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Als Linken-Chef über Russland spricht, verdreht Strack-Zimmermann die Augen„Sie strapazieren mich“

Lesezeit 4 Minuten
FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sah ihre Nerven „strapaziert“ von Linken-Chef Jan van Aken. (Bild: WDR/Melanie Grande)

FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sah ihre Nerven „strapaziert“ von Linken-Chef Jan van Aken. (Bild: WDR/Melanie Grande)

Nach dem ersten Zwischenergebnis bei den Friedensverhandlungen für die Ukraine kritisieren Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP und Jan van Aken von den Linken bei Sandra Maischberger im Ersten die Verhandlungen. Uneinig sind sie sich darüber, wie Deutschland sich verteidigen sollte.

Am Dienstag haben sich Russland und die Ukraine auf einen Waffenstillstand im Schwarzen Meer verständigt. Doch die Einigung steht auf tönernen Füßen. Dass Russland sich daran halten wird, ist fraglich. Gleichzeitig wird immer klarer: Die Gefahr für Europa durch den Angriff Russlands auf ein Nato-Mitgliedsland wächst. Seit der Veröffentlichung eines Chats von US-Politikern ist deutlich geworden, dass sich Europa nicht auf die Hilfe der Vereinigten Staaten verlassen kann, falls es dazu käme. Immerhin hatte der US-Außenminister die europäischen Staaten als „Schmarotzer“ bezeichnet.

Wie Europa nun reagieren soll, will Sandra Maischberger am Mittwochabend in der ARD von der Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wissen, die für die FDP im Europaparlament sitzt. Mit von der Partie ist auch Jan van Aken, der Co-Chef der Linken. Die Position der beiden Politiker ist klar. Die FDP-Politikerin lehnte bisher diplomatische Verhandlungen mit Russland ab, weil Russlands Präsident Putin dazu nicht bereit war. Das ist auch dem Linken van Aken bewusst. Dennoch ist er gegen eine deutliche Erhöhung des europäischen Verteidigungshaushalts.

„Das ist keine Verhandlung, sondern das ist: Nehmt euch, was ihr wollt, wir nehmen uns, was wir wollen“, sieht Jan van Aken Trumps und Putins Pläne kritisch. (Bild: WDR/Melanie Grande)

„Das ist keine Verhandlung, sondern das ist: Nehmt euch, was ihr wollt, wir nehmen uns, was wir wollen“, sieht Jan van Aken Trumps und Putins Pläne kritisch. (Bild: WDR/Melanie Grande)

Strack-Zimmermann ist für eine Wiederbewaffnung und für eine europäische Aufrüstung. Das Ziel müsse jedoch sein, irgendwann auch wieder abzurüsten. In einem Punkt sind sich beide Politiker einig: Sie trauen der US-Politik weniger als vor Trump. Der wolle die Welt unter den drei Supermächten USA, Russland und China aufteilen, so van Aken.

„Das ist etwas ganz anderes als das, was wir immer gefordert haben“

Darum beunruhigen Strack-Zimmermann auch die im Moment laufenden Verhandlungen für ein Ende des Ukrainekrieges. Dort würden nur die Unterhändler von Trump und Putin am Verhandlungstisch sitzen, wobei die Administration Russlands deutlich intelligenter, klüger und raffinierter handele: „Es läuft darauf hinaus, dass sich die die Welt schon aufteilen wollen. Und diese Aufteilung betrifft nicht nur die Ukraine, sondern auch unseren europäischen Kontinent, über den beide weggehen. Insofern ist das schon sehr sehr ernst, was da passiert.“

„Es läuft darauf hinaus, dass sich die die Welt schon aufteilen wollen“, mahnt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. (Bild: WDR/Melanie Grande)

„Es läuft darauf hinaus, dass sich die die Welt schon aufteilen wollen“, mahnt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. (Bild: WDR/Melanie Grande)

Van Aken gehörte zu denen, die sich jahrelang für Friedensverhandlungen für die Ukraine eingesetzt haben. Trump verhandelt jetzt. „Aber wie er das macht, ist natürlich überhaupt nicht richtig“, kritisiert der Linken-Chef. Am Dienstag sei keine Waffenruhe im Schwarzen Meer verhandelt worden. „Das ist eine Waffenruhe im Schwarzen Meer, wenn die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden.“ Zudem solle die Waffenruhe nur für dreißig Tage gelten. „Russland würde eine Sanktionsaufhebung bekommen für dreißig Tage Waffenruhe. Das ist keine Verhandlung, sondern das ist: Nehmt euch, was ihr wollt, wir nehmen uns, was wir wollen. Das ist etwas ganz anderes als das, was wir immer gefordert haben.“

Nun muss Europa reagieren. Denn glaubt man Militärexperten, könnte Russland in drei oder vier Jahren militärisch so weit sein, ein Nato-Land anzugreifen. Van Aken glaubt das zwar nicht, doch Strack-Zimmermann weist auf entsprechende Erkenntnisse von Geheimdiensten hin.

Strack-Zimmermann weiß: „Wer hoch fliegt, kann tief fallen“

Unterschiedlicher Ansicht sind die beiden Kontrahenten in der Frage, wieviel Geld Deutschland für seine Verteidigung braucht. Van Aken möchte, dass die Kosten dafür allein aus dem Bundeshaushalt getragen werden. „Sie strapazieren mich gerade sehr“, rollt Strack-Zimmermann die Augen und erklärt, dass es „nicht um die Landesverteidigung“ gehe: „Wir wären nicht in der Lage, die Bundesrepublik selbst zu verteidigen, wie in Europa kein Land in der Lage ist, sich selbst zu schützen.“ Nach dem Ende des Kalten Krieges hätten alle europäischen Länder wichtige Waffensysteme verkauft, veräußert und verschenkt. Europa müsse mehr Geld für die Rüstung in die Hand nehmen, um erst einmal eine Basis zu schaffen. „Das haben wir in den letzten Jahren nicht geschafft.“

Van Aken fordert, Deutschland solle sich bei seinen Ausgaben nur auf die Landesverteidigung konzentrieren. So sei es falsch, dass zum Beispiel die Marine Fregatten benötige, die nur für Auslandseinsätze eingesetzt werden sollten. „Ich lehne diese Auslandseinsätze ab“, so der Linken-Politiker. Strack-Zimmermann nennt ihren Kontrahenten „brutal naiv“ und korrigiert: Fregatten dienten dazu, Handelsschiffe zu schützen, zum Beispiel im Roten Meer. Tatsächlich müssen Handelsschiffe im Moment die Krisenregion in Asien meiden und stattdessen einen Umweg über Südafrika fahren. Das verteuert die Waren, die sie liefern.

Politische Freunde werden die beiden Talk-Gäste sicher nicht werden. Das hatte auch niemand erwartet. Auf eine Frage von Moderatorin Sandra Maischberger gibt van Aken am Ende des Gesprächs denn auch zu, er vermisse die FDP nicht, die bei den Wahlen im Februar die Fünf-Prozent-Hürde klar verfehlt hatte und deswegen im Bundestag nicht mehr vertreten ist. Das werde sich auch wieder ändern, prophezeit Strack-Zimmermann selbstsicher. „Wer hoch fliegt, kann tief fallen“, gibt sie ihrem Gegenüber mit. (tsch)