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Ein neuer Blick auf den Olympia-Terror von 1972Das sind die Kino-Highlights der Woche

Lesezeit 5 Minuten
„September 5 - The Day Terror Went Life“ erzählt vom Olympia-Terror in München 1972 aus der Sicht einiger amerikanischer Sportjournalisten. (Bild: Constantin Film Verleih GmbH/Jürgen Olczyk)

„September 5 - The Day Terror Went Life“ erzählt vom Olympia-Terror in München 1972 aus der Sicht einiger amerikanischer Sportjournalisten. (Bild: Constantin Film Verleih GmbH/Jürgen Olczyk)

„We Live in Time“, „Veni Vidi Vici“ und „September 5“, ein Golden-Globe-nominierter deutscher Film über den Terroranschlag bei den Olympischen Spielen 1972: Das sind die Kino-Neustarts am 9. Januar.

Die Olympischen Spiele in München 1972 in einem neuen Kinofilm - man kann es sich denken, auch diesmal geht es nicht um den Sport, nicht um Medaillen, sondern erneut um den Terror, der damals die ganze Welt erschütterte. Steven Spielberg nahm sich des sensiblen Themas 2005 in seinem Thriller „München“ an, der für mehrere große Filmpreise nominiert war. Da mag man sich wundern, dass jetzt wieder jemand einen Film über München 1972 gedreht hat. Der Blickwinkel von Tim Fehlbaum in „September 5 - The Day Terror Went Live“ ist allerdings ein ganz anderer als der seines berühmten US-Kollegen.

„September 5“ spielt fast ausschließlich in der Sendezentrale von ABC, wo sehr schnell wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Im Bild: John Magaro als Produzent Geoffrey Mason. (Bild: Constantin Film Verleih GmbH/Jürgen Olczyk)

„September 5“ spielt fast ausschließlich in der Sendezentrale von ABC, wo sehr schnell wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Im Bild: John Magaro als Produzent Geoffrey Mason. (Bild: Constantin Film Verleih GmbH/Jürgen Olczyk)

Außerdem neu im Kino: „We Live in Time“, ein Liebesdrama mit Florence Pugh und Andrew Garfield, und „Veni Vidi Vici“, eine abgründige österreichische Komödie über eine moralisch verkommene Milliardärsfamilie (produziert von Ulrich Seidl).

September 5 - The Day Terror Went Live

Zwischen Tobias (Andrew Garfield) und Almut (Florence Pugh) entwickelt sich eine wunderbar romantische Liebesbeziehung, ehe eine schwerwiegende Krankheitsdiagnose ihr Leben auf den Kopf stellt. (Bild: Studiocanal)

Zwischen Tobias (Andrew Garfield) und Almut (Florence Pugh) entwickelt sich eine wunderbar romantische Liebesbeziehung, ehe eine schwerwiegende Krankheitsdiagnose ihr Leben auf den Kopf stellt. (Bild: Studiocanal)

Am 5. September 1972 überfielen Mitglieder der palästinensischen Terrorgruppe „Schwarzer September“ das Quartier der israelischen Mannschaft im olympischen Dorf in München. Elf Israelis wurden bei dem Terrorakt ermordet. Steven Spielberg erzählte in „München“ viel zu den Hintergründen sowie dazu, wie der Geheimdienst Mossad auf den Anschlag reagierte. Der Regisseur und Autor Tim Fehlbaum hingegen fokussiert sich viel stärker auf die konkreten Ereignisse des 5. Septembers, bearbeitet diese aber konsequent aus Sicht einiger amerikanischer Sportjournalisten.

Ein Team des US-Senders ABC ist in München einquartiert, um von dort aus von den Spielen zu berichten. Eine aufregende Sache, schließlich sind die Olympischen Spiele 1972 die ersten, die live via Satellit in die ganze Welt übertragen werden. Die ABC-Crew ist in Hörweite, als es zum ersten Mal knallt. Waren das Schüsse? Was passiert hier? Helle Aufregung unter den Reportern, ein paar hektische Telefonate, dann Gewissheit: Das ist ein Anschlag. „Es gibt eine Geiselnahme. In diesem Moment. Im olympischen Dorf.“

Spannende Besetzung: Neben Florence Pugh spielt „Spider-Man“-Star Andrew Garfield die zweite Hauptrolle im Liebesdrama „We Live in Time“. (Bild: Studiocanal/Peter Mountain)

Spannende Besetzung: Neben Florence Pugh spielt „Spider-Man“-Star Andrew Garfield die zweite Hauptrolle im Liebesdrama „We Live in Time“. (Bild: Studiocanal/Peter Mountain)

Von der Stadt München selbst sieht man fast nichts, der ganze Film spielt sich hauptsächlich in den Räumlichkeiten ab, von denen aus das ABC-Team die Geschehnisse verfolgt. Fehlbaum erzählt quasi in Echtzeit, wie die Journalisten die chaotische Situation erfassen und wie sie dann damit umgehen. Dabei geht es letztlich auch um Fragen der Medienethik, die 1972 noch relativ neu waren, aber bis heute aktuell sind. Schwierige Entscheidungen müssen getroffen werden, sowohl in der ABC-Zentrale in Amerika als auch im Olympiadorf, und zwar schnell. Sollen die Sportreporter vor Ort dranbleiben oder ist das etwas für „richtige“ Journalisten? Soll man alles live und ungefiltert in die Welt senden, wie es passiert? Was, wenn die Kameras einfangen, wie jemand erschossen wird?

Der Schweizer Tim Fehlbaum inszenierte seinen Film nach einem Drehbuch, das er selbst mit Moritz Binder erarbeitete. Die Hauptrollen in der deutschen Produktion, die in Venedig uraufgeführt wurde, spielen John Magaro, Ben Chaplin, Leonie Benesch, Rony Herman und Peter Sarsgaard. Bei den kürzlich verliehenen Golden Globes war „September 5 - The Day Terror Went Live“ in der Kategorie „Bester Film - Drama“ nominiert.

We Live in Time

„Ich komme mit allem durch“: Amon Maynard (Laurence Rupp, Mitte) hält sich für unantastbar. (Bild: Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion)

„Ich komme mit allem durch“: Amon Maynard (Laurence Rupp, Mitte) hält sich für unantastbar. (Bild: Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion)

Liebe ist schön, Krankheit ist schlimm, und wenn beides im Film zusammenkommt, wird's in der Regel herzzerreißend dramatisch. Allerdings laufen solche Produktionen viel zu oft auf vorhersehbares, seichtes und letztlich banales Carpe-Diem-Allerlei hinaus. Dass es auch anders geht - origineller, anspruchsvoller, weniger kitschig -, möchte Regisseur John Crowley jetzt mit „We Live in Time“ (Drehbuch: Nick Payne) zeigen.

„Veni Vidi Vici“ handelt von einer Milliardärsfamilie, die den Bezug zur Realität verloren hat - und damit jede Moral. Produziert wurde die bizarre Komödie von Ulrich Seidl (“Im Keller“, „Safari“). (Bild: Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion)

„Veni Vidi Vici“ handelt von einer Milliardärsfamilie, die den Bezug zur Realität verloren hat - und damit jede Moral. Produziert wurde die bizarre Komödie von Ulrich Seidl (“Im Keller“, „Safari“). (Bild: Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion)

Was zuerst aufhorchen lässt, ist die Besetzung: Florence Pugh und Andrew Garfield spielen die Hauptrollen in „We Live in Time“. Pugh, 2020 für einen Oscar nominiert (“Little Women“), gehörte in den letzten Jahren zu den angesagtesten Schauspielerinnen in Hollywood und hat schon mehrfach in komplizierten Rollen ihr Können gezeigt. Bei Garfield hingegen denken nach wie vor die meisten Menschen zuerst an Spider-Man. Aber auch Garfield kann mehr, das bewies er zuletzt unter anderem mit dem Musical „Tick, Tick ... Boom!“, das ihm ebenfalls eine Oscar-Nominierung bescherte.

Jetzt sind Pugh und Garfield als Almut und Tobias zu sehen, ein Pärchen, dessen Beziehung nach romantischen Anfängen durch eine schwere Krankheit auf die Probe gestellt wird. Wie die Sache wohl ausgehen wird, ist in dem Fall lange nicht zu durchschauen. Auch deshalb, weil Regisseur John Crowley (zuletzt drehte er unter anderem eine Folge der Sci-Fi-Serie „Black Mirror“) die Ereignisse nicht chronologisch abarbeitet, sondern stattdessen verschiedene Momente im Leben von Almut und Tobias bunt durcheinander mischt. Ein kunstvolles Liebesdrama-Puzzle, das sich Teilchen für Teilchen zusammensetzt. Sowohl Crowleys feinfühlige Inszenierung als auch die Darbietungen von Pugh und Garfield ernteten in den Vorab-Kritiken viel Lob.

Veni Vidi Vici

Für die Work-Life-Balance regelmäßig ins Grüne - es ist einem jeden Menschen dringend dazu zu raten, und Amon Maynard (Laurence Rupp) hält sich besonders brav daran. Muss er auch. „Was Mozart für die Musik war, ist Amon Maynard für das Geld“, wird der milliardenschwere Unternehmer in der österreichischen Komödie „Veni Vidi Vici“ vorgestellt. So viel Reichtum, das bedeutet eine Menge Stress und Arbeit. Um abzuschalten, geht Amon immer wieder zum Jagen in den Wald. Und dort findet man dann hinterher auch immer wieder tote Menschen.

Leichen über Leichen, immer wieder Unschuldige. Die Polizei ist dran, sammelt rund um die Familie Maynard (Ursina Lardi spielt Amons Ehefrau Viktoria) einen Beweis nach dem anderen auf. Ein älterer Jäger meint sogar, Amon auf frischer Tat ertappt zu haben. Aber für eine Festnahme scheint das alles irgendwie doch nicht zu reichen. Und Amon selbst, der sich als super-reich auch für super-unantastbar hält, kann nur lachen. „Ich kann alles tun. Ich komme mit allem durch.“

Mord als Hobby, und das in Form einer Komödie im Wiener-Walzer-Takt? Was für eine Art Komik das wohl sein mag, erahnt man vielleicht, wenn man das Personal hinter dem Film kennt. Produziert wurde „Veni Vidi Vici“ von Ulrich Seidl - der ist als Filmemacher durchaus umstritten, gilt nach bizarren Pseudo-Dokumentationen wie „Im Keller“ oder „Safari“ aber zweifelsohne als Spezialist für Perversion und Exzentrik. Inszeniert wurde „Veni Vidi Vici“ von Daniel Hoesl und Julia Niemann, die jetzt also gemeinsam mit Seidl in einen schwindelerregenden menschlichen Abgrund schauen. (tsch)