Im „Tatort: Dein gutes Recht“ mit Lena Odenthal und Johanna Stern ging es um eine Anwältin, die arme Menschen vor Gericht schlecht aussehen ließ.
TV-Kritik zum „Tatort“Werden arme Menschen von der Justiz schlechter behandelt?
Erst im September lief mit dem Schwarzwald-Fall „Ad Acta“ ein „Tatort“, der einen fiesen Anwalt in den Mittelpunkt stellte. Dieser arbeitete fürs Organisierte Verbrechen und handelte vor Gericht äußerst zweifelhafte Deals aus. Nur einen guten Monat später widmete sich der SWR am Ermittlungsstandort Ludwigshafen ein weiteres Mal dem Thema Justiz.
Diesmal stand eine Anwältin im Mittelpunkt, die arme Leute vor Gericht schlecht aussehen lassen sollte. Und sie hatte Erfolg damit. Ist unser Rechtssystem auf dem „Klassenauge“ tatsächlich blind, so wie es sein sollte? Und wussten Sie, dass sowohl Ulrike Folkerts als Kommissarin Lena Odenthal wie auch Lisa Bitter als Kollegin Johanna Stern in dieser Folge ein Jubiläum feierten?
Worum ging es im „Tatort“?
Ein Notruf erreichte Kommissarin Lena Odenthal. Die erfolgreiche Anwältin Patricia Prinz (Sandra Borgmann) kauerte in einem Versteck ihrer Kanzlei. Neben ihr lag schwer verletzt Jasper Ünel (Mohamed Achour), Ehemann der Anwältin. Hatte er einen Einbrecher überrascht, als er nachts sein vergessenes Handy holen wollte - oder war es doch anders? Neben der taffen Anwältin lernte man bald auch die junge Mutter Marie Polat (Emma Drogunova) kennen.
Sie hatte Angst, das Sorgerecht für ihren kleinen Sohn zu verlieren, das an ihren Ex gehen könnte. Um vor Gericht einen festen Job nachweisen zu können, bei schwieriger sozialer Vorgeschichte, arbeitete Marie in einem Callcenter. Die Firma wurde von Piet Sievert (Matthias Lier) geleitet, der gerne Druck auf seine Angestellten ausübte. Immerhin erhielt Marie Unterstützung von ihrer ebenfalls für Sievert arbeitenden Freundin Luisa Berger (Samia Chancrin).
Worum ging es wirklich im „Tatort“?
Schon zum zweiten Mal im Herbst 2024 prüfte ein SWR-“Tatort“ unser Rechtssystem. Nach „Ad Acta“ aus Freiburg, in dem August Zirner als skrupelloser Anwalt in Kooperation mit dem Gericht dem Organisierten Verbrechen diente, ging es nun im Drehbuch von Martin Eigler um die Benachteiligung armer Menschen vor Gericht. Sie fängt schon allein damit an, dass sich Unterprivilegierte keine guten Anwälte leisten können.
Schaut man sich die letzten Filme des regelmäßigen „Tatort“-Machers Martin Eigler an, stellt man fest, dass der 60-jährige Autor und Regisseur die Themen Gerechtigkeit und Wahrheit gern in den Mittelpunkt stellt. In der Stuttgarter Folge „Zerrissen“ (2024) erzählte Eigler von einem strafunmündigen Jugendlichen, der von seiner Verbrecherfamilie ausgenutzt wurde. Und im grandios verstörenden „Der Mann, der lügt“ (2018) wurde komplex über das Thema Wahrheit an sich nachgedacht. Ein Kritiker schrieb damals: „Es gilt, durch die Augen eines Lügners die Wahrheit zu erkennen“.
Was ist Klassismus - und gibt es ihn in Deutschland?
Unter Klassismus versteht man Diskriminierung einer Person aufgrund ihres vermuteten oder wirklichen sozialen Status. Zum Beispiel aufgrund von Bildung, Einkommen, Wohnort, Wohnsituation und Erwerbstätigkeit. Während andere Diskriminierungsformen wie Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus in Deutschland gut erforscht und in der gesellschaftlichen Diskussion präsent sind, gerät der oft subtil wirkende Klassismus hierzulande erst jetzt so richtig in den Fokus, auch wenn es sich dabei wohl um ein lange existentes Phänomen handelt.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gab nun eine juristische Studie in Auftrag (geplante Veröffentlichung: 1. Quartal 2025), die klären soll, mit welcher Rechtsbegrifflichkeit ein entsprechender „Diskriminierungsschutz entlang des sozialen Status“ am besten umgesetzt werden kann. Offenbar ist das deutsche Rechtssystem für das Thema des „Tatorts“ zumindest sensibilisiert.
Wer war die (böse) Hauptdarstellerin im „Tatort“?
Anwältin Patricia Prinz wurde von Sandra Borgmann gespielt. Die 50-Jährige ist eine der regelmäßigsten Fachkräfte des deutschen Fernsehens, wenn es um „schwierige“ Frauenrollen geht. Borgmann stammt aus dem Ruhrpott, studierte auch in Essen Schauspiel, lebt aber schon lange in Hamburg. Die Mutter eines Sohnes wird gerne - wie in diesem „Tatort“ - für Abgründiges gebucht.
So spielte Borgmann in der nach drei Folgen eingestellten SAT.1-Krimireihe „Julia Durant“ die sperrige Kommissarin, sie geheimnisste im Netflix-Hit „Dark“ als Elisabeth Doppler, sorgte für RAF-Terror in „Der Baader Meinhof Komplex“ und gab in unzähligen Krimis die Mörderin oder zumindest eine obskure Verdächtige. Begonnen hat die blonde Schauspielerin allerdings mal als Sympathieträgerin: In der Kult-Dramedy „Berlin, Berlin“, die Felicitas Woll Anfang des Jahrtausends zum Star machte, spielte sie in der ersten Staffel des ARD-Erfolgsformats Rosalie, beste Freundin der Hauptfigur Lolle.
Welches Jubiläum feiern die Kommissarinnen?
Für Deutschlands dienstälteste Ermittlerin, Lena Odenthal, war „Dein gutes Recht“ die 80. Folge seit Schauspielerin Ulrike Folkerts (63) die Rolle für den Krimi „Die Neue“ (Erstausstrahlung: 29.10.1989) übernahm. Seit immerhin zehn Jahren ist Lisa Bitter als ihre Kollegin Johanna Stern dabei. Der erste Fall der heute 40-Jährigen war am 26. Oktober 2014 die Folge „Blackout“. Apropos Ludwigshafener Team: Nach den Renten-Abgängen von Frau Keller (Annalena Schmidt) und Peter Becker (Peter Espeloer) suchen die beiden Kommissarinnen in der aktuellen Folge nach neuen Mitarbeitern.
Auch wenn es am Ende von „Dein gutes Recht“ nur angedeutet wurde - die Suche könnte bald beendet sein. Die pfälzisch sprechende Afrodeutsche wird von der aus Kaiserslautern stammenden Davina Chanel Fox gespielt, die sich als Mara Herrmann wohl genauso um eine „feste Stelle“ bewerben wird, wie Nico Langenkamp (Johannes Scheidweiler) aus der Poststelle. Wie der SWR auf Nachfrage bestätigt, wird die Konkurrenzsituation der beiden im nächsten Film wieder aufgegriffen.
Wie geht es in Ludwigshafen mit dem „Tatort“ weiter?
Der nächste „Tatort“ aus Ludwigshafen hört auf den interessanten Namen „Der Stelzenmann“. Voraussichtlich im ersten Quartal 2025 kann man ihn sehen. Er stammt vom Duo Harald Göckeritz und Miguel Alexandre, die auch den „Tatort: Avatar“ realisierten. Es geht um die Entführung eines Kindes, deren Umstände an einen Jahre zurückliegenden, unaufgeklärten Fall erinnern.
Die Kommissarinnen kontaktieren das damalige Opfer (Samuel Benito), das ganz offensichtlich auch neun Jahre danach noch unter einem Trauma leidet. Trotzdem müssen sie versuchen, seine Erinnerungen zu aktivieren, um das aktuelle Opfer zu retten. (tsch)