Eine emotionale Rede im Bundestag machte sie bekannt: Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Am Freitagabend war der Shooting-Star der Linken Gast in der Radio-Bremen-Talkshow „3nach9“ - und enthüllte einige Geheimnisse aus ihrem Leben.
Heidi Reichinnek über Linken-Hype nach viraler Rede„Das war wie ein Fiebertraum“

Am Freitagabend war Linken-Politikerin Heidi Reichinnek zu Gast in der Talkshow „3nach9“. (Bild: ARD)
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Das hätte fast niemand erwartet: Die Partei Die Linke hat bei den letzten Wahlen fast doppelt so viel Prozentpunkte erreicht wie bei den Wahlen davor. Viele hatten die Partei schon abgeschrieben. Heidi Reichinnek (36) gehört zu denen, die das Blatt für die Linken gewendet haben. Nach einer sehr emotionalen Rede im Bundestag hat sie zu dem Erfolg der Partei beigetragen.
Dabei ist Reichinnek, die am Freitagabend Gast in der Radio-Bremen-Talkshow „3nach9“ war, eigentlich ein sehr schüchterner Mensch. Trotzdem sagte sie: „Eine große Fresse zu haben und schüchtern zu sein schließt sich nicht aus.“ Sie sei früher ein sehr dickes Kind gewesen, habe viel abbekommen. Irgendwann habe sie sich dann gewehrt. „Das macht dich aber nicht automatisch zu einer Rampensau, sondern du machst es dann, weil du deine Position vertreten willst und weil du auch andere vertreten willst. Und dann kann ich auch stark sein. Wenn ich für andere laut werde, bin ich auch stärker, als wenn ich es für mich selber bin.“
Reichinnek, die sehr selbstbewusst rüberkam in ihrer ersten Unterhaltungstalkshow, gab zu: Sie muss sich überwinden, jedes Mal, wenn sie mal wieder dem Mund aufmacht. Und Migräne kommt noch dazu. „Es ist belastend, wenn man Gegenwind bekommt, aber es ist es absolut wert. Ich merke, wie viele Menschen ich damit berühre, wie vielen ich Kraft gebe, wie viele Menschen ich motivieren konnte, selber aktiv zu werden. Etwas Besseres kann ich mir gar nicht wünschen.“ Sie bezeichnete es als ihren größten bisherigen Erfolg, „dass so viele, gerade junge Menschen, gerade Frauen, gerade quere Personen mir gesagt haben, dass sie jetzt auch etwas verändern wollen“.
Reichinnek mit Merz in die Bundestagskantine? „Er muss mich einladen“
Heidi Reichinnek ist zu einer Art Shooting-Star der Politik geworden. Nicht nur wegen des Erfolges der Linken bei den Wahlen, sondern wegen ihrer emotionalen Rede im Bundestag, nachdem sich Unionschef Friedrich Merz für einen Entschließungsantrag AfD-Stimmen bedient hatte. Es war eine der wenigen Reden dieses Tages, bei der auch die Zuschauer wussten: Diese Frau meint es ernst, sie ist enttäuscht, sie ist wütend. Sie habe den Erfolg ihrer Partei bei den Wahlen kurz danach zunächst nicht verarbeiten können, räumte Reichinnek ein: „Das war wie ein Fiebertraum. Manchmal kann ich es jetzt noch nicht glauben.“
Über Friedrich Merz, dem sie eigentlich zumindest ein wenig für ihren Erfolg dankbar sein könnte, sagte die Linken-Politikerin: „Ich bin ihm für gar nichts dankbar, und am allerwenigsten für diesen Dammbruch, den er da begangen hat. Die Tatsache, dass wir als Partei ganz klar Position bezogen haben gegen diesen Rechtsruck, gegen diese Normalisierung der Zusammenarbeit mit einer faschistischen Partei, dass wir dem Frust und der Wut eine Stimme geben konnten, dafür bin ich dankbar. Das hat uns auch geholfen.“ Den Erfolg habe sich ihre Partei jedoch selber erkämpft. Dennoch würde sie mit Merz in die Bundestagskantine gehen. Unter einer Bedingung: „Er muss mich einladen.“
Heidi Reichinnek mag Pfannkuchen, Metal und Tattoos
Wenn ein Politiker oder eine Politikerin bei einer Unterhaltungs-Talkshow zu Gast ist, erfährt man immer wieder Überraschendes. Heidi Reichinnek zum Beispiel erzählte, sie sei ein Fan von „Subway to Sally“, einer Band aus Potsdam, die zu den bekanntesten Mittelalter-Metal-Bands in Deutschland gehört. „Seit ich vierzehn bin, höre ich die leidenschaftlich und bin Ende April auch wieder beim Konzert.“ Und sie steht auf Pfannkuchen. Mit Apfelmus obendrauf. Das gestand die bekennende Vegetarierin bei „3nach9“. Schließlich ist sie auch noch ein Fan von Tattoos. Auf ihren linken Arm hat sie sich Rosa Luxemburg tätowieren lassen. Als Nächstes ist eine Hyäne dran. „Die haben zwar voll den schlechten Ruf, aber bei denen gibt es ein Matriarchat, und die kümmern sich total lieb um ihre Kinder.“
Ihre größte Schwäche: Sie vergisst zu essen. Dafür müssen ihre Mitarbeiter sorgen. „Ich habe ein tolles Team. Ohne die würde ich hier glaube ich nicht mehr sitzen.“ Und die Schwäche der Politik? „Es wird grade viel Politik gegen die Gesellschaft gemacht“, befand Reichinnek. „Sonst hätten wir ein anderes Steuersystem, mehr Geld für Bildung, für das Gesundheitssystem, für den ÖPNV oder für Klima. Das ist alles das, was die Menschen wollen, aber das passiert nicht.“ Die Mehrheit müsse sich die Macht zurückholen.
Dabei spricht die Linke aber oft nicht für die Mehrheit der Bevölkerung. Reichinnek plädierte für offene Grenzen, gegen die Abschiebung von kriminellen Migranten, gegen Sanktionen von Bürgergeldempfängern. „Ich bin vor allem für Menschlichkeit“, betonte sie. „Und ich bin der Überzeugung, dass das auch die Mehrheit vertritt. Aber natürlich verstehe ich: Die Menschen merken, dass es ihnen immer schlechter geht, und es ist sehr einfach, dafür Sündenböcke zu suchen. Das wird leider von vielen Parteien mit vorangetrieben, auch von demokratischen. Das ist das Problem.“ Reichinnek forderte, Fluchtursachen zu bekämpfen statt Flüchtlinge, sieht das Problem nicht bei den Menschen im Bürgergeld, die keinen Job finden, sondern bei Multimilliardären wie Elon Musk, die sich Demokratien kaufen können. „Das sind die Fragen, die ich mit meiner Partei stellen will. Ich bin überzeugt, dass sich viele davon auch angesprochen fühlen.“ (tsch)