Seit gut drei Jahren ist Annalena Baerbock Außenministerin. Sie ist die erste Frau, die in Deutschland dieses Amt inne hat. Wenn es nach ihr geht, möchte sie noch einige Jahre Ministerin bleiben, sagt sie am Freitagabend im WDR-Talk „Kölner Treff“. Dort spricht sie auch über den verweigerten Handschlag in Syrien.
Im „Kölner Treff“ spricht Baerbock über verweigerten Handschlag„Man muss Menschen mögen in ihrer Vielfalt“
„An Herausforderungen hat es nicht gemangelt in den letzten drei Jahren.“ Das ist das Fazit von Annalena Baerbock über ihre Zeit als Bundesaußenministerin. In Deutschland ist sie die erste Frau in diesem Amt, das in den letzten Jahren besonders anspruchsvoll war.
Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg griff ein europäisches Land ein anderes an, im Nahen Osten tobt seit 15 Monaten ein erbitterter Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarländern, und in Syrien wurde ein Diktator gestürzt. Und dann sind da noch die vielen kleinen Dinge des Alltags, mit denen es die Grünen-Politikerin immer wieder zu tun hatte - von Staatsempfängen und Fernsehinterviews bis zu nicht startenden Bundeswehr-Flugzeugen.
Und nun kommt auch noch Donald Trump, der darüber nachdenkt, ob sich die USA nicht Grönland oder Kanada einverleiben sollte. „Ich glaube, das ist jetzt der Moment, wo wir als Europa deutlich sagen können: Wir stehen für unsere eigenen Interessen ein. Wir haben ganz enge Beziehungen zu den USA, aber man muss auch deutlich machen, wo wir stehen. Und weil das Einnehmen von Ländern gerade in diesen Zeiten ganz schlechte Scherze sind, weil wir das in Europa gerade erleben, begreift man, wie glücklich wir sein können, dass wir gerade in Frieden leben können.“
Beim Bäcker wurde Baerbock auf Syrien-Reise angesprochen
Am Freitagabend ist Annalena Baerbock Gast in der WDR-Talkshow Kölner Treff. Eigentlich könnte sie dort ein wenig über ihr Privatleben plaudern. Doch die Politik nimmt sie gerade voll in Beschlag. Trotzdem macht sie einen gelassenen Eindruck. Denn was Annalena Baerbock in ihrem Job in den letzten drei Jahren vor allem gelernt hat, ist: überall zu schlafen. „Das ist eine Disziplin, die man in diesem Job beherrschen muss, dass man schlafen kann, wenn man schlafen sollte.“ Besonders ihre beiden Kinder waren dafür eine gute Vorbereitung. „Da muss man nachts manchmal aufstehen und sofort da sein und performen.“
Als weibliche Außenministerin hat Annalena Baerbock gelernt, dass am Ende einer Reise weniger über Ergebnisse diskutiert wird, sondern über ihre Kleidung. Das war auch bei ihrer letzten Reise der Fall. Da hat sie kurz nach dem Machtwechsel das Land Syrien besucht. „Das war für uns eine zentrale Reise, weil wir als Europäer deutlich gemacht haben, auch gerade mit meinem französischen Kollegen, dass wir eine gemeinsame europäische Linie vertreten.“
Baerbock weiter: „Tausende von Syrerinnen und Syrern leben in unserem Land, manche sind Staatsangehörige geworden. Nach meiner Rückkehr war ich in Potsdam beim Bäcker, und einer der Verkäufer dort kommt gebürtig aus Syrien. Die andere Verkäuferin sagte dann zu mir: Sie wissen gar nicht, was hier heute Morgen emotional bei uns los war. Diese Reise hat in jeglicher Hinsicht auch für die Frage, was in Syrien weiter passiert und was das für den Nahen Osten bedeutet, so viel Emotionalität in sich, und sie war mir deswegen sehr, sehr wichtig.“ Sie habe schon in der Ukraine gelernt: Wenn Frauen nicht sicher sind, dann ist niemand sicher. „Das ist auch in Syrien der Fall, und das ist auch der Kern unserer feministischen Außenpolitik.“
„Man muss bereit sein, sich in die Position des anderen zu setzen“
In Syrien hat Baerbock erlebt, dass ihr der neue Machthaber Ahmed al-Scharaa aus religiösen Gründen nicht die Hand gegeben hat. Sie habe gewusst, dass so etwas passieren würde, sagt sie. Mit derartigen Situationen hat sie umzugehen gelernt. „Ich glaube, man muss Menschen mögen in ihrer Vielfalt, und man muss offen sein, selbst wenn man weiß, ich teile vieles nicht von meinem Gegenüber, aber man muss bereit sein, sich in die Position des anderen zu setzen und auf die Welt aus seiner Blockrichtung zu schauen, um zu erkennen, wo Brücken sind und wie man zueinander kommt.“
Wichtig war für Baerbock, nach ihren Reisen mit Kolleginnen und Kollegen über ihre Erlebnisse zu reden. Denn sie hatte gerade in diesen Zeiten viel zu verarbeiten: leidende Menschen in der Ukraine, das Horrorgefängnis in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Doch Annalena Baerbock verarbeitet Eindrücke nicht nur, indem sie darüber redet. Die Ministerin ist leidenschaftliche Joggerin. Sie läuft, wann immer sie Zeit hat. Vor allem in der Nacht.
Optimistin Baerbock will Außenministerin bleiben
Und noch etwas hilft ihr: Baerbock ist eine gnadenlose Optimistin. „Wenn ich nicht daran glauben würde, irgendwann ist trotz des Elends auch wieder Hoffnung, dann mache ich meinen Job nicht richtig, oder dann sollte ich aufhören.“
Und aufhören möchte sie am liebsten noch lange nicht. Da seien noch einige Projekte, und die seien noch nicht ganz geschafft worden. So müsse das Auswärtige Amt weiter modernisiert werden. „Ich würde mich sehr freuen, das weiterzumachen“, sagt Baerbock im Kölner Treff. (tsch)