In Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds“ gab es den „Bärenjuden“ als Rachefigur einer gebeutelten Religion. Die Sky-Serienadaption von Peter Grandls Bestseller „Turmschatten“ schickt Heiner Lauterbach als Senioren-Version in eine deutsche Turmfestung, um sich gegen Nazis zu stemmen.
Bestseller-Verfilmung „Turmschatten“Heiner Lauterbach als cooler jüdischer Senioren-Rächer
Lange hat Autor Peter Grandl an seinem Nachbarn Heiner Lauterbach herumgebaggert. Beide Männer leben am Starnberger See. Er, also Grandl, wolle ein Drehbuch für den deutschen Schauspieler schreiben. Weil die Idee zu Grandls Politthriller Lauterbach reichlich umfangreich und komplex schien, riet er ihm, erst mal einen Roman zu verfassen. Gesagt, getan. Grandl veröffentlichte „Turmschatten“ zunächst auf der Buchplattform Wattpad, eher Kritiker und Verlage positiv auf den Stoff reagierten. 2020 erschien die Geschichte um einen mysteriösen Juden, der in Deutschland einen Turm zur Festung umgebaut hat und sich dort gegen Nazi-Invasoren wehrt, beim Eulenspiegel-Verlag. Der Thriller erhielt gute Kritiken und wurde zum Bestseller. 2022 erwarb der Piper Verlag die Buchrechte an dem Werk. Am Freitag, 15. November, beginnt Sky mit der Ausstrahlung einer sechsteiligen Serienadaption. Und da spielt nun tatsächlich Heiner Lauterbach die Hauptfigur des Ephraim Zamir. Ausgestrahlt wird der Thrillerstoff wöchentlich in Doppelfolgen.
Und so entspinnt sich der Plot: Drei sehr unterschiedliche Neonazis dringen auf Initiative des rechten Strippenziehers Wilhelm Thielen (Michael Roll) in das trutzburghafte, von vielen Sicherheitssystemen beschützte Heim des wohlhabenden Ephraim Zamir ein. Dort finden sie nur dessen Adoptivtochter vor, die dem Angriff zum Opfer fällt. Der blutjunge Thomas (Nico Marischka) kann fliehen, doch zwei erwachsene Nazis, der stumpfe „Steiner“ (Paul Wollin) und der intelligente Karl Rieger (Klaus Steinbacher), werden von Zamir gefangen genommen. Im Internet fordert er eine schnell wachsende Community dazu auf, über das Schicksal der Gefangenen abzustimmen. Sollen sie weiterleben oder durch seine Hand sterben?
Großartige Besetzung
Bald hat sich auch in der physischen Welt eine große Menschenmenge um Zamirs Turm versammelt. Die Polizei versucht, alles unter Kontrolle zu behalten und den Geiselnehmer zur Aufgabe zu bewegen. Ein Fernsehsender unter Redaktionsleiterin Carla Kleinfeld (Désirée Nosbusch) berichtet vom Tatort, lädt aber auch den rechten Politiker Thielen zum Studio-Gespräch ein. Vor Ort bekriegen sich rechte und linke Demonstranten, während im Internet die Entscheidungsgrenze für „Tod“ oder „Leben“ der Geiseln immer näher rückt. Hannu Salonen (“Oktoberfest 1900“) inszenierte die Thriller-Miniserie nach dem Drehbuch von Romanautor Grandl und Christian Limmer.
Interessant wird „Turmschatten“ immer dann, wenn die Vergangenheit der Figuren in kurzen Rückblenden auftaucht, welche die Story komplexer machen und auch die persönlichen und politischen Motive des Ensembles in neuem Licht erscheinen lassen. Nachdem die Adaption eines deutschen Thriller-Bestsellers in der Tat verheißungsvoll beginnt, häufen sich im Verlauf der Handlung doch ein wenig die Klischees. Dennoch: Heiner Lauterbach als cooler jüdischer Senioren-Rächer, der mal wieder großartig ambivalente Klaus Steinbacher (“Tatort: In seinen Augen“) als Nazi mit Hirn oder als Sozialarbeiterin die zart mysteriös Milena Tscharntke, die auch im aktuellen „Tatort: Borowski und das ewige Meer“ eine starke Rolle spielte, machen „Turmschatten“ neben der guten Grundidee interessant genug, um über den ein oder anderen konventionellen Thrillermoment hinwegzusehen. (tsch)