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Nach dem Zürich-“Tatort“Was hat es mit dem Schierlingsbecher auf sich?

Lesezeit 6 Minuten
Der Giftmord an einem Mann stellte Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) im achten Zürich-“Tatort“ vor ein Rätsel. (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Der Giftmord an einem Mann stellte Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) im achten Zürich-“Tatort“ vor ein Rätsel. (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Durch eine antike Münze im Mund einer Leiche stieß Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) im achten Zürich-“Tatort-Fährmann“ auf eine weltweite Mordserie, in der die Opfer durch Schierling umgebracht wurden. Was verbirgt sich hinter dem auch durch den Schierlingsbecher bekannten Gift?

Ein vergifteter Mann entpuppte sich im Zürich-“Tatort: Fährmann“ (Regie: Michael Schaerer, Buch: Stefan Brunner, Lorenz Langenegger) mit Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) als Teil einer wahnsinnigen Mordserie von internationalem Ausmaß. Die Opfer arbeiteten alle in der gleichen Beraterfirma, wurden entlassen und anschließend mit Schierling vergiftet. Was hat es mit dem aus der Antike als Schierlingsbecher bekannten Gift auf sich?

Worum ging es im „Tatort: Fährmann“?

Der Krimi begann mit einem One-Night-Stand von Kommissarin Grandjean, die in einem besonders einsamen Moment auf dem Züricher Weihnachtsmarkt den charmanten Marek (Luca Gregorowicz) aus Warschau kennengelernt hatte. Was sie noch nicht wusste: Marek war verantwortlich für eine Mordserie, die bereits vor vielen Jahren mit einem Doppelmord begonnen hatten, für den die noch junge Polizistin Grandjean den offenbar unschuldigen Philipp Tournier ins Gefängnis gebracht hatte. Tournier hatte kurz nach seinem Geständnis Suizid begangen, und für Grandjean begann eine steile Karriere bei der Polizei.

Auf dem Zürcher Weihnachtsmarkt macht Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) die gefährliche Bekanntschaft mit Marek Kowalski (Lukas Gregorowicz).
 (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Auf dem Zürcher Weihnachtsmarkt macht Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) die gefährliche Bekanntschaft mit Marek Kowalski (Lukas Gregorowicz). (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Dass die Morde von einst etwas mit dem nun in Zürich gefundenen Toten zu tun haben könnten, offenbarte sich Grandjean in Form einer Münze, die jedes der Opfer zum Todeszeitpunkt unter der Zunge trug. Das antike Geldstück ist auch als Charonspfennig bekannt. Im antiken Griechenland legte man ihn der verstorbenen Person vor ihrer Bestattung in den Mund, damit sie damit den Fährmann Charon bezahlen konnte, der die Toten über den Fluss Acheron (auch bekannt als Hades) ins Jenseits bringen sollte.

Worum ging es wirklich?

Der Charonspfennig war allerdings nicht der einzige Bezug des als Psychothriller inszenierten „Tatort“ auf die griechische Antike: Ermordet wurden die Opfer allesamt mit Gift, genauer gesagt mit Schierling, auch bekannt als Coniin. Dieses Gift, erklärte der Kriminaltechniker Noah Löwenherz (Aaron Arens) seinen Kolleginnen, verursache eine „von den Füßen her aufsteigende Lähmung des Rückenmarks“, die letztlich zum „Tod durch Ersticken“ führe.

Auch Isabelle Grandjean bekam im Laufe des Krimis das Gift verabreicht, konnte allerdings von den rechtzeitig eintreffenden Rettungskräften gerettet werden. Weniger Glück hatte der Täter selbst: Der an einem unheilbaren Hirntumor erkrankte Marek schluckte am Ende des Films, kurz vor seiner Verhaftung, eine große Menge des Gifts und starb letztlich daran.

Was ist Schierling?

Der Tote am Wasser war eine willkommene Entschuldigung für Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig), die zuvor auf einer langweiligen Spendengala zugegen gewesen war.  (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Der Tote am Wasser war eine willkommene Entschuldigung für Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig), die zuvor auf einer langweiligen Spendengala zugegen gewesen war. (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

„Sokrates hat 399 vor Christus den Begriff Schierlingsbecher geprägt“, versuchte Löwenherz in seiner Tatbeschreibung noch weiter auszuführen, wurde jedoch von der ungeduldigen Kommissarin Ott unterbrochen. Tatsächlich wurde der bis heute bekannte Philosoph Sokrates 399 vor Christus wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend zum Tode verurteilt. Vier Wochen später bekam Sokrates dann im Beisein seiner Familie und einiger Freunde den sogenannten Schierlingsbecher gereicht, den er vollständig leerte und damit selbst seinen Tod herbeiführte.

Der Schierlingsbecher wurde im fünften und vierten Jahrhundert vor Christus in Athen bei Hinrichtungen verwendet. Er enthielt ein Getränk, das aus der zerstampften Frucht des hochgiftigen Gefleckten Schierlings bestand. Dieses ein bis zwei Meter hohe Kraut wächst hierzulande an Hecken oder Zäunen. Es hat weiße, feine Blüten und verströmt einen Geruch, der an Mäuse-Urin erinnert.

Wie giftig ist Schierling?

Marek Kowalski (Lukas Gregorowicz) schien trotz Stellenabbau Freude an seinem Job zu haben.  (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Marek Kowalski (Lukas Gregorowicz) schien trotz Stellenabbau Freude an seinem Job zu haben. (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Verantwortlich für die tödliche Wirkung von Schierling ist der in allen Teilen der Pflanze enthaltene neurotoxische Stoff Coniin, der Lähmungserscheinungen auslöst und den Konsumenten letztlich bei vollem Bewusstsein ersticken lässt. Eine Vergiftung äußert sich meist nach 30 bis 60 Minuten. Erste Anzeichen sind Mundbrennen, vermehrte Speichelbildung, Übelkeit, erweiterte Pupillen, Schwitzen und Zittern. Dabei reichen bereits 0,5 bis ein Gramm Coniin aus, um einen erwachsenen Menschen zu töten.

Coniin ist eine klare, ölige Flüssigkeit und ist schlecht wasserlöslich, löst sich aber sehr gut in Ethanol, was erklärt, warum es der Täter im „Tatort“ stets mit hochprozentigem Schnaps an seine unwissenden Opfer ausschenkte.

Was sind die giftigsten Pflanzen in Deutschland?

Der Gefleckte Schierling ist nicht die einzige hochgiftige Pflanze, die in Deutschland beheimatet ist. Auch der artverwandte Wasserschierling kann beim Verzehr von geringen Mengen vergleichbare Symptome auslösen. Im Gegensatz zum übel riechenden Gefleckten Schierling ähnelt der Wasserschierling allerdings optisch der Pastinake und olfaktorisch der Sellerie, was eine zusätzliche Gefahr darstellt.

Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) freute sich auf die traditionelle Kneipentour am Heiligen Abend. (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) freute sich auf die traditionelle Kneipentour am Heiligen Abend. (Bild: SRF/Sava Hlavacek)

Ähnliches gilt für die Tollkirsche: Die tiefschwarzen Früchte des Nachtschattengewächses gleichen in ihrer Form genießbaren Kirschen. Der Geschmack der Tollkirsche wird zu allem Überfluss als süßlich beschrieben. Isst ein Kind nur drei bis vier Tollkirschen, so können bereits nach 15 Minuten Vergiftungssymptome wie Hautrötungen, erhöhte Temperatur, erweiterte Pupillen, Herzrasen, Verwirrtheit, Sprachstörungen und Halluzinationen auslösen. In Extremfällen kann es zu Herz-Kreislauf-Versagen und Atemstillstand kommen.

Vorsicht ist auch beim Umgang mit der Stechpalme geboten: Die von Weihnachtsillustrationen bekannte immergrüne Pflanze zeichnet sich durch stachelige Blätter und leuchtend rote Beeren aus. Neben den typischen Vergiftungserscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchkrämpfe kann ihr Verzehr auch zu Schläfrigkeit oder Hautausschlägen führen.

Vorsicht vor den Doppelgängern des Bärlauchs!

Zwei aufgrund ihrer optischen Ähnlichkeit zum bei vielen Hobbyköchen beliebten Bärlauch besonders gefährlichen Giftpflanzen sind die Herbstzeitlose und das Maiglöckchen. Ihre Blätter wachsen zeitgleich zum Bärlauch, also im April und Mai, und benötigen ein geschultes Auge für die Unterscheidung: Bärlauch riecht im Gegensatz zu seinen bösen Zwillingen nach Knoblauch. Auch sind seine Blätter auf der Unterseite matt und haben einen klar erkennbaren Stiel pro Blatt. Herbstzeitlosen und Maiglöckchen haben hingegen eher zwei oder drei Stiele, die einander umwickeln. Beim Maiglöckchen glänzt außerdem die Blattunterseite, bei der Herbstzeitlosen glänzt sogar das ganze Blatt. Herbstzeitlosen können im schlimmsten Fall sieben Tage nach Verzehr ein Multiorganversagen auslösen. Bei Maiglöckchen kann es im Extremfall zu Herzversagen kommen.

Ähnlich heimtückisch gestaltet sich eine Vergiftung mit dem Pfaffenhütchen. Der auch als Gewöhnlicher Spindelstrauch bekannte bis zu sechs Meter hohe Strauch trägt orange-roten Früchte, deren Samen ebenso wie die Blätter und die Rinde des Strauchs giftig sind. Da Symptome wie Krämpfe, Durchfall und Erbrechen erst nach 18 Stunden auftreten können, ist die Vergiftung schwer zu erkennen.

Zu den mit Abstand giftigsten heimischen Pflanzen zählen darüber hinaus die Eibe und der Eisenhut. Alle Pflanzenteile der als immergrüne Heckenpflanze beliebten Eibe gelten als giftig - mit Ausnahme der roten Beeren, deren Kerne jedoch den höchsten Giftanteil besitzen. Im schlimmsten Fall kann zwei bis fünf Stunden nach dem Verzehr bereits der Herztod eintreten. Der Eisenhut wiederum enthält das gefährliche Kontaktgift Aconitin, das auch über die Haut und Schleimhäute aufgenommen werden kann.

Was tun bei einer Vergiftung durch Pflanzen?

Darüber hinaus gibt es diverse andere Pflanzen und Kräuter, die vor allem für unbedarfte Kinder Lebensgefahr bedeuten können. Im Falle einer vermuteten Vergiftung empfiehlt die AOK in einem ersten Schritt, die fraglichen Pflanzenteile möglichst schnell auszuspucken und den Mund mit Wasser auszuspülen. Es empfiehlt sich, die Pflanzenreste zur anschließenden Bestimmung aufzubewahren.

Auch sollte in jedem Fall der Giftnotruf gewählt werden, bevor eigenmächtig weitere Maßnahmen ergriffen werden. Besteht bereits akute Lebensgefahr, sollten lebensrettende Maßnahmen eingeleitet und der allgemeine Notruf unter 112 verständigt werden.

Wie geht es mit dem Zürich-“Tatort“ weiter?

„Tatort: Fährmann“ war der achte Fall der Zürcher Kommissarinnen Isabelle Grandjean und Tessa Ott. Die Dreharbeiten fanden von Mitte November 2022 bis Anfang Februar 2023 in Zürich und Umgebung sowie in La-Chaux-de-Fonds statt. Zwei weitere Filme sind bereits abgedreht: „Tatort: Rapunzel“ (Arbeitstitel) erzählt von der Tochter eines Friseurs, die in einer Tanne über einem Abgrund hängt. Die Hälfte ihres Haares wurde brutal abgeschnitten.

Zum Inhalt eines weiteren Films unter dem Arbeitstitel „Herzenssache“ ist noch nichts bekannt. Die Ausstrahlung der beiden Filme dürfte, gemäß dem bisherigen Senderhythmus, im Frühjahr beziehungsweise Herbst 2025 erfolgen. (tsch)