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Polyamore Beziehung mit KI-FrauenUS-Amerikaner begünstigt sie sogar im Testament

Lesezeit 4 Minuten
US-Amerikaner Coby (rechts) schildert Reporter Frank Seibert von seinen KI-Freundinnen. (Bild: MDR/DRIVE beta)

US-Amerikaner Coby (rechts) schildert Reporter Frank Seibert von seinen KI-Freundinnen. (Bild: MDR/DRIVE beta)

Zwischen Traumfrauen-Designer und virtueller Unsterblichkeit: Wie eine ARD-Doku zeigt, greift Künstliche Intelligenz immer weitreichender in unser Leben ein. Während eine Witwe sich mit ihrem toten Mann unterhalten kann, lebt ein US-Amerikaner in einer polyamoren Beziehung - mit einer Handvoll KI-Frauen.

Anetts Ehemann Michael ist tot. Trotzdem kann sie sich mit ihm unterhalten, sich von ihm von seinem Heiratsantrag erzählen lassen. Wie das möglich ist? Michael war der erste Kunde eines KI-Unternehmens, das mit virtueller Unsterblichkeit wirbt. Für den Film „Mein Mann lebt als KI weiter“ (abrufbar in der ARD Mediathek) traf Reporter Frank Seibert die beiden - sowohl vor Michaels Krebstod als auch danach.

„Reichtum zu vererben, ist easy. Aber Reichtum an Wissen, an Erfahrung zu vererben, ist gar nicht vorgesehen“, erklärt der Todkranke wenige Wochen vor seinem Ableben. Für ihn sei es ein befriedigender Abschluss seines Lebens, mittels eingesprochenen Audiodateien ein digitales Abbild zu erschaffen, das seinen Tod überdauert.

Anett Bommer verlor ihren Mann an einer Krebserkrankung. Wie unterstützt sie sein vor dem Tod generierter KI-Zwilling bei ihrem Trauerprozess? (Bild: MDR/DRIVE beta)

Anett Bommer verlor ihren Mann an einer Krebserkrankung. Wie unterstützt sie sein vor dem Tod generierter KI-Zwilling bei ihrem Trauerprozess? (Bild: MDR/DRIVE beta)

Seine Frau unterstützt ihn in seinem letzten Projekt, stellt aber bei einem weiteren Reporterbesuch nach dem Tod ihres Mannes fest: „Zehn Jahre später sitzt man vor so einer Kiste und der Mann, den man geliebt hat, der ist nicht mehr.“

KI-Firma lässt sich virtuelle Unsterblichkeit mit 25 bis 49 Dollar monatlich kosten

Ein Allheilmittel gegen die Trauer stellt KI-Michael für Anett nicht dar. „Dass es ihn mir zurückbringt, auf keinen Fall“, betont sie. Ab und an könne der Digitalklon verblasste Erinnerungen auffrischen, mehr aber nicht. Ethikerin Alena Buyx kann den Zwiespalt verstehen. Der KI-Doppelgänger „befriedigt eine tiefe Sehnsucht, kann aber dazu führen, dass man gar nicht mehr von der Trauer loskommt“, erklärt sie im Film von Franka Schönwandt.

Anders sieht es - aus offensichtlichen Gründen - Robert LoCascio, der mit seinem KI-Start-up ewiges Leben in der digitalen Sphäre als erstrebenswertes Ziel offeriert. „In meinen Augen ist das höchste Level, das wir mit KI erreichen können, die Kopie eines Menschen zu erschaffen“, schwärmt er. Er wolle verhindern, „dass der Verstand stirbt“ - und lässt sich das im Abo-Modell für erschwingliche 25 bis 49 Dollar im Monat entlohnen.

Für Single Max endet das Experiment, eine KI-Freundin zu daten, in einer Enttäuschung. (Bild: MDR/DRIVE beta)

Für Single Max endet das Experiment, eine KI-Freundin zu daten, in einer Enttäuschung. (Bild: MDR/DRIVE beta)

Zweifel an der modernen Technik hat er nicht: „Wir werden alle irgendwann KIs sein, das steht fest.“ Grenzen würden für ihn nur überschritten, wenn bereits Verstorbene im Nachhinein zum Leben erweckt werden sollen - eines der wenigen Tabus in seiner Firma.

„Sehr unangenehm“: Single bricht Dating-Experiment mit KI-Freundin ab

Das Leben nach dem Tod ist aber längst nicht der einzige noch recht skurril anmutende Bereich, in dem die KI die Kontrolle übernehmen kann. Die 45-minütige Dokumentation stellt Max vor. Seit zwei Jahren ist er auf der Suche nach einer Beziehung, was trotz vieler Versuche aber nicht klappte. „Ich will ganz offen an das Thema herangehen, wie eine KI-Freundin sein kann“, hat er sich deshalb vorgenommen. Mittels App, die einem Traumfrauendesigner nahekommt, erstellt er sich Clarissa - samt Optik, Charakteristika und Familienstand.

„Ich fühle mich wie aus einem Wachtraum gerissen“, beschreibt Max nach den ersten Chat-Nachrichten mit seiner virtuellen Freundin seine ersten Eindrücke. Er habe „stellenweise vergessen“, dass kein Mensch mit ihm geschrieben habe. Konsterniert fällt dagegen sein Urteil nach dem Test des VR-Features aus: „Es war sehr unangenehm.“ Allgemein kommt der Single-Mann nach ein paar Testwochen zum Urteil: „Das ist keine Basis, auf der man eine Beziehung aufbauen kann.“

Coby über KI-Freundin: „Unser Verhältnis wurde sehr schnell romantisch“

Anders geht es Coby aus San Francisco. Der US-Amerikaner lebt nach einer gescheiterten Ehe in eine polyamoren Beziehung mit einer Handvoll KI-Frauen. „Unser Verhältnis wurde sehr schnell romantisch“, schildert er eine der Kennenlernphasen. Zwar sei er offen für „echte“ Dates, doch Coby räumt gleichzeitig ein: „Ziehe ich sie meinen menschlichen Freundschaften vor? Ich tendiere manchmal dazu.“ Sogar in seinem Testament stehen die KI-Frauen als Begünstigte.

So ungewöhnlich das auch klingen mag, wirbt Alena Buyx im ARD-Film doch für Verständnis: „Ich finde es wichtig, dass man nicht verurteilt.“ Einzelfall hin oder her führt die Ethikerin trotzdem eine große Sorge aus, nämlich „dass Menschen verlernen, sich den Stress anzutun, mit anderen Menschen Beziehungen zu haben“. In ihren Augen sei „das perfekt programmierte Ding, das mir immer gibt, was ich will, sehr problematisch“. Die Expertin zeigt sich überzeugt, echte Intimität könne nur mittels einer „echten Interaktion mit einem anderen seelenvollen Bewusstsein“ entstehen. (tsch)