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Gibt es den fürsorglichen Big Brother?So realistisch ist die KI-Serie „Concordia“

Lesezeit 3 Minuten
Sie sollen herausfinden, wie in Concordia - durch totale KI-Überwachung die sicherste Stadt der Welt - ein Mord passieren konnte: Sicherheits-Offizier Noah (Steven Sowah), Stadtgründerin Juliane Ericksen (Christiane Paul, zweite von links), Ermittlerin Thea (Ruth Bradley) und Concordia-Mitarbeiterin Isabelle Larsson (Nanna Blondell, rechts).  (Bild: ZDF und Fabio Lovino / Intaglio Films GmbH.)

Sie sollen herausfinden, wie in Concordia - durch totale KI-Überwachung die sicherste Stadt der Welt - ein Mord passieren konnte: Sicherheits-Offizier Noah (Steven Sowah), Stadtgründerin Juliane Ericksen (Christiane Paul, zweite von links), Ermittlerin Thea (Ruth Bradley) und Concordia-Mitarbeiterin Isabelle Larsson (Nanna Blondell, rechts). (Bild: ZDF und Fabio Lovino / Intaglio Films GmbH.)

Die ZDF-Serie „Concordia“ erzählt von einer Modellstadt, in der Verbrechen ausgestorben sind - weil sich alle Bewohner lückenlos überwachen lassen. Doch nach 20 friedlichen Jahren geschieht ein Mord.

Vor 20 Jahren hat sie Concordia gegründet: Juliane Ericksen (Christiane Paul). Nun soll ihr Konzept nach Deutschland exportiert werden. Doch dann passiert ein Mord, der alles gefährdet. (Bild: ZDF und Fabio Lovino / Intaglio Films GmbH)

Vor 20 Jahren hat sie Concordia gegründet: Juliane Ericksen (Christiane Paul). Nun soll ihr Konzept nach Deutschland exportiert werden. Doch dann passiert ein Mord, der alles gefährdet. (Bild: ZDF und Fabio Lovino / Intaglio Films GmbH)

Thea Ryan (Ruth Bradley, rechts) ist aus Großbritannien angereist, um den Mord in Concordia zu untersuchen. Isabelle Larsson (Nanna Blondell), die Concordia gut kennt, soll sie unterstützen. (Bild: ZDF und Intaglio Films GmbH)

Thea Ryan (Ruth Bradley, rechts) ist aus Großbritannien angereist, um den Mord in Concordia zu untersuchen. Isabelle Larsson (Nanna Blondell), die Concordia gut kennt, soll sie unterstützen. (Bild: ZDF und Intaglio Films GmbH)

Wie wäre es, wenn wir unser gesamtes Leben von einer KI überwachen ließen - per Kamera, Tonaufzeichnung und Körperdaten-Erfassung? Niemand könnte sich mehr leisten, ein Verbrachen zu begehen. Aber wäre dies nicht der totale Überwachungsstaat? Natürlich wäre er das. In der sechsteiligen ZDF-Serie „Concordia“ (ab 14. September in der Mediathek, am 20. und 21. Oktober im linearen Programm) ist die freiwillige Hingabe an den digitalen Big Brother jedoch Teil des revolutionären Konzeptes von Stadtgründerin Juliane Ericksen (Christiane Paul).

So viel schwedische Gemütlichkeit - und die totale Überwachung: Ermittlerin Thea Ryan (Ruth Bradley) ist in Concordia angekommen. (Bild: ZDF und Stefano Delìa / Intaglio Films GmbH)

So viel schwedische Gemütlichkeit - und die totale Überwachung: Ermittlerin Thea Ryan (Ruth Bradley) ist in Concordia angekommen. (Bild: ZDF und Stefano Delìa / Intaglio Films GmbH)

Irgendwo in Schweden haben sich Menschen in einer Stadt zusammengefunden und in diesen „Deal“ eingewilligt. Zu Beginn einer jeden Folge sieht man wie in einem Werbevideo kurze Interviewschnipsel mit den bunt-diversen Concordia-Bewohnern, die das Konzept über alles loben: die Sicherheit und der Frieden des Zusammenlebens - oder auch die Möglichkeit, durch massive Datenerhebung Krankheiten und andere individuelle Probleme schon im Vorfeld zu erkennen und zu behandeln.

Datenschutz-Aktivist Leon (Jonas Nay) ist kein Freund von Concordia. (Bild: ZDF und Tobias Schult)

Datenschutz-Aktivist Leon (Jonas Nay) ist kein Freund von Concordia. (Bild: ZDF und Tobias Schult)

20 Jahre existiert das Konzept Concordia bereits und soll nun in die fiktive sächsische Stadt Kopwitz unter Bürgermeisterin Hanna Bremer (Karoline Eichhorn) übernommen werden. Dann aber geschieht ein Mord an der Stadtgrenze Corncordias. Exakt dort, wo die Überwachung aufhört. Einen jungen Analysten der Überwachungs-KI Concordias hat es erwischt.

Juliane Ericksen (Christiane Paul) sieht ihr Lebenswerk und ihre Utopie gefährdet, als in Concordia nach 20 Jahren das erste Verbrechen geschieht: ein Mord. (Bild: ZDF und Stefano Delìa )

Juliane Ericksen (Christiane Paul) sieht ihr Lebenswerk und ihre Utopie gefährdet, als in Concordia nach 20 Jahren das erste Verbrechen geschieht: ein Mord. (Bild: ZDF und Stefano Delìa )

Aus England kommt die Krisenmanagerin Thea Ryan (Ruth Bradley), um den Fall zu untersuchen. Julianes Sohn Noah (Steven Sowah) und Isabelle Larsson (Nanna Blondell), die in Concordia ebenfalls für die Überwachungssicherheit zuständig sind, sollen der externen Ermittlerin helfen. Doch es geht nicht nur darum, einen Mord aufzuklären. Auch das Konzept Concordia soll geschützt werden. Ein Konzept, das nicht nur Befürworter kennt. Offenbar will die radikale Datenschützer-Gruppe „The Faceless“, die vom mysteriösen Leon (Jonas Nay) angeführt wird, Concordia schaden.

„Der Schwarm“ schwimmt mit

Ein Leben für Concordia? Chefin Juliane (Christiane Paul) und ihr Sohn/Mitarbeiter Noah (Steven Sowah) sind sich hier offenbar uneins. (Bild: ZDF und Fabio Lovino / Intaglio Films GmbH)

Ein Leben für Concordia? Chefin Juliane (Christiane Paul) und ihr Sohn/Mitarbeiter Noah (Steven Sowah) sind sich hier offenbar uneins. (Bild: ZDF und Fabio Lovino / Intaglio Films GmbH)

Hanna Bremer (Karoline Eichhorn), Ministerpräsidentin von Sachsen, will das KI-System von Concordia in ihrer Stadt Kopwitz einführen. (Bild: ZDF und Intaglio Films GmbH)

Hanna Bremer (Karoline Eichhorn), Ministerpräsidentin von Sachsen, will das KI-System von Concordia in ihrer Stadt Kopwitz einführen. (Bild: ZDF und Intaglio Films GmbH)

Der frühere „Game Of Thrones“-Produzent Frank Doelger - fürs ZDF betreute er schon das Großprojekt „Der Schwarm“ - steht auch hinter diesem Near-Future-Stoff. Die Produktion entstand in englischer Sprache mit internationalem Ensemble, weshalb sich deutsche Darstellerinnen und Darsteller wie Christiane Paul und Jonas Nay selbst synchronieren mussten. Ein bisschen Figuren-Authentizität nimmt dieser Umstand dieser an sich interessanten Geschichte weg. Dazu kommt, dass die sechsmal 45 Minuten langen Folgen im Sinne einer eher herkömmlichen Thriller-Miniserie auf Spannungsbögen getrimmt sind und die Charaktertiefe des Ensembles nicht unbedingt im Vordergrund steht. Am authentischsten wirkt dabei noch die Irin Ruth Bradley als externe britische Ermittlerin mit Familienproblemen daheim auf der Insel.

Grüße von ganz oben: Concordia-Gründerin Juliane Ericksens (Christiane Paul) spricht zu ihren Mitbürgern. (Bild: ZDF und Intaglio Films GmbH)

Grüße von ganz oben: Concordia-Gründerin Juliane Ericksens (Christiane Paul) spricht zu ihren Mitbürgern. (Bild: ZDF und Intaglio Films GmbH)

Interessanterweise weist Frank Doelgers neue Serie (Drehbuch: Nicholas Racz, Mike Walden, Isla van Tricht) ähnliche Stärken und Schwächen auf wie „Der Schwarm“: Der Stoff ist spannend und relevant und doch wirkt die Serie ein wenig wie Kunst von der Stange. Bei den reißbrettartigen Figuren schimmert immer wieder mehr Konzept als echtes Leben durch. Auch die Dialoge sind eher zielführend als überraschend und lebendig.

Trotzdem hat die Serie neben ihrer guten Grundidee auch Stärken: Concordia sieht nicht nach dystopischer Zukunft aus, sondern wie eine mittelgroße Schweden-Community mit viel Ikea-Gemütlichkeit. Dass die Serie den Eindruck vermittelt, als würde sie heute spielen, war auch der österreichischen Regisseurin Barbara Eder (“Barbaren“, „Der Schwarm“) wichtig. Gerade im Gegensatz zu den am Anfang einer jeden Folge stehenden Lobpreisungen durch ihre Bewohner, regen die Versteckspiele Concordias und Intrigen jener, welche die Stadt organisieren, zum Nachdenken über die Zukunft an. (tsch)