt Manfred N. durch das Treppenhaus. Otto (55) ist der einzige Festangestellte auf dem Hof. "Der Hof muss erhalten bleiben", brummt auch er in seine Suppe. "Muss halt passen." Manfred N. nickt. Er kann sich durchaus auch vorstellen, seinen Lebensabend auf den Kanaren zu verbringen. Vor allem an so kalten Frühlingstagen wie dem heutigen.