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Deutscher Drogendealer tönt in Koks-Doku„Jeder macht im Monat ein paar tausend Euro“

Lesezeit 4 Minuten
Koks ist weltweit auf dem Vormarsch - besonders in Europa. Dabei hinterlässt das berauschende, weiße Pulver eine blutrote Spur der Gewalt. (Bild: ZDF / finally-studio)

Koks ist weltweit auf dem Vormarsch - besonders in Europa. Dabei hinterlässt das berauschende, weiße Pulver eine blutrote Spur der Gewalt. (Bild: ZDF / finally-studio)

Die blutrote Spur des weißen Pulvers: Die ZDF-Doku „Die Spur: Inside Kokain - Killer. Kuriere. Konsumenten.“ zeigt, dass der grausame Drogenkrieg in Südamerika längst auch in Europa angekommen ist. Doch die Behörden wirken machtlos - und die Kartelle furchtlos: „Für uns ist das ein Spaziergang.“

Wenn selbst ein erfahrener BKA-Ermittler Angst hat, eine Aussage vor der Kamera zu tätigen, ist klar: Die Sache ist ernst. „Es ist das Niveau an Gewaltbereitschaft, was ein Mensch in der Lage ist, einem anderen anzutun, was einen immer wieder sehr erschreckt“, räumt der anonymisierte Beamte in der dreiteiligen Doku-Serie „Die Spur: Inside Kokain - Killer. Kuriere. Konsumenten.“ (ab sofort in der ZDF-Mediathek und im ZDF am 13. und 20. November, jeweils um 22.45 Uhr) ein. Es sei „sehr aufwühlend zu sehen, dass Menschen vor laufender Kamera zerstückelt werden“.

Der 90-minütige Film von Christopher Stöckle macht deutlich: Der Drogenkrieg in Südamerika, den viele hierzulande nur von Serien wie „Narcos“ kennen, ist längst auch in Deutschland angekommen. Die Netzwerke der mächtigen Kartelle reichen etwa über den Hafen von Hamburg bis in die Nasen des Berliner Partyvolks. „Jedes Gramm, das wir vom Markt nehmen, ist ein gutes Gramm“, betont Werner Turek von Zollkriminalamt, weiß aber auch: „Was viel mehr wehtut, ist, in die Logistik einzudringen.“

Zwar ist Liddy Oechtering, Oberstaatsanwältin Hamburg, die Wucht dieser Herausforderung bewusst (“Es ist unbeschreiblich viel“), doch die Banden in Ecuador und Kolumbien scheinen keinerlei Angst vor einem Rückschlag ihrer Geschäftstätigkeit zu haben. „Für uns ist das ein Spaziergang“, tönt der Cheflogistiker eines Kartells in der Doku. „Wenn Kokain beschlagnahmt wird, ändern wir einfach eine Route. Wenn die Polizei eine Route herausfindet, haben wir fünf andere.“ Verluste selbst von vielen Tonnen des weißen Pulvers werden als normale Gegebenheit des Geschäfts hingenommen.

„Sie knien sich hin, und ...“: Auftragskiller des Kartells packt in ZDF-Doku aus

Wie unerbittlich die Drogenbosse gegen alle vorgehen, die sich ihren Befehlen widersetzen, spiegelt der 90-Minüter schonungslos wider. „Sie knien sich hin, und wir schießen zweimal auf sie“, schildert ein Sicario, also ein Auftragskiller, den Umgang mit „Verrätern“: „Wir zerteilen sie mit einer Kettensäge und graben ein Loch.“ Die Kartelle beuten aus, schüchtern ein, bedrohen, töten, bestechen. „Derjenige, der sich nicht an den Deal hält, der bezahlt mit seinem Leben“, weiß auch ein Koka-Bauer, der zwar die Grundlage des Kokains liefert, aber dafür kaum entlohnt wird.

In Ecuador wird Gewalt längst auf offener Straße ausgetragen. Doch obwohl in der ecuadorianischen Stadt Durán statistisch gesehen jeden Tag ein Mensch getötet wird, gibt es Menschen, die der Drogengewalt und dem korrupten System den Kampf ansagen. Doch Menschen wie César Pena Morán leben gefährlich. Dreimal wurde Sprengstoff in sein Büro geworfen, seine Kollegen haben ihm den Spitznamen „Autobombe“ verpasst. Doch er will das Land zum Guten ändern, sich nicht verstecken - selbst, wenn er mit dem Leben dafür bezahlt: „Wenn ich auf meinen Füßen sterben muss, sterbe ich in Würde.“

Luis Chonillo, Bürgermeister von Durán und Leidensgenosse, zahlt für sein Engagement einen hohen Preis. Seine Familie lebt im Exil. Er bleibt nie länger als 20 Minuten an einem Ort, bewegt sich nur mit Helm, Schutzweste und Leibwächter fort. „Ich habe Albträume. Ich wache bei jedem kleinen Geräusch auf und bin im Alarmzustand“, klagt er - und will trotzdem alles dafür tun, das „soziale Gefüge“ in seiner Heimatstadt wiederherzustellen.

Koks verzehnfacht auf der Reise von Ecuador nach Deutschland seinen Wert

Doch die Strukturen sind komplex, die Öffentlichkeit ist verängstigt - und Politiker und Polizisten werden mit Geld im Zaum gehalten. So floriert der Handel mit Koks, wobei die Droge bei jedem Meter in Richtung Europa und Deutschland an Wert zulegt. Eine Tonne Koks ist vor dem Schmuggel nach Europa drei Millionen US-Dollar wert, in Deutschland bringt sie das Zehnfache ein.

An diesem schmutzigen Geschäft verdienen sich auch die Händler in Europa eine goldene Nase. Ein deutscher Dealer, der in der Dokumentation unter dem Decknamen Tom vor die Kamera tritt, berichtet: „Jeder, der was mit Kokain zu tun hat, macht im Monat ein paar tausend Euro. Es gibt keine Leute, die ganz unten sind.“ Seine Gruppe würde in Berlin mehrere hundert Kilo verkaufen - pro Woche. Und die Lieferung an den Endverbraucher - ob Partygast oder Anwalt - ist denkbar einfach: Bestellt wird via Dark Web oder Telegram, geliefert innerhalb 20 Minuten rund um die Uhr.

Und obwohl in Deutschland 2023 insgesamt 43 Tonnen Kokain sichergestellt wurden, fällt das Fazit der sehenswerten, wie erschütternden Doku-Serie „Die Spur: Inside Kokain - Killer. Kuriere. Konsumenten.“ ernüchternd aus. Beinahe hilflos wirkt die Forderung oder eher der stille Wunsch von Innenministerin Nancy Faeser das Koksproblem schon an der Wurzel zu packen - nämlich an ihrem Ursprung: in Ländern wie Ecuador. (tsch)