AboAbonnieren

„Unsinn!“CDU-Mann Röttgen gerät bei Lanz mit Nahost-Experte aneinander

Lesezeit 4 Minuten
CDU-Politiker Norbert Röttgen erklärte bei „Markus Lanz“, warum er Israel in einem „moralischen Dilemma“ sieht. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

CDU-Politiker Norbert Röttgen erklärte bei „Markus Lanz“, warum er Israel in einem „moralischen Dilemma“ sieht.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und Publizist Daniel Gerlach waren nicht einer Meinung, als es um die Reaktion Israels auf den 7. Oktober ging.

Am Donnerstag teilte das israelische Militär mit, dass Hamas-Chef Jahja al-Sinwar im Gazastreifen getötet wurde. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wertete Sinwars Tod bereits kurz darauf als „wichtigen Meilenstein“, da der Anführer der Terrorgruppe als einer der Drahtzieher der Massaker vom 7. Oktober 2023 galt. Auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris sah in der Tötung des Hamas-Anführers die Chance auf ein Ende des Krieges in Gaza.

Bei „Markus Lanz“ (ZDF) zeigten sich die Gäste jedoch eher skeptisch. Journalist Paul Ronzheimer erklärte, dass es jetzt zwar die Hoffnung gebe, „die Geiseln freizubekommen“, doch gleichzeitig überwiege auch „die Angst, dass es auch passieren könnte, dass diese Geiseln erschossen werden“.

Ronzheimer machte in dem Zusammenhang deutlich: Der Krieg werde nur dann zu Ende gehen, „wenn die Geiseln freikommen“. Dennoch fragte Moderator Markus Lanz, ob der Tod des Hamas-Chefs ein Wendepunkt im Nahost-Konflikt sein könnte. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen antwortete vorsichtig, dass Israel „mit der Tötung von Sinwar“ zumindest „eines der drei Kriegsziele erreicht“ habe, nämlich die „Ausschaltung der verantwortlichen Führungsebene“.

Daniel Gerlach (links) äußerte seine Hoffnung auf ein Kriegsende in Gaza, während Paul Ronzheimer klarstellte, dass dies nur nach der Geiselbefreiung möglich sei. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Daniel Gerlach (links) äußerte seine Hoffnung auf ein Kriegsende in Gaza, während Paul Ronzheimer klarstellte, dass dies nur nach der Geiselbefreiung möglich sei.

Laut des Politikers gebe es jedoch noch zwei weitere wichtige Kriegsziele - darunter die Geiselbefreiung und die Ausschaltung der Hamas, sodass „von Hamas keine Gefahr für die Sicherheit Israels mehr ausgeht“. In Bezug auf eine mögliche Geiselbefreiung nach dem Tod von al-Sinwar zeigte sich Röttgen skeptisch und sagte, dass er „erhebliche Zweifel habe, ob Hamas überhaupt bereit ist, das Faustpfand der Geiseln aus der Hand zu geben“.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht Israel in einem „moralischen Dilemma“

In dem Zusammenhang machte Paul Ronzheimer deutlich, wie schwer es für Journalisten sei, sich ein Bild von der Lage in Gaza zu machen: „Es ist ein absolutes Unding, dass internationale Journalisten nicht nach Gaza gelassen werden. Dass die Regierung Netanjahu nicht erlaubt, dass wir dort unabhängig recherchieren können.“ Dies sei „seit einem Jahr“ der Fall und „das ist beispiellos, dass ein solch großer Krieg eigentlich ohne internationale Journalisten stattfindet“.

Publizist und Nahost-Experte Daniel Gerlach zeigte sich wenig überrascht und stellte klar: „Ich glaube, wenn internationale Berichterstatter reinkommen und sehen, was dort passiert ist, dann wird das für die internationale Unterstützung dieses Krieges auch noch mal ganz andere Konsequenzen haben.“ Gerlach kritisierte daraufhin die hohen Opferzahlen und die Zerstörung in Gaza, während Paul Ronzheimer daran erinnerte, dass Israel seit dem 7. Oktober um seine Existenz kämpfen müsse.

„Bild“-Vize Paul Ronzheimer kritisierte, dass Journalisten nicht unabhängig aus dem Gazastreifen berichten können. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

„Bild“-Vize Paul Ronzheimer kritisierte, dass Journalisten nicht unabhängig aus dem Gazastreifen berichten können.

Daniel Gerlach konterte jedoch wütend, dass es „nicht die Logik sein“ könne, „eine unbegrenzte Anzahl von Menschen (...) umzubringen“, um „die eigenen Sicherheitsinteressen durchzusetzen“. Paul Ronzheimer konterte prompt, dass man zwar über die Verhältnismäßigkeit reden müsse, man dürfe aber auch nicht vergessen, „dass Israel dauerhaft in der Existenz bedroht ist. Was wäre denn die Alternative gewesen? Hätte man sagen sollen, wir gehen da nicht rein?“

CDU-Politiker Röttgen machte daraufhin deutlich, dass den Krieg in Gaza „ein tragisches Dilemma“ auszeichne. Durch „die Brutalität (...), durch die Inszenierung, durch die mediale Verbreitung“ des Terrorangriffs am 7. Oktober sei „Israel zu etwas gezwungen worden, was Israel niemals vorhatte, zu tun“. Es sei niemals der Plan Israels gewesen, „noch mal in den Gazastreifen zu gehen“. Laut Röttgen sei es eine „Kriegstaktik“ der Hamas, „sich hinter Zivilisten und zivilen Strukturen zu verstecken“. Dadurch komme „Israel unausweichlich in ein moralisches Dilemma“, was der CDU-Mann als den „Kern des teuflischen Planes von Sinwar und Hamas“ bezeichnete.

Norbert Röttgen warnt vor einem „Flächenbrand gefährlichster Art auch für Europa“

Ein Argument, dem Daniel Gerlach nicht zustimmen konnte. Er konterte: „Natürlich war das ein beispielloser Schock für die israelische Gesellschaft und auch für die israelische Regierung, ich habe aber den Eindruck, dass aus Perspektive der israelischen Regierung es sich nicht um ein moralisches Dilemma handelt.“ Die Reaktion sei von Anfang an klar gewesen, „weil man die Bevölkerung von Gaza für verantwortlich hält - nicht Hamas“.

Gerlach wetterte weiter, dass die Haltung sogar „von deutschen Politikern“ wiederholt worden sei. Röttgen konterte mit einem wütenden „Nein“ und sagte: „Das bestreite ich wirklich absolut ausdrücklich!“ Es sei „niemals das palästinensische Volk“ als „Gegner oder Verantwortlicher beschrieben worden“. Denn das, so Röttgen, „wäre auch Unsinn“.

Ähnlich emotional reagierte Röttgen, als Lanz ihn fragte, ob er Sorge vor einem Flächenbrand im Nahen Osten habe. Daraufhin stellte der CDU-Mann klar: „Wenn Israel fällt, wird das Chaos umso größer sein.“ Er mahnte: „Es würde vor allen Dingen Russland sein, das versucht, dann ein solches Chaos auszunutzen.“ Diese Situation könnte laut Röttgen zu einem „Flächenbrand gefährlichster Art auch für Europa“ führen: „Es würde wirklich ein tödliches Chaos ausbrechen - mit geopolitischer Einmischung.“ (tsch)