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„Es wird jedes Jahr schlimmer“ZDF-Doku zeigt, wie sehr der deutsche Mittelstand leidet

Lesezeit 4 Minuten
Claus Trilling, Geschäftsführer eines Autohauses, ließ sich bereits 2023 vom ZDF-Kamerateam begleiten. (Bild: ZDF/Susanne Dobler)

Claus Trilling, Geschäftsführer eines Autohauses, ließ sich bereits 2023 vom ZDF-Kamerateam begleiten. (Bild: ZDF/Susanne Dobler)

Bereits im Sommer 2023 dokumentierte ein ZDF-Mehrteiler, wie sehr der deutsche Mittelstand zu kämpfen hat. Ein erneuter Besuch bei den „Malochern“ im Gewerbegebiet Rheinbach bei Köln zeigt nun: Gebessert hat sich seither kaum etwas - ganz im Gegenteil.

Sie hielten das Land verlässlich am Laufen und waren - auch in Corona-Zeiten - das stabile Rückgrat der Wirtschaft: Unternehmer und Angestellte des deutschen Mittelstands. Wie trotzen sie den steigenden Energiepreisen, den Lieferengpässen, dem Personalmangel und der Inflation? Bereits im Sommer 2023 schilderte die ZDFinfo-Reihe „Die Malocher - Auftragsboom und Abstiegsangst“ Schicksale und versuchte, Antworten zu geben.

Nun kommen die Protagonisten erneut zu Wort. Positives hat auch mehr als ein Jahr später kaum einer der „Malocher“ im Gewerbegebiet Rheinbach bei Köln zu berichten. „Ich war noch nie so ratlos, wo die Reise hingeht“, sagt etwa Claus Trilling. Schon im ersten Teil der Doku-Reihe zeigte sich der Geschäftsführer eines Autohauses verzweifelt über die niedrigen Verkaufszahlen.

Gebessert habe sich die Lage seither kaum - auch, weil die Menschen verunsichert seien, erklärt der 58-Jährige. „Keiner weiß, was er kaufen soll, wenn er denn was kaufen soll. Elektrisch oder nicht elektrisch? Es herrscht so ein bisschen das Gefühl: Egal was man kauft, man kauft das Falsche.“ Wenn die potenziellen Käuferinnen und Käufern dann auch noch die horrende Monatsrate für ein E-Auto erführen, „dann braucht man einen Defibrillator und ein Sauerstoffzelt“, klagt Trilling.

„Azubis zu kriegen, ist schwer, gute Azubis zu kriegen, ist fast unmöglich“

„Ich war noch nie so ratlos, wo die Reise hingeht“, sagt Claus Trilling. (Bild: ZDF/Susanne Dobler)

„Ich war noch nie so ratlos, wo die Reise hingeht“, sagt Claus Trilling. (Bild: ZDF/Susanne Dobler)

Auch der Nachwuchs macht dem Autohändler zu schaffen. Er sagt: „Azubis zu kriegen, ist schwer, gute Azubis zu kriegen, ist fast unmöglich.“ Jugendliche seien zu sehr auf ihre Smartphones und die sozialen Medien fixiert; Arbeitseifer sei ihnen fremd. Trilling ärgert sich: „Es fehlt Ehrgeiz, es fehlt Wille, es fehlt Zielstrebigkeit, und es wird jedes Jahr schlimmer.“

Unzufriedenheit herrscht auch bei Giorgio und Francesco Tartero. Zwar läuft die Pasta-Manufaktur der Brüder nach wie vor gut. Mehr Unterstützung vom Staat wünschen sich die vor Jahrzehnten aus Italien eingewanderten Geschäftsmänner dennoch: „Die letzte Legislaturperiode war für uns die schlimmste, seit wir hier in Deutschland sind“, berichten sie. „Man steht da ohne Finanzierungen, hat nur Sorgen, null Hilfe.“

Dass ein Regierungswechsel die Situation verbessern könnte, glaubt Imad Zeroual nicht. Er ist als Produktionsleiter im Unternehmen der Tartero-Brüder tätig und sorgt sich zunehmend um die Möglichkeit, neues Personal zu gewinnen: „Die meisten Leute kommen aus dem Ausland - aber jetzt mit einer neuen Regierung, die wollen ja blockieren, dass Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Nur Fachleute sollen kommen. Bei uns in der Produktion brauchen wir aber keine Fachleute. Wir brauchen nur normale Mitarbeiter.“

„Wen willst du denn da noch wählen?“

Lobende Worte richtet im Film keiner der „Malocher“ an den Staat. „Ich fühle mich als mittelständischer Unternehmer in der Tat komplett geschröpft von der Regierung“, sagt Gastronom Christopher Noden. Auch Obstbau-Unternehmer Alexander Krings stöhnt mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl: „Schlimmer als jetzt kann es ja gar nicht mehr kommen. Ich hoffe, dass alles über den Haufen geschmissen wird, weil das, was wir jetzt haben, muss auf jeden Fall neu durchdacht werden. Es muss alles neu aufgestellt werden.“

Einer, der nicht mehr malocht, ist Helmut Schwarz. Der Rentner hält sich häufig in der Tankstelle im Rheinbacher Gewerbegebiet auf. Dort trinkt er Kaffee, liest Zeitung - und schüttelt den Kopf über das, was er dort liest: „Die Demokratie in Deutschland lässt zu wünschen übrig, würde ich sagen. Die Grünen machen Zicken, die SPD weiß nicht mehr, wie sie sich wehren soll. Die CDU und die CSU sind untereinander zerstritten. Wen willst du denn da noch wählen? Und die beiden anderen Verrückten, die machen sich da einen Dicken draus, die AfD und die Wagenknecht.“

Sorgen um die Zukunft mache sich Helmut Schwarz durchaus, sagt er, wenn auch nicht um sich selbst: „Ich habe das Ding hinter mir. Aber ich habe auch Kinder und Enkelkinder, denen soll es ja auch ein bisschen vernünftig gehen. Wenn es so weitergeht, wird es noch schlimm für die. Sehr schlimm.“

„Die Malocher - Wirtschaftskrise vor Ort“ ist in der ZDF-Mediathek zu sehen und am Donnerstag, 13. Februar, 1.45 Uhr, im ZDF. (tsch)