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Bob MarleyEin Leben „auf der Seite der Wahrheit“

Lesezeit 4 Minuten
Eine Musik-Legende: Bob Marley wäre am 6. Februar 80 Jahre alt geworden. (Bild: Universal Music)

Eine Musik-Legende: Bob Marley wäre am 6. Februar 80 Jahre alt geworden. (Bild: Universal Music)

Bob Marley wurde schon zu Lebzeiten zur Legende, doch sein Wirken wird teilweise bis heute falsch gelesen - selbst von seinen Fans. Am 6. Februar wäre die Reggae-Ikone 80 Jahre alt geworden.

Bob Marley wurde 1945 als Robert Nesta Marley im jamaikanischen Nine Miles geboren. Im März 1981, kurz vor seinem Tod in Miami, Florida, nahm er den Namen Berhane Selassie an. (Bild: Universal Music)

Bob Marley wurde 1945 als Robert Nesta Marley im jamaikanischen Nine Miles geboren. Im März 1981, kurz vor seinem Tod in Miami, Florida, nahm er den Namen Berhane Selassie an. (Bild: Universal Music)

Bob Marley, Mitbegründer und ewiger Held des Reggae, ist bis heute eine zentrale Identifikationsfigur für Minderheiten auf der ganzen Welt. (Bild: 2004 Getty Images/Express Newspapers)

Bob Marley, Mitbegründer und ewiger Held des Reggae, ist bis heute eine zentrale Identifikationsfigur für Minderheiten auf der ganzen Welt. (Bild: 2004 Getty Images/Express Newspapers)

Unter Sternenhimmel, bei wohligen Temperaturen, Meeresrauschen und dem sanften Knistern einer etwas zu dick geratenen Zigarette fällt in einer - nennen wir es „sehr entspannten“ Runde - der Name Bob Marley. So manchem zaubert er ein verklärtes Lächeln unter die verengten Augen, der eine säuselt etwas vom „König des Reggae“, ein anderer nimmt zurückgelehnt das Wort vom „friedlichen Rebellen“ in den Mund. Bob Marleys Namen schmücken in etwa so viele Anhängsel wie er Platten veröffentlicht hat. Seine Karriere, die ihn zu einer Legende der Musikgeschichte machte, endete am 11. Mai 1981, als der Rasta-Man aus Jamaika im Alter von nur 36 Jahren einem Krebsleiden erlag. Songs wie „Get Up, Stand Up“ stehen bis heute als manifestiertes Synonym für Gesellschaftskritik. Am 6. Februar wäre Bob Marley 80 Jahre alt geworden.

Der „Mythos Marley“: Bob Marley, der in seiner Musik die Botschaften der Rastafari-Bewegung verbreitete, wurde seinerzeit von vielen Fans als eine Art Messias betrachtet. (Bild: Gary Merrin / Getty Images)

Der „Mythos Marley“: Bob Marley, der in seiner Musik die Botschaften der Rastafari-Bewegung verbreitete, wurde seinerzeit von vielen Fans als eine Art Messias betrachtet. (Bild: Gary Merrin / Getty Images)

Reggae-Ikone Bob Marley eroberte die Welt mit einem Sound, dem immer auch das Versprechen von großer Freiheit innewohnte. Im Bild: Marley in London, 1977. (Bild: Evening Standard / Getty Images)

Reggae-Ikone Bob Marley eroberte die Welt mit einem Sound, dem immer auch das Versprechen von großer Freiheit innewohnte. Im Bild: Marley in London, 1977. (Bild: Evening Standard / Getty Images)

Auch ein Bob Marley hat mal klein angefangen. Mit 17 Jahren zappelte er in abgewetzten und zu kleinen Hosen vor dem Plattenproduzenten Leslie Kong herum, klatschte in die Hände und gab ohne Unterstützung von Instrumenten einen selbst geschriebenen Song zum Besten. Weniger die Tanzeinlagen als seine eindringliche Stimme überzeugten Kong, und so entstand die erste Platte „Judge Not“. Das war 1962 und die jamaikanische Musik der Stunde hieß damals noch Ska. Zwar ließ der Erfolg zunächst auf sich warten (und diese erste Platte wurde wieder eingeschmolzen, da Vinyl damals ein teures Gut war), doch sein späterer Produzent Chris Blackwell glaubte an Marleys besondere Art der Musik, in der sich ein Aufbegehren der schwarzen Bevölkerung, Afrozentrismus und die Ideologie der Rastafari widerspiegelten. Und so kam Marley Anfang der 70-er mit seiner Band The Wailers zum Vertrag mit dem renommierten Plattenlabel Island Records.

Auf der Suche nach dem Reggae-Megastar

Mit seinen Tanzeinlagen konnte er nicht beeindrucken, sehr wohl aber mit seinem Gesang: In den frühen 60-ern nahm die Karriere von Bob Marley Fahrt auf. Das erste Studioalbum, „The Wailing Wailers“, veröffentlichte er mit seiner Band The Wailers 1965. (Bild: Keystone / Getty Images)

Mit seinen Tanzeinlagen konnte er nicht beeindrucken, sehr wohl aber mit seinem Gesang: In den frühen 60-ern nahm die Karriere von Bob Marley Fahrt auf. Das erste Studioalbum, „The Wailing Wailers“, veröffentlichte er mit seiner Band The Wailers 1965. (Bild: Keystone / Getty Images)

No, woman, no cry? Offiziell hat Bob Marley 12 Kinder, viele davon entstanden außerehelich. Inoffizell soll der Musiker sogar 46 Kinder gezeugt haben. (Bild: Maurice Hibberd)

No, woman, no cry? Offiziell hat Bob Marley 12 Kinder, viele davon entstanden außerehelich. Inoffizell soll der Musiker sogar 46 Kinder gezeugt haben. (Bild: Maurice Hibberd)

Ende der 60-er und Anfang der 70-er war Reggae, auch dank einer großen Zahl jamaikanischer Einwanderer im Land, in den britischen Charts angekommen - allerdings oft in nachbearbeiten Versionen, denen der Rohschliff des jamaikanischen Ursprungsmaterial fehlte. Was diese Phase jedoch nicht hervorbrachte: einen veritablen Reggae-Superstar. Die Popularität des Genres war schon wieder am Verfliegen, da entdeckte Chris Blackwell in dem charismatischen Bob Marley doch noch das Potenzial dafür - dem nur noch ein Sound fehlte, der auch das westliche Publikum begeisterte.

„Get Up, Stand Up“, „I Shot The Sheriff“, „No Woman, No Cry“: Im Lauf seiner viel zu kurzen Karriere brachte Bob Marley zahlreiche Reggae-Hits für die Ewigkeit hervor. (Bild: Universal Music)

„Get Up, Stand Up“, „I Shot The Sheriff“, „No Woman, No Cry“: Im Lauf seiner viel zu kurzen Karriere brachte Bob Marley zahlreiche Reggae-Hits für die Ewigkeit hervor. (Bild: Universal Music)

Und so entstand in britischen Tonstudios eine Reggae-Rock-Mischung, die für den Sound aus Jamaika zwar nicht repräsentativ war, aber die Massen im Rest der Welt begeisterte. Zu „No Women, No Cry“ wurde getröstet, zu „Could You Be Loved“ geliebt und zu „Stir It Up“ gekifft. Auch Eric Clapton vergrößerte Bob Marleys Fanschar, als er 1974 „I Shot The Sheriff“ coverte und damit Platz eins der amerikanischen Charts belegte. Die rhythmische Musik der Insel war kommerziell geworden, der Weg für viele nachfolgende Reggaekünstler geebnet. Auch einige von Bob Marleys Kindern, allen voran Ziggy, Damian und Stephen, sind seit vielen Jahren als Reggae-Musiker erfolgreich.

Der „Mythos Marley“

Zu früh gegangen: Bob Marley erlag am 11. Mai 1981 einem Krebsleiden - er wurde nur 36 Jahre alt. (Bild: Evening Standard / Getty Images)

Zu früh gegangen: Bob Marley erlag am 11. Mai 1981 einem Krebsleiden - er wurde nur 36 Jahre alt. (Bild: Evening Standard / Getty Images)

In Interviews bemühte sich Bob Marley immer wieder, seine Gefühle und Ansichten deutlich zu machen. In seinen Liedern vermittelte er die Botschaft von Liebe und Frieden, dem Kampf gegen Rassismus und nicht zu vergessen dem essentiellen „Heilkraut der Völker“ - und wurde genau dabei missverstanden. Er wollte keinen Aufstand anzetteln, wenn er von „burning and looting“, also wörtlich „Niederbrennen und Plündern“ sang, sondern zum „Aufstehen und für sein Recht eintreten“ auffordern. Sein neues Publikum interpretierte gewohnte Begriffe wie „Revolution“ auf seine eigene, oft falsche Art.

Marley sang aus der Sicht der schwarzen Bevölkerung, er war kein Revolutionär, aber er wollte sich aus der „geistigen Sklaverei“ befreien. Viele Weiße dagegen deuteten seine Texte unter anderem als Widerstand gegen Leistungsprinzipien und Materialismus der Gesellschaft. Dazu kam der Schleier des Geheimnisvollen, den Europäer wie Amerikaner um die Reggae-Kultur legten und dadurch die Religiösität der Rastafari sozusagen als „mystischen Zufluchtsort“ ihrer sonst so rationalistisch geprägten Welt ansahen. Bob Marley selbst wurde zunehmend in der Rolle des Propheten gesehen - der „Mythos Marley“.

Aus heutiger Sicht betrachtet, wurde er diesem teilweise tatsächlich gerecht. Zu DDR-Zeiten zweifelte er in weiser Voraussicht nie an einer Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland. Auf seinem „One Love Peace“-Konzert 1978 in Kingston brachte er den damaligen Präsidenten Jamaikas, Michael Manley, und Oppositionsführer Edward Seaga, zwei verfeindete Politiker, immerhin zu einem Handschlag. Marley unterschied nicht zwischen Nationalitäten, sondern zwischen Macht und Ohnmacht. Auf die Frage, für wen er sich Einigkeit wünsche, antwortete er einmal: „Meine Mutter ist Afrikanerin, mein Vater ist Engländer. Wie kann ich da auf der Seite der Schwarzen oder Weißen sein? Ich bin auf der Seite der Einheit. Ich bin auf der Seite der Wahrheit.“ (tsch)