Mit Blick auf das Wahlergebnis dürften die Koalitionsverhandlungen jedoch langwierig werden. Bei „maybrit illner spezial“ schockte Grünen-Chef Felix Banaszak mit seiner Sicht auf die möglichen Gespräche mit der Union.
„Ein erpresserisches Potenzial“Grünen-Chef schockt mit Aussage zu möglichen Koalitionsverhandlungen
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Journalistin Eva Quadbeck sah bei „maybrit illner“ eine klare Drohung hinter der Aussage von Grünen-Chef Felix Banaszak zu einer möglichen Kenia-Koalition. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)
Copyright: ZDF/Svea Pietschmann
Die Bundestagswahl ist entschieden. Mit rund 28,5 Prozent ging die CDU/CSU am Sonntagabend als Gewinner hervor. Dahinter landete die AfD mit circa 20,5 Prozent. Während die FDP wohl an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, stand das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) bis Mitternacht noch bei 5,0 Prozent. Eine Zitterpartie, denn bislang herrscht noch keine Gewissheit, ob eine große Koalition - also Schwarz-Rot - möglich sein wird oder ob es auf eine Kenia-Koalition (Schwarz-Rot-Grün) hinausläuft. Maybrit Illner debattierte in einer Spezialsendung mit Gästen wie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, SPD-Politiker Stephan Weil und Grünen-Chef Felix Banaszak über die größten Herausforderungen der Regierungsbildung.
„Die Union kann nicht alleine regieren. (...) Es riecht jetzt nicht so richtig nach einem Sieg, sondern mehr nach einer Niederlage“, stellte Maybrit Illner zu Beginn der Sendung klar. Carsten Linnemann nickte und gab mit ernster Miene zu, dass sich die Union „schon darauf eingestellt“ habe, „mit einem Partner möglichst zu regieren. Ich hoffe, dass es auch einer ist“. Dazu stellte er klar, dass er sich über 30 Prozent für seine Partei gewünscht hätte, denn: „Wir brauchen einen Politikwechsel.“ Eine Steilvorlage für Illner, die kritisch nachhakte: „Wird es einen Politikwechsel geben?“ Journalistin Eva Quadbeck reagierte skeptisch: „Es ist auf jeden Fall ein sehr glanzloser Sieg. Wenn es zwei Partner braucht - das wären dann SPD und Grüne -, dann sehe ich nicht, dass da ein Politikwechsel kommt.“
Eva Quadbeck sieht hinter Aussage von Felix Banaszak „ein erpresserisches Potenzial“
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CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach mit Grünen-Chef Felix Banaszak (rechts) über eine mögliche Kenia-Koalition. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)
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Ebenso niedergeschlagen betrachtete Stephan Weil das Ergebnis der SPD. Er gab in der Sendung offen zu, dass es sich bei 16,5 Prozent um „eine große Niederlage“ und „eine Zäsur“ handle: „Heute haben wir zusammen verloren (...) und Olaf Scholz hat ja auch Verantwortung übernommen.“ Laut Weil werde die SPD nun „vor der eigenen Haustür kehren müssen“: „Wenn man nüchtern ist, dann muss man sagen: Wir haben Anlass, die eigene Programmatik zu überarbeiten. Wir haben Anlass, die eigene Kommunikation zu überarbeiten.“
Ähnlich sah es auch Felix Banaszak, der Parteivorsitzende der Grünen, der mit seiner Partei auf rund 11,8 Prozent kam. „Das war auch alles andere als ein rauschender, berauschender Sieg“, merkte Maybrit Illner an. Banaszak nickte: „Natürlich reicht uns das nicht aus. Wir haben uns jetzt aus dem tiefsten Loch (...) herausgekämpft, aber nicht weit genug nach oben. Nicht so weit, wie wir das wollten.“
Der Grünen-Politiker ergänzte nachdenklich: „Dass wir gerade jetzt auf den letzten Metern, in den letzten Wochen, offensichtlich ja viele Stimmen an die Linken verloren haben, (...) das ist natürlich etwas, das uns auch nachdenklich macht.“ Als Illner wissen wollte, ob Robert Habeck einen Fraktionsposten einnehmen werde, sollte das BSW in den Bundestag kommen, reagierte Banaszak schwammig. Er erklärte, dass die Grünen die Gespräche mit der Union „natürlich führen“ würden, aber „mit dem Wissen, dass ohne sie keine Regierung gebildet werden kann“.
Eine klare Drohung, wie Eva Quadbeck feststellte. Die Journalistin sah hinter Banaszaks Aussage „ein erpresserisches Potenzial“, was sie als völlig „falschen Ansatz“ bezeichnete. Sie warnte: „Der Kompromiss ist so ein bisschen aus der Mode gekommen. Und ich sehe da auch eine strukturelle Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Denn wer nicht mehr zu Kompromissen bereit ist, der wird irgendwann in einer Wirklichkeit aufwachen, die dann ein kompromissloses System ist - und das ist dann Autokratie oder Faschismus.“
Carsten Linnemann: „Wir müssen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“
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Bei „maybrit illner“ unterhielten sich die Gäste über die Ergebnisse der Bundestagswahl. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)
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Mit Blick auf die künftigen Koalitionsverhandlungen sagte Carsten Linnemann selbstbewusst: „Es muss jetzt eine knallharte Prioritätensetzung geben und dann muss man in den Gesprächen darüber reden, wie man das umsetzt.“ Eine Steilvorlage für Maybrit Illner, die wissen wollte, ob die Schuldenbremse nach wie vor stehe. Linnemann reagierte genervt: „Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt hier nicht bei Ihnen irgendwie Koalitionsverhandlungen (...) führen kann.“ Illner konterte prompt: „Das ist doch keine Koalitionsverhandlung! Das ist eine schlichte Frage.“
Während Stephan Weil immer wieder betonte, dass die demokratischen Parteien nun „wirklich aufpassen“ müssen, „dass wir jetzt dieses Vertrauen zurückgewinnen“, zog Linnemann unbeirrt gegen die Ampelparteien vom Leder.
Mit Blick auf den Ukrainekrieg kritisierte er: „Wir haben viel zu wenig gemacht, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas zu sichern. Es muss der Grundsatz gelten: Wir müssen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen. Wir haben selbst (...) zu wenig gemacht. Wir haben es gesagt, sind aber in der Umsetzung blass geblieben. Danach kam die Ampel, ist noch blasser geblieben.“
Ein Vorwurf, den Felix Banaszak nicht unkommentiert ließ: „In den letzten vier Jahren ist mehr für die Landesverteidigung getan worden! (...) Sie können sagen, das reicht nicht aus, aber Sie können nicht sagen, das war jetzt alles noch blasser!“ Der CDU-Generalsekretär schoss daraufhin mit den harschen Worten zurück: „Sie sind mir gerade ins Wort gefallen. Wahlkampf ist jetzt vorbei!“
Felix Banaszak gibt Schuld der Ampel am Erstarken der AfD zu: „Wer das leugnet, der leugnet Realität“
Laut Linnemann warte man jetzt in Europa darauf, „dass Deutschland wieder die Führungsrolle übernimmt. Und das ist das, was die Ampel sträflich in drei Jahren vernachlässigt hat. Und ein Friedrich Merz bereitet sich genau darauf vor“. Dabei ließ Linnemann jedoch außer Acht, dass vor allem die Linke und die AfD bei den 19- bis 29-Jährigen in den Wahlergebnissen ganz weit vorne lag.
Ein fatales Ergebnis, wie Felix Banaszak zugab: „Es ist natürlich offensichtlich so, dass eine Regierung, die derart unbeliebt ist, wie es die Ampel war, auch mit eine Verantwortung am Erstarken der AfD hat. Wer das leugnet, der leugnet Realität. Ich möchte nur umgekehrt, dass die Union einen Hauch Mitverantwortung dafür übernimmt, dass Teile ihrer Rhetorik, dass Teile ihrer inhaltlichen Zuspitzung (...) auch einen Anteil daran hat.“
Er warnte in dem Zusammenhang, dass es „der Mitte dieses Landes“ jetzt gelingen müsse, in den wichtigen Fragen wie Migration und Wirtschaft zu einem Konsens zu kommen, „denn ansonsten werden wir 2029 alle blöd aus der Wäsche gucken. Aber dafür muss auch jeder seine Verantwortung sehen. Ich leugne meine nicht“. (tsch)