Fünf Jahre nach dem Beginn der Pandemie wagt Sarah Tacke eine große Corona-Aufarbeitung. Die ZDF-Reporterin spricht in ihrem Film mit Karl Lauterbach, Jens Spahn, aber auch zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, die noch immer mit den Auswirkungen des Virus zu kämpfen haben.
Impfschäden, Long Covid und überall WutZDF-Doku zieht bittere Corona-Bilanz

Sarah Tacke spricht mit den Menschen darüber, wie die Pandemie ihr Leben verändert hat. (Bild: ZDF/Florian Lengert)
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Ziemlich genau fünf Jahre ist es her, da begann das damals neue Corona-Virus alles auf den Kopf zu stellen. Ausgangssperren, Maskenpflicht, die Impfdebatte - das ging an den wenigsten Bürgerinnen und Bürgern spurlos vorbei. Zumal auch heute noch viele an den Folgen der Pandemie leiden. In der ZDF-Doku „Am Puls mit Sarah Tacke - Meine offene Rechnung mit Corona“ wirft Sarah Tacke einen Blick zurück, aber eben auch in die Gegenwart, die teilweise noch immer von Corona gezeichnet ist.
„Wirklich aufgearbeitet wurden die Corona-Maßnahmen bis heute nicht“, meint Sarah Tacke zu Beginn. Sie will der Frage auf den Grund gehen, was in der Pandemie wirklich notwendig war und was nicht. Dabei bekommt die TV-Moderatorin noch immer jede Menge Enttäuschung und Wut der Leute zu spüren. Denn viele haben sich von der Corona-Zeit nicht erholen können.
Long-Covid-Patient: „Wenn diese Abstürze kommen, dann sind das schon so Nahtoderlebnisse“
Einer von ihnen ist Fabian Fritz. Der 37-Jährige war sportlich, kerngesund und sollte seine Professur für Soziale Arbeit antreten. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere erkrankte er an Corona - und ist bis heute nicht wirklich gesund geworden. „Ich lebe seitdem in dem Kinderzimmer von meiner Nichte, weil ich mich nicht mehr alleine versorgen konnte“, erklärt er, dass sein Körper bei Anstrengung sofort zusammenbricht.
Fabian hat ME/CFS, die schlimmste Form von Long Covid - dabei hat er sich dreimal impfen lassen. „Wenn diese Abstürze kommen, die man hat, dann sind das schon so Nahtoderlebnisse“, erzählt er emotional. Mit gerade einmal 37 Jahren wird er bald seine Rente beantragen. Wut verspüre Fabian aber vor allem auf sich selbst, „dass ich vielleicht ab irgendeinem Zeitpunkt das Virus nicht mehr so ernst genommen habe“.
Andere verschaffen ihrem Ärger anders Luft. Auch fünf Jahre nach dem ersten Lockdown gehen immer noch sogenannte „Querdenker“ auf die Straße. Ein Demonstrant regt sich auf, dass überhaupt keine Aufarbeitung stattfinden würde, obwohl Millionen von Menschen wöchentlich protestiert hätten. Ein anderer wütet über die damaligen Vorgaben: „Ich kann doch nicht hingehen und den Leuten sagen: Du hast dich zu impfen! Wo kommen wir denn da hin?“
Doch unter den vielen Demo-Teilnehmern fällt Sarah Tacke auch auf: „Das ist sicherlich nicht nur die Mitte der Gesellschaft, die hier nach politischer Aufarbeitung ruft.“ Das hat Ulrike Eberknauer ebenfalls bemerkt, weshalb sie den „Querdenkern“, bei denen sie zunächst einen Halt gefunden hatte, irgendwann den Rücken gekehrt hat. „Mich hat das, was ich da gesehen habe, einfach angewidert. Die Art und Weise, wie Leute aufgehetzt werden, mochte ich mir nicht anschauen“, berichtet sie über den Zuwachs an Rechtsextremen in der Szene, hält aber auch mit ihrer Kritik an der damaligen Berichterstattung in den Medien nicht zurück: „Ich hätte mir eine klare Auseinandersetzung mit den Argumenten der Querdenker gewünscht.“
Karl Lauterbach gesteht Fehler: „Rückwirkend waren die Schulschließungen einfach zu radikal“

Sarah Tacke drehte ihr Doku fünf Jahre, nachdem die WHO die Pandemie ausgerufen hat. (Bild: ZDF/Florian Lengert)
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Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der im zweiten Corona-Jahr ins Amt kam, stattet Sarah Tacke einen Besuch ab. Der lobt zunächst die Vorsicht, mit der Deutschland an die Pandemie herangegangen ist, gesteht aber auch: „Dass im Rahmen dieser Politik dann auch Fehler gemacht werden, ist klar.“ Er nennt ein konkretes Beispiel: „Rückwirkend waren die Schulschließungen einfach zu radikal und die haben wir für zu lange durchgezogen.“ Mit 183 Tagen waren die Schulen in Deutschland länger als fast in jedem anderen Land in Europa geschlossen.
Darüber hinaus äußert sich der 62-Jährige zum Thema Aufarbeitung allerdings eher ausweichend und verweist auf den Vergleich mit anderen Ländern mit ähnlicher Altersstruktur, in denen mehr Menschen durch Corona gestorben seien als in Deutschland. Alles noch mal genauso machen würde Lauterbach zwar nicht, möchte diesbezüglich aber auch nicht genauer ins Detail gehen und resümiert: „Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir im Nachhinein den Eindruck erwecken, als wenn die Bewältigung der Corona-Pandemie im Großen und Ganzen in Deutschland misslungen gewesen wäre. Das war einfach nicht so.“
Eine Aussage, die viele Bürgerinnen und Bürger so wohl nicht unterschreiben würden. Die Lockdowns und Ausgangssperren haben vor allem junge Menschen, Alleinerziehende und sozial schwache Familien hart getroffen. Die häusliche Gewalt sei während Corona deutlich angestiegen, erfährt Sarah Tacke in der ZDF-Doku weiter. „Ich war wirklich irgendwann depressiv, dass ich gar keine Lust mehr hatte, meine Hausaufgaben zu machen zum Beispiel. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht: Soll ich jetzt die Ausbildung abbrechen?“, erinnert sich die heute 27-jährige Summer, die die damalige Schließung ihrer Berufsschule nur schwer verkraften konnte.
„Corona hat mir meine Kindheit genommen“
Da geht es unzähligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ähnlich, wie Sarah Tacke in diversen Zuschriften zu lesen bekommt. „Corona hat mir meine Kindheit genommen“, findet ein Jugendlicher deutliche Worte. Er war zu Beginn der Pandemie elf Jahre alt.
Auch für die Gastronomie-Szene war Corona ein harter Schlag. „Ich bin jetzt 58 Jahre und das war die schlimmste Zeit in meinem Leben“, sagt Sabine Buß unter Tränen, die vom Lockdown gezwungen wurde, ihre beiden Modegeschäfte zu schließen. Über 60.000 Euro Schulden hätten sich über die Pandemie bei ihr angehäuft - und die 16.500 Euro, die sie als Corona-Hilfen erhält, decken gerade einmal die Fixkosten.
Ein noch düsteres Bild findet Sarah Tacke bei Lea vor. Mit 14 habe sie sich impfen lassen, sei laut ihrer Mutter zu diesem Zeitpunkt kerngesund und ohne Vorerkrankungen gewesen. Als sie von der ZDF-Journalistin besucht wird, liegt sie mit mehreren Kühlpads im Bett, trägt eine Sonnenbrille zum Lichtschutz und Ohrenschützer, um sich überhaupt unterhalten zu können. Außerdem leidet sie an konstanten Schmerzen und kann sich nahezu nicht bewegen.
„Ich bekomme hier absolut keine Hilfe und das macht mich traurig. Ich habe mich impfen lassen, um andere zu schützen, und jetzt wird man einfach so alleine gelassen“, bemängelt Lea, die mit Post-Vac, also langandauernden Impfkomplikationen, zu kämpfen hat. Ein großes Problem: Der Impfschaden wurde bei Lea nur teilweise anerkannt, wodurch sie kaum Unterstützung erhält.
Jens Spahn mahnt bezüglich einer Pandemie: „Wir sind nicht wirklich besser vorbereitet als 2020“
„Die Forschung ist komplett unterfinanziert. Die pharmazeutischen Unternehmen sehen darin keinen Blockbuster-Markt. So kommen wir zu langsam zu Heilungen“, nennt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine große Schwierigkeit im Umgang mit Impfschäden. Von den Versorgungsämtern erhält Sarah Tacke die erschreckenden Zahlen: 13.705 Anträge auf eine Anerkennung von Impfschäden seien gemeldet worden, davon wurden lediglich in 598 Fällen Impfschäden anerkannt. 3.969 Anträge befinden sich noch in Bearbeitung, über 8.000 wurden abgelehnt.
Die generelle Aufarbeitung der Pandemie müsse laut Lauterbach „sehr schnell beschlossen werden“. Das sieht CDU-Politiker Jens Spahn, der zum Zeitpunkt als Corona ausbrach noch Bundesgesundheitsminister war, zwar ähnlich, weiß aber auch, dass es mit den aktuellen Themen „Sicherheit, Verteidigung, Krieg, Ukraine“ derzeit andere Prioritäten gibt. Gleichzeitig mahnt Spahn: „Ich würde sagen, Stand jetzt, fünf Jahre nach Pandemie-Beginn, sind wir nicht wirklich besser vorbereitet, als wir es 2020 waren.“
„Am Puls mit Sarah Tacke - Meine offene Rechnung mit Corona“ ist am Mittwoch, 12. März, 22.15 Uhr im ZDF zu sehen und vorab in der ZDF-Mediathek. (tsch)