„Irgendwas läuft da schief“: Bei „Lanz & Precht“ verhedderten sich Markus Lanz und Richard David Precht auf der Suche nach der Ursachen für den krankenden Sozialstaat. Während Precht den italienischen Philosophen Machiavelli zurate zog, blickte Lanz voller Sorge in die USA.
In Podcast-Diskussion übers Bürgergeld schießt Richard David Precht plötzlich gegen GNTM

Was das Bürgergeld und der krankende Sozialstaat mit „Germany's Next Topmodel“ zu tun hat? Richard David Precht versuchte sich an einer Erklärung. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
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1.9 Millionen Menschen: So viele seien laut der Rechnung von Markus Lanz in Deutschland zwar arbeitsfähig, bezögen aber Bürgergeld. Dass obendrein die Hälfte davon zwischen 19 und 44 Jahre alt sei, brachte den Gastgeber des Podcasts „Lanz & Precht“ ins Grübeln: „Da werden die Fragezeichen in meinem Kopf noch größer.“ Angesichts des verschärften Existenzkampfes warf Lanz die Frage auf: „Woher nimmst du das Selbstverständnis, dass jemand anderer morgens aus dem Haus gehen und sich richtig anstrengen muss?“

In der neuesten Folge von „Lanz & Precht“ zerbrachen sich Richard David Precht (links) und Markus Lanz über die Zukunft des deutschen Sozialstaates den Kopf. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
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Wie also umgehen mit einem zunehmend teuren Sozialstaat beim gleichermaßen geäußerten Verdacht, es gebe viele Menschen, die ihn zu ihrem Vorteil ausnutzen? Darauf hatte auch Richard David Precht keine Antwort. Zwar werde „jeder zum Volksdeuter und Psychologen“, so Precht, aber: „Wir stochern bei den Erklärungen im Nebel.“ Trotzdem versuchte sich Precht an Ursachenforschung und konstatierte, vielen der von Lanz erwähnten 1,9 Millionen Menschen fehle es an der nötigen „Psychostruktur“, um etwas zu leisten.
Unter anderem nannte er in diesem Zusammenhang fehlende Pünktlichkeit, fehlendes Selbstbewusstsein und generelle Motivationsprobleme, woraufhin er bilanzierte: „Die Mehrheit sind Leute, die man im Arbeitsprozess nicht wirklich gebrauchen kann, weil sie nicht belastbar sind.“ Trotzdem wolle er mit dem Missverständnis aufräumen, Bürgergeld sei „verlorenes Geld“. Schließlich werde die staatliche Sozialleistung größtenteils umgehend in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt.
Precht philosophiert über Politik von Merz: „Machiavelli würde ihn nicht verteidigen“

Richard David Precht (links) und Markus Lanz waren sich in Bezug auf den Sozialstaat einig: US-amerikanische Zustände seien nicht erstrebenswert. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
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Precht warnte: „Wenn du den Sozialstaat abschaffst, schaffst du hier US-amerikanische Verhältnisse.“ Das habe auch höhere Kriminalität zur Folge, warnte der TV-Philosoph. Beim Stichwort USA sprang auch Markus Lanz auf den Zug auf. „Wenn du durch amerikanische Innenstädte geht, kannst du sehen, was passiert, wenn ein Sozialstaat nicht funktioniert“, sorgte er sich.
Als weiteres Problem in der gesellschaftlichen Wahrnehmung machte Precht die Umdefinition von Leistung aus. Heutzutage würde Leistung nurmehr in Geld gemessen, gab er zu bedenken. Das habe eine Umwandlung der Leistungs- in eine Erfolgsgesellschaft nach sich gezogen: „Die Leistung einer Pflegekraft, die über Jahrzehnte gute Arbeit geleistet hat, wird weniger anerkannt, als der Erfolg von irgendjemandem bei 'Germany's Next Topmodel', wo keine Leistung dahintersteht.“ Das wiederum habe laut Precht „weitreichende Folgen für die Motivationsstruktur in der Gesellschaft und das Funktionieren einer liberalen Demokratie, weil das kollektive Aufstiegsversprechen nicht mehr eingehalten werden kann“.
Zuvor hatte Precht im ZDF-Podcast scharfe Kritik am designierten Bundeskanzler geäußert. „Machiavelli würde ihn nicht verteidigen“, wandte er die Lehren seines italienischen Berufskollegen aus dem 15. Jahrhundert auf die Merz'sche Kehrtwende bei der Schuldenbremse an. „Der Schaden, der dadurch der Republik entsteht, dass die Glaubwürdigkeit von Politik so sehr leidet, ist größer ist als der Nutzen“, begründete Precht seine These. (tsch)