Nach dem Ampel-Aus soll es bald Neuwahlen geben. Dafür muss Bundeskanzler Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Das könnte noch vor Weihnachten passieren, sagt Scholz am Sonntagabend bei „Caren Miosga“ im Ersten.
Absage an Ukraine-Hilfen „auf Kosten der Zukunft Deutschlands“Scholz positioniert sich bei „Miosga“
Am vergangenen Mittwoch war alles vorbei. Es war etwa 20.40 Uhr, da kam die Eilmeldung: Bundeskanzler Olaf Scholz entlässt Finanzminister Christian Lindner. Noch am selben Abend zogen sich die FDP-Minister aus dem Kabinett zurück, bis auf Verkehrsminister Volker Wissing. Der verkündete am nächsten Tag seinen Austritt aus der FDP und blieb im Amt. Die selbsternannte Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP war Geschichte.
Wie es nun weitergehen soll, will Bundeskanzler Scholz am kommenden Mittwoch im Bundestag verkünden. Dort wird er am Mittag eine Regierungserklärung abgeben. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will, dass Scholz bereits dann die Vertrauensfrage stellt und damit den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimacht. Vorher ist Scholz am Sonntagabend zu Gast bei Caren Miosga in der ARD. Eine Stunde lang steht er der Moderatorin Rede und Antwort. Und Antworten erwartet die Bevölkerung - klare Antworten.
Vertrauensfrage noch vor Weihnachten?
Er wolle zügige Neuwahlen, sagt der Kanzler. Noch am vergangenen Mittwoch hatte er angekündigt, am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Dann hätte es spätestens Ende März Neuwahlen gegeben. Vielen Bürgern ist das zu spät. Laut ARD-Deutschlandtrend wollen 65 Prozent der Bürger Neuwahlen zum frühestmöglichen Zeitpunkt. „Ich bin der gleichen Meinung“, sagt Scholz, fügt dann aber hinzu: „Die Frage ist: Was ist der frühestmögliche Zeitpunkt, den wir gemeinsam wollen?“ Darauf müsse sich das Parlament verständigen. „Ich bin damit einverstanden, wenn sich die Fraktionschefs von SPD und CDU, Herr Mützenich und Herr Merz einigen. Daran werde ich mich orientieren.“
Caren Miosga hakt nach und fragt schließlich, ob Scholz sich vorstellen könne, die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten zu stellen. „Dass ich die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten stelle, wenn das alle gemeinsam so sehen, ist für mich überhaupt kein Problem“, antwortet Scholz: „Ich bin damit einverstanden, dass es so kommt. Ich möchte ja ein neues Mandat, nicht von allen anderen, sondern nur von den Bürgerinnen und Bürgern, durch ein starkes Votum für die SPD.“
Das Ende der Ampel
Er habe drei Jahre lang die Regierung zusammengehalten, so Scholz. „Es war oft über die Grenze dessen, was für mich fast noch zumutbar war.“ Gescheitert sei die Ampel zuletzt an der Ukrainehilfe: „Es gibt nicht viele andere Länder, die sich zutrauen, über 12 Milliarden Euro für die Unterstützung eines Landes, das sich im Krieg befindet, zu erwirtschaften und zu sagen: Das machen wir aus dem Haushalt. Wir haben das mehrfach versucht. Jetzt ist aber der Punkt erreicht, wo es auch nach den Plänen von dem früheren Finanzminister darum gegangen wäre, das zu finanzieren durch Rentenkürzungen, durch Geld, das man den Kommunen wegnimmt, durch Geld, das wir für die Modernisierung unseres Landes brauchen.“ Die Frage sei am Ende gewesen, ob man die Ukraine auf Kosten der Zukunft Deutschlands unterstützen wolle. „Die Antwort ist nein“, sagt Scholz.
Tatsächlich war ein Streitpunkt in der vergangenen Woche, dass Scholz für die Unterstützung der Ukraine eine Notlage ausrufen wollte, um die Schuldenbremse auszusetzen. Das ist in der Verfassung vorgesehen. Immerhin war an diesem 6. November klar geworden: Donald Trump wird erneut US-Präsident. Die Unterstützung der Ukraine durch die USA gilt dadurch nicht mehr als sicher. Doch ist das wirklich eine Notlage? Scholz sah es so, Lindner nicht. Der Finanzminister beharrte auf die Einhaltung der Schuldenbremse. „Ich bin vor die Wahl gestellt worden, entweder meiner Überzeugung zu folgen oder mein Amt zu verlieren“, beschreibt Lindner am Sonntag die Situation auf X. Diese Diskussion hat offenbar den schon lange schwelenden Streit in der Ampel zum Überlaufen gebracht. „Es hat mir gereicht“, sagt Scholz dann auch bei Miosga.
Wie es weitergehen soll
Scholz möchte noch einige Gesetzesvorhaben umsetzen. Dazu braucht er die Union, denn die Bundesregierung hat mit dem Ausscheiden der FDP die Mehrheit im Bundestag verloren. Man habe sich im Parlament auf die Stärkung des Bundesverfassungsgerichts geeinigt. Die Regierungskoalition wolle ein Gesetz beschließen, das Bürgerinnen und Bürger von der kalten Progression entlaste, und das Kindergeld solle auch noch erhöht werden. Fraglich sei jedoch die geplante Rentenreform. Die Bürgerinnen und Bürger müssten Scholz wählen, dann werde sich die Rente nicht verschlechtern, sagt er.
Auch außenpolitisch habe er noch einiges vor. „Ich habe mir vorgenommen, mit dem russischen Präsidenten zur richtigen Zeit zu sprechen“, sagt er. „Wann wäre denn die richtige Zeit“, fragt Miosga. „Demnächst“, antwortet Scholz. Demnächst werde Scholz auch von seiner Partei zum Kanzlerkandidaten gewählt werden. Da ist er sich sicher. Das ist mutig. Denn wirklich sicher kann man sich im Moment in Berlin über gar nichts sein. (tsch)