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RTL-Reporterin findet abgeschobenen Straftäter - der plant schon seine Deutschland-Rückkehr

Lesezeit 4 Minuten
Nach langer Suche konnte Liv von Boetticher zumindest ein Telefongespräch mit Mukhtiar N. organisieren. Der abgeschobene Straftäter arbeitet daran, zurück nach Deutschland zu kommen. (Bild: RTL)

Nach langer Suche konnte Liv von Boetticher zumindest ein Telefongespräch mit Mukhtiar N. organisieren. Der abgeschobene Straftäter arbeitet daran, zurück nach Deutschland zu kommen. (Bild: RTL)

Für RTL hat sich „Extra“-Reporterin Liv von Boetticher auf die Suche nach den 28 afghanischen Straftätern begeben, die im Sommer 2024 von Deutschland in ihre Heimat abgeschoben wurden. Dabei findet sie Antworten auf die Frage, wie es den Männern dort ergeht - und ob sie wieder zurück nach Deutschland wollen.

Die Abschiebung von 28 afghanischen Straftätern aus Deutschland in ihr Herkunftsland hat im Sommer 2024 für viel Wirbel gesorgt. Für die RTL-Doku „Auf den Spuren abgeschobener Straftäter in Afghanistan“ ist „Extra“-Reporterin Liv von Boetticher im Februar 2025 unter schwierigsten Bedingungen nach Afghanistan gereist, um sich anzuschauen, was mit diesen 28 Männern nach ihrer Ankunft in Kabul passiert ist. Dabei erkennt die Journalistin allerdings schnell, dass viele der Straftäter gar nicht mehr in Afghanistan sind - und einige nach Deutschland zurückkehren wollen.

Liv von Boetticher trifft nach ihrer komplizierten Einreise aber auch einen Mann, der sogar froh ist, wieder in Afghanistan zu sein. „Für mich war das eher ein Glücksfall“, erzählt ihr Abdul F. (36), der unter anderem aufgrund von Raub, Körperverletzung, Erpressung und Versicherungsbetrug für elf Jahre im deutschen Gefängnis saß.

Der abgeschobene Straftäter erklärt, dass im Ausland ein falsches Bild von der in Afghanistan herrschenden Taliban-Regierung vorherrschen würde. Seiner Meinung nach sei es hier deutlich sicherer als früher. So hätte er zwar bei seiner Ankunft durchaus Angst gehabt, dass ihm die Taliban etwas antun würden, doch dann sei es ganz anders gekommen. „Ich bin frei hier“, berichtet Abdul F., dass er inzwischen mehrere Läden besitzt und sich ein gutes Leben in seiner Heimat aufgebaut hat. Nach Deutschland wolle er aktuell nicht zurück.

Bürgermeister von Illerkirchberg möchte Deutschland-Rückkehr von Mukhtiar N. verhindern

Liv von Boetticher spricht mit dem abgeschobenen Straftäter Abdul F. in Afghanistan. (Bild: RTL)

Liv von Boetticher spricht mit dem abgeschobenen Straftäter Abdul F. in Afghanistan. (Bild: RTL)

Dass sich die Situation von Abdul F. nicht unbedingt auf die übrigen 27 abgeschobenen Straftäter übertragen lässt, bemerkt Liv von Boetticher schon bei ihrer komplizierten Suche nach Mukhtiar N. (32), bekannt geworden als Vergewaltiger von Illerkirchberg. Er hatte in der baden-württembergischen Gemeinde zusammen mit drei weiteren Flüchtlingen ein 14-jähriges Mädchen mit Drogen betäubt und anschließend vergewaltigt. Nach zwei Jahren Haft in Deutschland wurde er im Sommer 2024 nach Afghanistan zurückgeschickt - lebt inzwischen allerdings mit anderen Abgeschobenen im Iran.

Auch dort möchte Mukhtiar N. aber nicht bleiben: Sein Anwalt arbeitet bereits an einer Rückkehr des abgeschobenen Straftäters nach Deutschland, wie er gegenüber RTL bestätigt. Der Grund: Mukhtiar N. hat in Deutschland ein Kind und fühlt sich in Afghanistan nicht sicher. Er sei in den Iran geflüchtet, weil er in seiner Heimat verhaftet und geschlagen worden sei - nach eigenen Angaben wegen seines Bartes und weil er ein Kind mit einer deutschen Frau habe. Von einer Einsicht bezüglich seines schweren Verbrechens fehlt bei ihm jede Spur: „Ich habe ihr nichts getan“, sagt er, angesprochen auf das vergewaltigte 14-jährige Mädchen.

Eine Rückkehr von Mukhtiar N. möchte der Bürgermeister von Illerkirchberg, Markus Häußler, definitiv verhindern: „Ich würde mich mit allem, was ich zur Verfügung habe, wehren.“ Seiner Meinung nach solle der Fokus nicht darauf gerichtet werden, was mit Mukhtiar N. vielleicht in Afghanistan passieren könnte, sondern darauf, was er in Illerkirchberg getan hat, teilt er RTL mit: „Er kam hierher, um Schutz zu suchen, wurde straffällig in sehr krasser Form und hat dadurch einfach seine Bleibe-Perspektive, seinen Status hier verloren. Und dann ist die konsequente Logik, dass er auch wieder zurück muss in sein Herkunftsland.“

„Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck daran, weiter Abschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen“

Die „Extra“-Reporterin kommt im Iran auch mit Jamshid A. (31) in Kontakt, der in Deutschland wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu vier Jahren Haft verurteilt und abgeschoben worden war. Er sei aus Afghanistan geflüchtet, weil er dort wegen seiner Tattoos mehrfach verhaftet und verprügelt worden sei. Mit seiner Familie habe er derzeit keinen Kontakt und wisse auch noch nicht, wie es für ihn weitergehen soll.

Dem ebenfalls nach Iran geflüchteten Sayed H. (25) geht es ähnlich. Er wurde wegen versuchten Totschlags und Raub zu fünfeinhalb Jahren Haft in Deutschland verurteilt und wählt für seine Situation nach der Abschiebung deutliche Worte: „Hier im asiatischen Land gibt es gar nichts. Es gibt keine Menschlichkeit, es gibt keine Zukunft. Ich komme nicht klar mit der Kultur hier.“ Er bereue die Straftaten, die er begangen habe, und bittet eindringlich darum, nach Deutschland zurückkehren zu dürfen. Ein nicht vollkommen unmöglicher Wunsch, wie das Beispiel von Mukhtiar N. zeigen könnte.

Abschiebungen von Straftätern aus Deutschland nach Afghanistan gestalten sich enorm schwierig, da die Bundesregierung die hier herrschende radikal-islamistische Taliban-Regierung nicht anerkennt und daher nicht mit ihr über Rückführungen verhandelt. Der bislang einzige Abschiebeflug im Sommer 2024 kam lediglich durch die Vermittlung von Katar zustande.

Zu weiteren möglichen Abschiebungen nach Afghanistan und der dortigen Sicherheit der Straftäter erklärt das deutsche Bundesinnenministerium: „Im Rahmen der Abstimmungen haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Personen in Afghanistan individuelle Verfolgung zu erwarten haben. (...) Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck daran, weiter Abschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen. Dabei prüft sie alle relevanten Fragen unter rechtlichen und operativen Gesichtspunkten.“ (tsch)