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Ein schöneres Ich? Das sind die Kino-Highlights der Woche

Lesezeit 5 Minuten
„A Different Man“ mit Sebastian Stan setzt sich radikal und schwarzhumorig mit der Verknüpfung von Schönheit, Identität und Glück auseinander. (Bild: Universal Pictures)

„A Different Man“ mit Sebastian Stan setzt sich radikal und schwarzhumorig mit der Verknüpfung von Schönheit, Identität und Glück auseinander. (Bild: Universal Pictures)

„The Outrun“, „13 Steps - Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses“ und „A Different Man“, ein schwarzhumoriger Psychothriller über einen Schauspieler, der an Neurofibromatose leidet: Das sind die Kino-Neustarts am 5. Dezember.

Große, klobige Geschwülste überall, und von den Augen bis zum Kinn sitzt nichts wirklich dort, wo es sitzen soll: Edward (Sebastian Stan) ist todunglücklich, wenn er in den Spiegel blickt. „Deformiert“, „entstellt“, vielleicht auch „grässlich“, das wären wohl einige der Umschreibungen, die einem bei Edwards Anblick zu Beginn des Films „A Different Man“ einfielen. Und damit wäre man Regisseur und Autor Aaron Schimberg womöglich schon in die Falle gegangen.

Das Leben von Edward alias Guy (Sebastian Stan, rechts) scheint sich zum Guten zu wenden, bis plötzlich Oswald (Adam Pearson) auftaucht. (Bild: Universal Pictures/Faces Off LLC)

Das Leben von Edward alias Guy (Sebastian Stan, rechts) scheint sich zum Guten zu wenden, bis plötzlich Oswald (Adam Pearson) auftaucht. (Bild: Universal Pictures/Faces Off LLC)

Außerdem neu auf der Leinwand: das Alkoholiker-Drama „The Outrun“ mit Saoirse Ronan in der Hauptrolle sowie die hochwertige Sportler-Doku „13 Steps - Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses“.

A Different Man

Saoirse Ronan verkörpert in „The Outrun“ Rona, die versucht, ihrem alten Leben (und ihrer Alkoholsucht) zu entkommen. (Bild: Studiocanal/The Outrun Ltd.)

Saoirse Ronan verkörpert in „The Outrun“ Rona, die versucht, ihrem alten Leben (und ihrer Alkoholsucht) zu entkommen. (Bild: Studiocanal/The Outrun Ltd.)

Edward, der tragische Held dieser Geschichte, ist ein aufstrebender New Yorker Schauspieler, aber etwas steht ihm vermeintlich im Weg: Er leidet unter Neurofibromatose. Die Erbkrankheit geht unter anderem mit der Ausbildung von Tumoren einher - sogenannte Neurofibromen, die niemand übersehen kann. Trotz gewisser Risiken entschließt Edward sich zu einer experimentellen Behandlung, die ihm endlich zu seinem erwünschten Traumgesicht verhilft. Aber glücklich wird er damit nicht.

Aaron Schimberg (“Chained for Life“) setzt sich in seinem Film „A Different Man“ auf eine Art mit der Verknüpfung von Schönheit, Identität und Glück auseinander, die radikal herausfordert und viele Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Kopf stoßen könnte. Gleichzeitig zeichnet sich sein Mix aus Psychothriller und Doppelgänger-Groteske auch durch seinen bitterbösen schwarzen Humor aus. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, wie Edwards Leben nach dem Eingriff verläuft.

Der Protagonist legt sich, ausgestattet mit einem neuen, „schönen“ Gesicht, eine neue Identität als Guy Moratz zu und streut das Gerücht, Edward habe sich umgebracht. Dann aber taucht ein gewisser Oswald (verkörpert von Adam Pearson, der wirklich an Neurofibromatose leidet) auf. Dieser Oswald sprüht vor Charisma und lebt plötzlich das Leben, das sich Edward vor seiner Behandlung nie zugetraut hätte. So wie die Klumpen zuvor aus seinem Gesicht fielen, so zerfällt auf einmal auch Edwards neues Leben in seine Einzelteile.

Nach der Premiere beim Sundance Film Festival war „A Different Man“ unter anderem auch im Hauptwettbewerb der Berlinale 2024 zu sehen. Sebastian Stan, dem einige Kritiker die beste Vorstellung seiner bisherigen Karriere bescheinigten, wurde in Berlin mit dem Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet.

The Outrun

„13 Steps - Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses“ erzählt von einer beeindruckenden Sportler-Laufbahn, die bis heute inspiriert. (Bild: Majestic/Broadway Pictures/Edwin Moses)

„13 Steps - Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses“ erzählt von einer beeindruckenden Sportler-Laufbahn, die bis heute inspiriert. (Bild: Majestic/Broadway Pictures/Edwin Moses)

Und, wie ist das Leben in Orkney? Rona könnte viel erzählen, zum Beispiel von den Schafen auf der Insel oder ihrem neuen Job als Vogelschützerin. Stattdessen spricht sie von „Erschütterungen“ und einem ominösen „tiefen Grollen“, das die „gesamte Insel und jede Faser deines Körpers“ erfasst. Dazu passen auch die Bilder, die man immer wieder sieht: gewaltige Wellen, die auf die Küste schlagen, und loderndes Feuer. In diesen Details wird deutlich, welche elementaren Kräfte in Rona (Saoirse Ronan) wirken. In „The Outrun“ versucht die junge Frau, ihrem alten Leben zu entkommen - und vor allem ihrer Alkoholsucht.

In „13 Steps“ kommt neben weiteren Prominenten auch der Protagonist Edwin Moses selbst zu Wort. (Bild: Majestic/Broadway Pictures/Johannes Imdahl)

In „13 Steps“ kommt neben weiteren Prominenten auch der Protagonist Edwin Moses selbst zu Wort. (Bild: Majestic/Broadway Pictures/Johannes Imdahl)

„Du denkst, es geht dir gut. Doch plötzlich willst du nichts sehnlicher als einen Drink.“ - Um aus diesem teuflischen Kreislauf auszubrechen, beschließt Rona, ihr Leben in London zumindest zeitweise hinter sich zu lassen und auf die schottischen Orkney-Inseln zurückzukehren, den Ort ihrer Kindheit. Sie zieht wieder bei ihrer strenggläubigen Mutter ein. Der Vater, ein Schäfer mit bipolarer Störung, ist auch noch da. Die frische Luft an der schottischen Küste hilft Rona. Aber wird es ihr wirklich gelingen, sich in Orkney mit all seinen eigenen „Erschütterungen“ neu zu finden?

„The Outrun“ basiert auf den Memoiren der schottischen Autorin Amy Liptrot, die wirklich in Orkney aufwuchs und gemeinsam mit Regisseurin Nora Fingscheidt (“Systemsprenger“) auch das Drehbuch zum Film erarbeitete. Neben Hauptdarstellerin Saoirse Ronan, die bei Festival-Aufführungen von „The Outrun“ viel Lob erntete, gehören unter anderem auch Paapa Essiedu, Saskia Reeves und „Game of Thrones“-Star Stephen Dillane zur Besetzung des hochkarätigen Dramas.

13 Steps - Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses

Jeweils genau 13 Schritte zwischen den einzelnen Hürden - das soll die optimale Lauftechnik beim Hürdenlauf sein. Für Edwin Moses jedenfalls hat es genauso perfekt funktioniert und das über einen atemberaubend langen Zeitraum hinweg. Von 1977 bis 1987 blieb der US-amerikanische Ausnahmeathlet ungeschlagen in seiner Paradedisziplin über 400 Meter. 122 Rennsiege in Folge mit zahlreichen Rekorden und Titelgewinnen. Aber in „13 Steps - Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses“ geht es um viel mehr als nur sportlichen Erfolg.

Edwin Moses, 1955 in Ohio geboren, setzte sich schon während seiner aktiven Zeit immer wieder für Belange jenseits der eigentlichen Wettkämpfe ein. Für strengere Dopingkontrollen zum Beispiel und eine bessere Bezahlung der Athleten. Edwin Moses, ein „Vorbild“ in Sachen Fairness und Integrität - auch davon erzählt diese ambitionierte Kino-Dokumentation, in der neben dem inzwischen 69-jährigen Moses selbst unter anderem Samuel L. Jackson, Spike Lee und Michael Johnson zu Wort kommen. Zwischendurch werden Moses' Leistungen auf der Rennbahn auch immer wieder mit größeren historischen und gesellschaftlichen Ereignissen verknüpft.

Mit „13 Steps“ erwartet das Publikum ein spannender, vielschichtiger Blick auf eine herausragende Leichtathletik-Karriere, der nicht zuletzt auch aufgrund des Personals im Hintergrund große Erwartungen weckt. Michael Wech, der unter anderem auch die großformatigen Sportler-Porträts „Schumacher“ und „Boris Becker - Der Spieler“ drehte, führte Regie. Als Produzent wirkte zudem Leopold Hoesch (“Nowitzki. Der perfekte Wurf“, „Kroos“, „Klitschko - Der härteste Kampf“) an der Umsetzung mit. (tsch)