AboAbonnieren

Hirschhausen warnt in TV-DokuAlkohol „in einer Kategorie mit Asbest und Rauchen“

Lesezeit 3 Minuten
Eckart von Hirschhausen geht der Frage auf den Grund, weshalb die Volksdroge Alkohol in Deutschland so banalisiert wird. (Bild: WDR/Bilderfest)

Eckart von Hirschhausen geht der Frage auf den Grund, weshalb die Volksdroge Alkohol in Deutschland so banalisiert wird. (Bild: WDR/Bilderfest)

In einer neuen Doku geht Eckart von Hirschhausen den Ursachen auf den Grund und trifft Opfer von Alkoholismus - während politische Entscheidungsträger sich in Schweigen hüllen.

„80 bis 90 Prozent der Alkoholabhängigen haben keine Entzugserscheinungen“ - und gerade deshalb sei die Volksdroge so gefährlich, warnt Professor Falk Kiefer in der ARD-Doku „Hirschhausen und die Macht des Alkohols“ (Montag, 27. Januar, 20.15 Uhr, im Ersten und vorab in der Mediathek). Auch Eckart von Hirschhausen habe im Laufe der Arbeit an der 45-minütigen Dokumentation gelernt, die weit verbreitete Meinung, ein Gläschen Rotwein könne das Herzinfarktrisiko senken, sei „Quatsch“. Denn neue Studien zeigen: Jeder Schluck Alkohol schadet.

Nicht nur das Herz leidet, Alkohol erhöht auch das Demenzrisiko und kann sieben verschiedene Krebsarten begünstigen. Das Krebsrisiko bei Alkoholgenuss sei „in einer Kategorie mit Asbest und Rauchen“, greift Hirschhausen zu einem markigen Vergleich. In seiner Dokumentation spricht der 57-Jährigen nicht mit Medizinern, sondern trifft auch Menschen, die auf unterschiedliche Art und Weise leidvolle Erfahrungen mit Alkohol machten.

Ex-Alkoholiker über einstige Weggefährten: „Die sind alle tot“

Chris (rechts) war jahrelang schwerer Alkoholiker. Im Gespräch mit Eckart von Hirschhausen berichtet er, was ihm aus der Sucht geholfen hat. (Bild: WDR/Bilderfest)

Chris (rechts) war jahrelang schwerer Alkoholiker. Im Gespräch mit Eckart von Hirschhausen berichtet er, was ihm aus der Sucht geholfen hat. (Bild: WDR/Bilderfest)

Chris ist einer davon. Er soff, „um sich das Leben schön zu betäuben auf der Straße“. Jahrelang war er schwerer Alkoholiker, trank teils drei Flaschen Wodka am Tag (“Dann ist das Gehirn weg“) und war obdachlos. Durch seine Arbeit für ein Straßenmagazin gelang ihm der Weg aus der schweren Sucht hinaus. Einstigen Weggefährten sei es anders gegangen, schildert er gegenüber von Hirschhausen: „Die sind alle tot.“ Für ihn wirke seine Arbeit heute „wie ein Medikament“.

Wie die Doku zeigt, ist es jedoch ein Irrglaube, Alkoholismus in niedrigeren Gesellschaftsschichten zu verorten. Getrunken wird überall, egal ob Arbeitsloser oder Anwalt. Journalistin Nathalie Stüben, die selbst einst ein problematisches Verhältnis zu Alkohol hatte, bestätigt: „Es ist völlig egal, ob deine Weinflasche zwei oder 200 Euro kostet.“ Ebenso verheerend sei die vermeintliche Trennung zwischen „Genusstrinkern und charakterschwachen Versagern“.

Neben Betroffenen leiden auch direkte Angehörige unter dem hohen Alkoholgenuss ihrer Liebsten - so wie Kerstin Gößl. Ihr Mann war jahrelang alkoholkrank, wurde zum Choleriker. Eines Tages habe er weinend in der Küche gesessen und gesagt: „Entweder die fahren mich morgen auf den Friedhof oder ich hör auf. Ich habe Angst, heute und die Nacht nicht zu erleben.“ Erst ein Entzug habe ihn gerettet und laut seiner Ehefrau zu „einem ganz anderen Menschen“ werden lassen: „Er war befreit.“

Hirschhausen klagt über Politik: „Alle machen es besser als wir in Deutschland“

Trotzdem hält der Suchtforscher Rainer Spanagel ein striktes Abstinenzkonzept für eine „Mission Impossible“. Die öffentliche Brandmarkung von Suchtkranken bei einem Rückfall „befeuert die Problematik“, bemerkt der Experte kritisch. Vielmehr müsse es um einen „reduktionistischen Ansatz“ gehen, fordert Spanagel. Hoffnung hat er etwa wegen besonderer Medikamente - und Psychedelika. Letztere versprächen in geringer und überwachter Dosis erstaunliche Besserung bei Betroffenen. Derlei Therapien müssten aber zunächst „gesellschaftspolitisch“ anerkannt werden, gibt Spanagel zu bedenken.

Überhaupt - und das macht die ARD-Dokumentation deutlich - fehlt es offenbar an politischem Willen, der Volksdroge Alkohol den Kampf anzusagen. „Alle machen es besser als wir in Deutschland“, fällt Eckart von Hirschhausen ein ernüchterndes Fazit. Grund dafür ist auch die starke Alkohollobby, die eisern ihren Platz verteidigt. Nathalie Stüben schildert, einer Arbeitsgruppe für Maßnahmen zur Eindämmung von Alkoholmissbrauch, der ein befreundeter Journalist 2015 angehört habe, seien von Lobby gleichermaßen wie von mächtigen Unternehmen Knüppel zwischen die Beine geworfen worden: „Gegen DFB und die 'Bild'-Zeitung hast du in Deutschland keine Chance.“

Während anderswo in Europa Werbeverbote, eine höhere Besteuerung von Alkoholika und eine Reduzierung von Verkaufsstellen positive Wirkung entfaltet haben, gelten hierzulande noch immer „absurde Paragrafen“ (von Hirschhausen), die etwa begleitetes Trinken ab einem Alter von 14 Jahren gesetzlich erlauben. Eine Einschätzung von politischer Seite fehlt in „Hirschhausen und die Macht des Alkohols“ übrigens. Keines der angefragten Ministerien fühlte sich zuständig. (tsch)