Deutschland braucht Geld für seine Sicherheit. Darum wird jetzt über eine Lockerung der Schuldenbremse diskutiert. Jens Spahn von der CDU hat eine andere Idee: Er will bei der Entwicklungshilfe sparen, sagt er am Donnerstagabend bei Maybrit Illner im ZDF.
„Müssen aufrüsten“Bei Illner fordert Spahn „nukleare Unabhängigkeit“ der EU
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„Wir werden in Europa unabhängiger werden müssen, erwachsener werden müssen“, sagt Jens Spahn. (Bild: ZDF/Jule Roehr)
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US-Präsident Donald Trump hat einen neuen Freund: Russlands Präsident Wladimir Putin. Mit ihm will er über ein Ende des Krieges in der Ukraine diskutieren. Die Ukraine soll nicht gefragt werden. Die europäischen Länder auch nicht. Sie können in Zukunft nicht mehr auf die Unterstützung der Vereinigten Staaten in Verteidigungsfragen setzen. Sie müssen unabhängiger von den USA werden. Doch dazu brauchen sie Geld. Das trifft auch auf Deutschland zu. Nun wird über eine Lockerung der Schuldenbremse diskutiert - und über ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 200 Milliarden Euro. Darum geht es am Donnerstagabend unter anderem in der ZDF-Talkshow mit Maybrit Illner.
„Wir werden in Europa unabhängiger werden müssen, erwachsener werden müssen“, sagt der CDU-Politiker Jens Spahn. Man müsse über einen europäischen Schutzschirm reden, über die Wehrpflicht. „Wir müssen jetzt in einer Geschwindigkeit aufrüsten, ausrüsten, über nukleare Unabhängigkeit auch in der EU reden.“ Doch das werde einige Zeit dauern. „Wir sind von den USA abhängig“, so Spahn.
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Am Donnerstagabend diskutierte Maybrit Illner (Mitte) mit (von links) Marina Weisband, Wolfgang Schmidt, Jens Spahn, Sarah Pagung und dem zugeschalteten Elmar Theveßen. (Bild: ZDF/Jule Roehr)
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Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt von der SPD stimmt Spahn in diesem Punkt zu - und fordert „Taten“: „Wir brauchen Maßnahmen, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln, die dafür sorgen, dass die Jobs hier sicher sind. Das wird ohne öffentliches Geld nicht funktionieren.“
„Wir sind in einer Notsituation“
Eine Möglichkeit wäre eine Lockerung der Schuldenbremse. Die hat Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vor den Wahlen abgelehnt. Nun ist er dafür. Doch dazu muss das Grundgesetz geändert werden - mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Die haben die demokratischen Parteien im neuen Bundestag nicht mehr, AfD und Linke verfügen gemeinsam über eine Sperrminorität. Damit könnten sie auch ein weiteres Sondervermögen für die Bundeswehr verhindern. Doch der neue Bundestag konstituiert sich erst in knapp vier Wochen, der alte Bundestag ist noch im Amt, könnte also ein Sondervermögen beschließen.
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„Wir brauchen Maßnahmen, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln“, fordert Wolfgang Schmidt. (Bild: ZDF/Jule Roehr)
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„Wir sind in einer Notsituation“, sagt die Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung. „Ich glaube, die Sicherheit in Europa ist so vulnerabel wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und ich glaube, vor diesem Hintergrund müssen wir vielleicht auch manchmal unelegante Lösungen finden.“ Dazu gehöre, den alten Bundestag für die Beschließung eines Sondervermögens noch einmal einzuberufen.
„Das wird die große Aufgabe sein in den Sondierungsgesprächen“, sagt Spahn. Allerdings sei eine Reform der Schuldenbremse vielleicht gar nicht nötig, lässt er durchblicken. Man könne auch den Haushalt umschichten und zum Beispiel bei der Entwicklungshilfe sparen.
Spahn: Müssen „mehr für die Sicherheit und die Verteidigung auszugeben“
Die SPD wäre grundsätzlich für ein Sondervermögen für die Bundeswehr. Gleichzeitig müsste es aber auch Geld für andere wichtige Vorhaben wie Investitionen in die Infrastruktur oder in Bildung geben, sagt Wolfgang Schmidt. „Die Grünen haben schon ausgeschlossen, dass sie bei einem Sondervermögen ausschließlich für Verteidigung mitmachen würden, und wir haben auch noch den Bundesrat“, gibt Schmidt zu bedenken. Die SPD wäre bereit, über eine Reform der Schuldenbremse noch mit dem alten Bundestag zu verhandeln.
Spahn ist nicht damit einverstanden. „Es ist jetzt unsere Aufgabe mit der SPD, in einer Zeit, wo wir auch sehen, was im Land politisch los ist, diesem Land wieder Stabilität, Wohlstand, Wachstum und Sicherheit zu geben. Und deswegen müssen und werden wir uns einigen, auch deutlich mehr für die Sicherheit und die Verteidigung auszugeben“, sagt der CDU-Politiker. Bis zur Konstituierung des neuen Bundestages werde man jedoch keine komplexe Operation rechtfertigen oder vernünftig verhandeln können.
Tatsächlich hat eine mögliche große Koalition noch ein wenig Zeit. Wenn es eine neue Regierung gibt, haben sich Trump und Putin möglicherweise schon auf ein Ende des Ukrainekrieges geeinigt. Die Nato kommt zu ihrem Treffen erst Ende Juni zusammen. Doch vielleicht gibt es sie dann in ihrer jetzigen Form schon nicht mehr. In den nächsten vier Monaten müsste also über die Zukunft Deutschlands und Europas Klarheit herrschen. Damit ist der Hauptverhandlungspunkt bei den kommenden Sondierungsgesprächen klar. (tsch)