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„Mein Corona ist 2030 beendet“Unternehmer klagt in ARD-Doku die Politik an

Lesezeit 4 Minuten
Noch einige Jahre wird Unternehmer René Heber seine durch Corona enstandene Schulden abbezahlen müssen. (Bild: mdr/Sven Giebel)

Noch einige Jahre wird Unternehmer René Heber seine durch Corona enstandene Schulden abbezahlen müssen. (Bild: mdr/Sven Giebel)

Desillusionierter Ex-Bürgermeister, enttäuschter Unternehmer - und eine Domina mit Existenzängsten: Sehr unterschiedliche Menschen nutzen eine ARD-Doku für ihre persönliche Abrechnung mit der Politik nach der Corona-Pandemie. Vereint sind sie in ihrer Verbitterung.

In den 1990er-Jahren hat sich René Heber selbstständig gemacht und es als Self-Made-Unternehmer zu etwas gebracht. Sieben Läden für Schreib-, Spiel- und Dekorationswaren führt er in und um Zwickau. Es läuft gut - bis die Corona-Pandemie 2020 ausbricht. „Nach dem ersten Lockdown haben wir schon einen Verlust von 80.000 Euro gehabt“, erinnert sich Heber in der ARD-Dokumentation „FAKT: Corona - Die Pandemie der Spaltung“ (ab sofort in der ARD Mediathek).

Von der Politik fühlte er sich im Stich gelassen - auch, weil er in Sachsen einzig einen Kredit bewilligt bekam, um seine Verluste auszugleichen. In anderen Bundesländern seien ihm damals bis zu 40.000 Euro Soforthilfe sicher gewesen, berichtet er. 600.000 Euro Kredit nahm der Unternehmer stattdessen auf - mit bitteren Konsequenzen: „Mein Corona ist 2030 oder 2031 beendet. Das zu verarbeiten, tut weh.“ Ihm sei Eigentum kaputtgegangen, klagt er die Politik in dem 45-minütigen Film an: „Mein Vertrauen in die Politik ist hinüber.“

Corona-Impfgegner fühlten sich wie „Abschaum der Gesellschaft“

Heber ist nicht der einzige Enttäuschte, der in „FAKT: Corona - Die Pandemie der Spaltung“ zu Wort kommt. Um verlorenes Vertrauen geht es fast bei allen, die sich in der Dokumentation äußern. Dirk Rosenbaum etwa, der moniert, er und seine Familie seien „stigmatisiert“ worden, weil sie sich nicht an Corona-Maßnahmen gehalten hätten. Seine Frau Susann Frenzel fügt hinzu: „Ich fand den Umgang beängstigend, wirklich erschreckend.“ Die Pandemie sei auf den „Rücken der Kinder“ ausgetragen worden, ärgern sich die dreifachen Eltern noch heute.

Walter Müller hielt sich während der Pandemie an alle Vorschriften, auch seines herzkranken Sohnes wegen. (Bild: mdr/Sven Giebel)

Walter Müller hielt sich während der Pandemie an alle Vorschriften, auch seines herzkranken Sohnes wegen. (Bild: mdr/Sven Giebel)

Sobald man, wie sie, die Corona-Impfung abgelehnt habe, sei man zum „Abschaum der Gesellschaft“ gemacht worden, klagt Rosenbaum an. Politiker, die zusätzlich von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen hätten, seien in den Augen des Paares „mitverantwortlich für die Spaltung der Gesellschaft“.

Noch weiter geht Ingrid Heimke. Die Dresdner Kinderärztin sieht im ARD Film ein „nachhaltig vergiftetes“ gesellschaftliches Klima. „Man ist sich wie eine kinder- und jugendpsychiatrische Praxis vorgekommen“, erinnert sich die Medizinerin in der Sendung an die „wirklich schlimme“ Phase zurück. Heimke selbst rückte während der Pandemie ins Visier der Kriminalpolizei. Der Vorwurf, sie habe unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt, habe sie zweifeln lassen, „ob ich am Ende des Jahres überhaupt noch praktizieren darf“. Die Vorwürfe erhärteten sich nicht, die Ermittlungen wurden später eingestellt - und Heimke demonstrierte öffentlich gegen Corona-Maßnahmen.

„Was esse ich morgen?“: Corona konfrontierte Domina mit existenziellen Fragen

Eher auf stillen Protest setzte Domina Violet, wie sie in „FAKT: Corona - Die Pandemie der Spaltung“ schildert. „Ich hatte mir den Job gesucht, weil ich mir dachte, der Beruf ist krisensicher“, schmunzelt sie heute, wurde dann aber quasi mit einem Berufsverbot belegt - und das über Monate. Als wegen ausstehender Mieten auch noch ihre Wohnung gekündigt wurde, sei sie der Verzweiflung nahe gewesen: „Du kannst nirgendwo hin, das war schon hart.“ Die Politik habe sie im Stich gelassen, der Vermieter zu Violets Glück nicht: Er ließ sich auf eine Ratenzahlung ein.

Und die Domina? Sie arbeitete heimlich weiter. „Professoren, Akademiker, Beamte“ seien zu ihr gekommen, auch welche, die Coronamaßnahmen durchsetzen sollten: „Am Ende sind es auch nur Menschen.“ Sie alle einte die Einsamkeit und der Wunsch nach körperlicher Nähe. Nie sei kuscheln bei ihren Kunden gefragter gewesen als damals. Das Risiko, erwischt zu werden, sei es ihr damals wert gewesen, bekräftigt Violet. Andere Fragen seien damals existenzieller gewesen: „Was esse ich morgen? Wie zahle ich meine Rechnung? Was ist die Konsequenz, wenn ich nicht das Risiko eingehe?“

In die Offensive ging im Frühjahr 2021 hingegen Dirk Neubauer, damals Bürgermeister im sächsischen Augustusburg. Tagesaktuelle Tests samt Kontaktnachverfolgung ließen die Inzidenzen entgegen dem gesamtdeutschen Trend sinken, Zugeständnisse an Hotellerie und Gastronomie waren angesichts des Modellprojekts möglich. Allerdings nur bis zu einer bundesweiten Notbremse. Aus Unterverständnis für diesen erzwungenen Stopp trotz eines Positivtrends trat Neubauer aus der SPD aus, gefrustet. Heute wünscht er sich: „Wir müssen darüber reden, was gut und was nicht gut war - aber sachlich, und nicht mit dem Ansatz: Wir müssen einen hängen.“

„FAKT: Corona - Die Pandemie der Spaltung“ ist am Dienstag, 18. März, 21.45 Uhr, im Ersten zu sehen und vorab in der ARD-Mediathek. (tsch)