Zwei Dokumentationen hat „Tagesthemen“-Anchor Ingo Zamperoni bereits über Trump und die USA gemacht. Vor der US-Wahl am 5. November wird im Ersten sein dritter Film ausgestrahlt. Bei den Dreharbeiten erlebte Zamperoni viel Bitterkeit und Spaltung - und den Ex-Präsidenten am Telefon!
Mitten im US-Doku-DrehIngo Zamperoni hat plötzlich Donald Trump am Telefon
Zum dritten Mal reiste der „Tagesthemen“-Sprecher Ingo Zamperoni für Dreharbeiten durch die USA, die Heimat seiner Ehefrau Jiffer. Nach seiner erste Doku „Trump, meine amerikanische Familie und ich“, die im November 2020 ausgestrahlt wurde, und der Doku „Trump, Biden, meine US-Familie und ich“ anlässlich der Zwischenwahlen im November 2022, ist nun sein dritter Film entstanden. Er trägt einen sorgenvollen, fast ungläubigen Titel: „Wirklich nochmal Trump, Amerika?“
Ihren Anfang nahmen die Dreharbeiten zur 60-minütigen Dokumentation von Ingo Zamperoni und Birgit Wärnke am Long Lake im Bundesstaat Wisconsin. Im März 2024 sitzt der Journalist Zamperoni mit seinem Stiefschwiegervater Greg eingemummt am gefrorenen See beim Eisfischen. Eine Wiederwahl Donald Trumps „wäre das Ende der Demokratie“, unkt er. „Er hat es uns schon einmal gezeigt“, sagt Greg in Anspielung auf den Sturm der Trump-Anhänger aufs Kapitol. Dann bricht er in Jubel aus: Ausgerechnet in diesem ernsten Moment hat Zamperoni einen Fisch an der Angel.
Spontaner Anruf bei dem „sehr guten Freund Donald“
Drei Monate nach dem Besuch im idyllisch-winterlichen Norden sitzt Zamperoni im Süden der USA mit Bob Ritchie, besser bekannt als „Kid Rock“, im Saloon auf dessen Anwesen in Nashville, Tennessee beisammen.
Einmal pro Woche telefoniere er mit seinem „sehr guten Freund“, dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten, behauptet der rechte Hardliner. Zamperoni bittet um eine Probe aufs Exempel, und muss nicht lange warten: Schon nach einmal Läuten ist am anderen Ende der Leitung Trumps Stimme zu hören: „Hey Bob, what's up?“ - „Du wirst von Deutschen aufgezeichnet“, informiert dieser, „die wollen wissen, warum ich dich unterstütze.“
Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Weil er Amerika wieder gewinnen sehen will“, erklärt Trump fernmündlich. Genau das hätte er auch geantwortet, merkt Kid Rock an, „dass du für Amerika bist“.
Evangelikalen ist „Unabhängigkeit von staatlichem Einfluss“ wichtig
Dieser Ansicht sind viele US-Amerikaner, vor allem außerhalb der Metropolen. In urbanen Räumen wie Chicago, der nächsten Destination auf Zamperonis Reise, hingegen haben Demokraten die Oberhand. Dort, genauer gesagt in Boystown, der ersten offiziell anerkannten „Gaybourhood“ der USA, besucht der Journalist Jiffers Cousin: Mark und sein Ehemann Adam blicken verängstigt auf eine neue Präsidentschaft Trumps. Sie sorgten sich um ihre hart erkämpften Rechte wie die auf Eheschließung.
Vier Stunden von Chicago entfernt leben Mika und Courtney Downs, Bekannte von Zamperonis Ehefrau Jiffer aus Schulzeiten, mit ihren Kindern. „Sie gehören zu einer wichtigen Wählergruppe von Trump, den christlichen Rechten“, klärt der Journalist auf und fügt hinzu: „Die Unabhängigkeit von staatlichem Einfluss ist ein wichtiges Thema für Amerikas Evangelikale.“
Evangelikale Christin findet: Frauen können keine Nation führen
Noch weiter oben steht nur etwas anderes: Auch wenn sich Trump nicht für ein landesweites Verbot von Abtreibung einsetzt, hoffen Mika und Courtney in dieser Hinsicht auf den Republikaner. Und mit ihnen die gesamte Kirchengemeinde: „Er ist stark und tut, was er verspricht“, schwärmte eine ältere Dame mit weißem Kurzhaarschnitt. Auf Zamperonis Einwurf, dass Trump sich ja nicht unbedingt mit christlichen Werten auszeichnete, schmunzelt sie verschmitzt: „Ich würde mir wünschen, dass er Christ wäre, klar, das wäre toll, aber ich mag seine Politik.“
„Es ist unmöglich, dass er die Wahl verliert“, stand für Mika und Courtney spätestens dann fest, als Schüsse Donald Trump im Juli um Haaresbreite verpassten. Dass wenige Wochen später Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten ins Rennen ging, änderte nichts an dieser Überzeugung. Im Gegenteil. Diese Art der Führung sei Männern vorbehalten, interpretiert Courtney die Bibel und argumentiert: „Wir Frauen neigen dazu, zu emotional zu sein und lassen uns zu sehr täuschen.“
Zamperonis Schwiegervater: „Harris wird verlieren - außer die Demokraten schummeln“
Von einer solchen Einigkeit ist zwischen Zamperonis Ehefrau Jiffer und deren Vater Paul keine Spur. Während sie überzeugte Demokratin ist, hat er zweimal Trump gewählt - „auch wenn ihn dessen polternde Art ärgert“, wie Zamperoni anmerkt. Vor vier Jahren hatten ihm beide in der Küche von Pauls Haus in Charlotte im Bundesstaat Carolina erklärt, die wichtigste Wahl ihres Lebens stünde bevor. „Das dürfte für diese Wahl erst recht gelten“, meint der Filmemacher.
Entsprechend emotional geht es beim Gemüseschnippeln zur Sache: „Harris sagt, was sie alles machen will. Warum macht sie es nicht jetzt, wo war sie in den letzten dreieinhalb Jahren?“, verleiht Paul seiner Frustration Ausdruck. „Sie wird verlieren - außer die Demokraten schummeln.“ Das kann Jiffer nicht so stehen lassen und wirft Trump vor, Misstrauen gegenüber Institutionen zu säen. Vater und Tochter sind sich völlig uneins. „Immerhin reden sie noch miteinander“, lenkte Zamperoni ein. Das sei bei vielen gespaltenen Familien in den USA nicht der Fall.
Sonntagsfußballer Jürgen Klinsmann bleibt unverbindlich optimistisch
Zamperonis nächster Halt ist Los Angeles. Jeden Sonntagmorgen um 8 Uhr trifft sich nahe der Westküstenmetropole der „FC Salsa“, eine rüstige Truppe mit Spielern ab 55 Jahren aus aller Herren Länder. Dass sich darunter der ehemalige deutsche Fußballnationalspieler sowie DFB- und US-Teamchef Jürgen Klinsmann befindet, ist für die „Multi-Kulti-Sonntagskicker“ irrelevant. Seit mehr als 25 Jahren lebt der Exildeutsche mit seiner US-amerikanischen Frau in deren Heimat.
„Vor acht Jahren hast du gesagt, das Land wird Trump überstehen. Sagst du das immer noch?“, will Zamperoni nach dem Match von ihm wissen. Klinsmann zeigt sich unverbindlich optimistisch, wie man ihn kennt: Das Land habe so viel Energie und Antrieb, das könne nicht zerstört werden. Doch auch die Amerikaner würden von einem guten Präsidenten träumen, der Ruhe ausstrahle und Probleme wie Obdachlosigkeit in großen Metropolen löse.
„Wenn Trump an die Macht kommt, macht euch auf was gefasst!“
Einen mindestens ebenso großes Problem ist in den Augen vieler Amerikanerinnen und Amerikaner die Migration. Um die Zahl illegaler Einwanderer über den Fluss Rio Grande zu regulieren, hatte die texanische Nationalgarde im Ort Eagle Pass an der texanisch-mexikanischen Grenze im Januar den Zugang zum Flussufer rigoros abgeriegelt.
Tatsächlich ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte zurückgegangen, seitdem Stacheldrähte das Stadtbild prägen. Das Problem selbst löste die Maßnahme aber nicht: Nur wenige Kilometer entfernt können Illegale weiterhin den gefährlichen Fluss überqueren, in dem schon Hunderte ihr Leben ließen.
Jessie Fuentes bietet Kanu-Touren auf dem Rio Grande an. Für ihn steht fest: Es gehe der republikanischen Regierung des Bundesstaates Texas nicht um die Bedrohung der USA. Vielmehr handele es sich zu 100 Prozent um „politisches Theater“, für das der Bundesstaat Geld von anderen Belangen wie Bildung oder Infrastruktur abziehe. „Wenn die Demokraten gewinnen, erwarte ich mehr Mitgefühl“, meint der ehemalige Lehrer im Gespräch mit Zamperoni und fügt warnend hinzu: „Wenn Trump an die Macht kommt, macht euch auf was gefasst!“
Zamperonis Schwiegermutter droht im Scherz: „Ich ziehe nach Deutschland!“
„Da bin ich wieder“, kehrte Ingo Zamperoni im Oktober ins „Trump-Country“ nach Wisconsin zu seinen Schwiegereltern zurück. Ein halbes Jahr - und so viele dramatische Wendungen wie in keinem anderen Wahljahr später - zeigte sich Greg entspannt: „Wir sind keine Opfer, wir werden durchhalten und das Leben genießen.“ Gregs Ehefrau Lynn sieht das anders: „Ich ziehe nach Deutschland“, meint sie halb im Scherz, „ich will Kamala!“
Selbst wenn die Demokratin gewinne, würde Trump die Wahl anfechten, gibt Greg zu bedenken. Möglicherweise werde bis Weihnachten keine Entscheidung vorliegen. Für ein friedliches Fest im Hause der Schwiegereltern Zamperonis sind das keine allzu guten Aussichten.
„Wirklich nochmal Trump, Amerika?“ ist am Montag, 4. November, 20.15 Uhr, im Ersten zu sehen und schon jetzt in der ARD-Mediathek. (tsch)